Interview mit Hobby-Japan-Chefredakteur Ryo Kinoshita – Light-Novel-Trends, Lizenzieren ins Ausland und was dem deutschen Markt fehlt
Light Novels erfreuen sich in Deutschland mittlerweile einer größeren Beliebtheit. Oft stoßen die Leser:innen hierzulande durch eine Anime- oder Manga-Adaption eines Light-Novel-Titels auf ebenjene Originalvorlage und möchten erfahren, wie die Geschichte weitergeht. In Japan gibt es natürlich eine viel größere Auswahl an Light Novels und nur die wenigsten erhalten überhaupt eine Adaption. Über diese Tatsache und noch vieles weitere durften wir Ende 2023 mit dem Chefredakteur Ryo Kinoshita-san des japanischen Verlags Hobby Japan sprechen. Kinoshita-san betreut Werke wie Asahina-sans Bento oder In Another World With My Smartphone und unterstützt bei Anime-Adaptionen. Auch an der Promotion zum Anime von My Dreamy Realist war er beteiligt. Das ausführliche Interview ist am Ende des Artikels zu finden.
Hobby Japan ist sicherlich nicht allen Manga- und Light-Novel-Fans ein Begriff. Das ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass es hierzulande bislang keine oder kaum Werke des japanischen Verlags gab. Aber laut Kinoshita-san scheint sich das gerade zu ändern. Während man vor circa sechs Jahren durch Lizenzanfragen auf den US-amerikanischen Markt aufmerksam wurde, sei der europäische Markt erst jetzt durch erste ähnliche Anfragen – beispielsweise deutscher und französischer Verlage – ins Gespräch gekommen. Dabei seien die Dimensionen der Beliebtheit auf dem europäischen Markt noch nicht abzusehen. Der US-amerikanische Markt soll sich in den letzten Jahren jedoch rapide entwickelt haben und man hat die Hoffnung, das wiederholen zu können. Denn Titel wie In Another World With My Smartphone verkaufen sich auf Englisch sogar so gut, dass der Erfolg beinahe die japanische Printausgabe übersteigt.
Dass Light Novels im Ausland populärer werden, sei vor allem auch auf den Anime-Boom, insbesondere seit der Corona-Zeit, zurückzuführen. Für Anime, so scheint es, sind Lizenzierungen ins Ausland mittlerweile sehr wichtig und Kinoshita-san selbst erstaunt das finanzielle Budget der ausländischen Streaminganbieter für einen Titel. Mit My Dreamy Realist (Anime-Titel: The Dreaming Boy Is a Realist), In Another World With My Smartphone, Seirei Gensouki: Spirit Chronicles oder Reborn to Master the Blade: From Hero-King to Extraordinary Squire ♀ hat der Herausgeber jüngst Erfahrungen mit verschiedenen Anime-Adaptionen seiner Werke machen können.
Bei Light Novels und Manga sei man aber noch nicht so weit. Die Einnahmen durch Lizenzierungen seien noch gering, man erfreue sich deswegen primär an der positiven Resonanz der ausländischen Fans, unter anderem auf Social Media. Einen direkten Einfluss auf das Werk hat das allerdings wohl eher selten.
Auf das wichtigste Kriterium für die Fortsetzung einer Light-Novel-Reihe angesprochen, gab Kinoshita-san zu, dass es vorrangig um schwarze Zahlen, also inländische Verkäufe, gehe. Stimmt der Umsatz nicht, muss eine Reihe vorzeitig beendet werden. Oder man entscheidet sich, wie beispielsweise im Fall von Welcome to Japan, Ms. Elf!, eine Fortführung ausschließlich digital anzubieten, denn auch gute E-Book-Verkäufe können einen Release rentabel machen, so der Chefredakteur.
Weiterhin war der Entstehungsprozess von Light Novels selbst Thema und Kinoshita-san gewährte uns einen kleinen Einblick in die Arbeitsweise eines Light-Novel-Redakteurs. So werde grundsätzlich zwischen Originalwerken, die im Verlag komplett neu entstehen, aufgegriffenen Werken von bekannten Web-Plattformen wie Syoetsu ni Narou und Gewinnerwerken vom HJ Novel Award unterschieden. Jede Form habe ihre Eigentümlichkeiten. Dabei trifft sich Kinoshita-san seit der Corona-Zeit nicht mehr persönlich mit den einzelnen Autor:innen, sondern tauscht sich stattdessen regelmäßig per Telefon, E-Mail oder Discord aus.
Ein wesentlicher Bestandteil von Light Novels sind die Illustrationen. Dementsprechend werden die Künstler:innen sorgfältig anhand ihrer Fähigkeit, die bedeutenden Elemente der Geschichte passend wiedergeben zu können, ausgewählt. Zweitrangig können auch aktuelle Trends und der Social-Media-Auftritt eine Rolle spielen.
Mit Blick auf die aktuellen Trends wies Kinoshita-san auf die Schnelllebigkeit des Mediums hin – ein Trend könne sich innerhalb eines halben oder ganzen Jahres ändern. Derzeit scheine sich das Schul-RomCom-Genre langsam „beruhigt“ zu haben, dafür seien Fantasy-Titel wieder gefragt. In letzter Zeit wären zum Beispiel besonders zeitgenössische Fantasy-Geschichten, also Geschichten, die fantastische Elemente in die uns bekannte Realität bringen, wie etwa das Auftauchen von Dungeons in der heutigen Zeit, beliebt. Dabei richten sich Light Novels inzwischen auch vermehrt an ein weibliches Publikum, noch vor Jahren waren die Zielgruppe und die Hauptfigur eines Werkes vornehmlich männlich geprägt. Das Genre scheint sich also zu diversifizieren.
Internationale beziehungsweise deutschsprachige Fans werden in nächster Zeit allerdings nicht in den Genuss einer verlagseigenen Plattform samt Übersetzung in mehrere Sprachen kommen. Ein solches Angebot sei derzeit noch schwer realisierbar und legt nahe, dass es keine konkreten Pläne für die nähere Zukunft gibt. Damit müssen Light-Novel-Fans weiterhin auf die Lizenzierung durch inländische Verlage wie beispielsweise Dokico hoffen und warten. Kinoshita-san bemerke dahingehend, dass es eher die bekannteren Werke, insbesondere jene mit Anime-Adaption, nach Übersee schaffen. Seines Wissens erscheinen jeden Monat circa 1000 Bücher auf dem japanischen Markt. Das ist sicherlich weit von den deutschen Zahlen entfernt, die man leider noch an den eigenen Händen abzählen kann – die Auswahl ist dadurch stark eingeschränkt.
Das Zeitalter der Light Novels steht uns also vielleicht bald (auch) in Europa und Deutschland bevor. Kinoshita-san hofft es jedenfalls, denn nachdem erst Anime und danach Manga einen weltweiten Boom erlebt haben, sei es doch jetzt auch an der Zeit, dass Light Novels an die Reihe kommen, oder nicht?
Wir möchten uns herzlich bei Hobby Japan für die Organisation des Interviews sowie bei Kinoshita-san selbst für seine Zeit bedanken. Darüber hinaus bedanken wir uns herzlich bei allen involvierten Mitarbeitern von Hobby Japan, die dieses Interview ermöglicht haben. Das nachfolgende Interview, die Übersetzung und die Verschriftlichung stammen von Manga Passion. Wir kürzen uns dabei mit MP ab, wohingegen HJ die offizielle Abkürzung von Hobby Japan ist.
MP: Hallo Kinoshita-san und vielen Dank für Ihre Zeit heute.
Kinoshita-san: Vielen Dank auch. Es freut mich.
MP: Würden Sie sich bitte unseren Leser:innen kurz vorstellen? Welche Position haben Sie bei Hobby Japan genau inne?
Kinoshita-san: Mein Name ist Kinoshita und ich bin Chefredakteur in der HJ-Bunko-Novels-Redaktion bei Hobby Japan. Im Großen und Ganzen kümmere ich mich um die Bearbeitung der Werke, die Beauftragung der Designs und die Prüfung des Media-Mix.
MP: Wie genau beschließen Sie, welche Light Novel bei Hobby Japan verlegt wird? Und inwiefern spielen NovelUp Plus, der HJ Novel Award und Syoetsu ni Narou bei dieser Entscheidung eine Rolle?
Kinoshita-san: Im Wesentlichen publizieren wir in unserem Line-up Werke in Zusammenarbeit mit Autoren, die wir bereits kennen, oder nehmen Werke auf, die beim HJ Novel Award, NovelUp oder Syoetsu ni Narou hochgeladen wurden. Das Kriterium ist ganz einfach gesagt, ob ein Werk interessant ist oder nicht. Das ist uns am wichtigsten. Dabei spielt es eigentlich keine Rolle, woher das Werk stammt – also ob es ein Originalwerk ist, das wir zusammen mit den Autoren neu ausarbeiten, es ein vorhandenes Werk aus dem Web ist oder beim HJ Novel Award eingereicht wurde.
MP: Einige Werke erscheinen bei Hobby Japan inzwischen nur noch in digitaler Form, wie beispielsweise Welcome to Japan, Ms. Elf!. Können Sie uns vielleicht sagen, warum eine solche Entscheidung getroffen wurde?
Kinoshita-san: Ein gedrucktes Buch hätte Druckkosten, Vertriebskosten usw. und könnte ein Werk unprofitabel machen. Aber die Autoren möchten es gerne veröffentlichen, und wir möchten den Leser:innen möglichst eine Fortsetzung anbieten – also fragen wir uns: Wie kann man das profitabel lösen? Werke, die digital beliebt sind, können allein mit einer digitalen Ausgabe schwarze Zahlen schreiben. Deshalb treffen wir derartige Entscheidungen, den Kunden ein Werk nur digital anzubieten. Grob gesagt publizieren wir Werke ausschließlich digital, wenn wir in Print rote Zahlen erwarten und es deshalb zu keinem Druck kommt, aber für die elektronische Ausgabe schwarze Zahlen erwarten. Übrigens haben wir, im Gegensatz zu anderen Verlagen, bisher noch kein Werk von Band 01 an ausschließlich digital veröffentlicht.
MP: Wie können sich Fans Termine von Ihnen mit den Autoren vorstellen?
Kinoshita-san: Ich denke, die Fans interessiert es sicher, wie ein Meeting zwischen Autor:innen und Redakteur:innen abläuft. Vor Corona hat man sich von Anfang an persönlich getroffen. Seit Corona trifft man sich so gut wie nicht mehr. Die Besprechungen und der Austausch laufen per Telefon, E-Mail oder auch über Discord.
MP: Treffen Sie sich beispielsweise in einem regelmäßigen Rhythmus mit den Autoren und besprechen ein Manuskript?
Kinoshita-san: Es gibt keinen bestimmten Rhythmus. Zumindest einmal pro Monat … Mit den Autor:innen, die gerade ein Werk veröffentlichen, natürlich häufiger, beispielsweise einmal pro Woche, zweimal pro Woche, jeden Tag und so weiter. Je näher man der Abgabe-Deadline kommt, desto häufiger wird der Kontakt. Deshalb gibt es im engeren Sinne eigentlich keinen regelmäßigen Rhythmus. Kurz vor dem Erscheinen des Buches findet reger Austausch statt, aber wenn noch viel Zeit bleibt, ist es deutlich weniger, so in etwa.
MP: Wie wird die Länge einer Light-Novel-Reihe festgelegt? Gibt es neben der Beliebtheit noch weitere Kriterien, damit ein Werk fortgesetzt werden kann?
Kinoshita-san: Also ob Fanbriefe und weiteres eine Rolle spielen? Ich sage nicht, dass sie keine Rolle spielen, aber ich denke nicht, dass der Einfluss von Fanbriefen und Co. so groß ist. Grundsätzlich ist tatsächlich, wirklich einfach ausgedrückt, am wichtigsten, ob sich das Buch mit Gewinn verkauft oder nicht. Was die Länge betrifft, so gibt es natürlich das Bestreben, beliebte Werke so lange wie möglich laufen zu lassen. Grundsätzlich hat bei uns aber die Entscheidung der Autoren und Autorinnen, wie sie eine Reihe beenden oder weiterführen möchten, Vorrang. Wenn die Verkäufe hoch sind, richten wir uns mit der Bandanzahl nach den Wünschen der Autor:innen. Also, wenn die Verkäufe anhalten, richten wir uns nach den Autor:innen, falls nicht, müssen wir die Reihe früher beenden.
MP: Wie wählen Sie aus, welche:r Illustrator:in für ein Werk zuständig ist? Gibt es dafür möglicherweise bestimmte Voraussetzungen?
Kinoshita-san: Das Wichtigste ist, dass die Illustrationen zu dem Werk passen und der Illustrator oder die Illustratorin die notwendigen Elemente, welche das Werk widerspiegeln, zeichnen kann. Zum Beispiel: Falls es in einem Werk einen coolen Hauptcharakter gibt, muss er oder sie in der Lage sein, einen solchen Protagonisten zu zeichnen. Für eine Fantasy-Welt muss er oder sie fantasievolle Kostüme oder Waffen zeichnen können. Sollte in der Geschichte ein alter Mann oder eine alte Frau eine Schlüsselfigur sein, wird es beispielsweise schwierig, wenn der Zeichner oder die Zeichnerin keine älteren Menschen zeichnen kann. Falls Mechas oder so auftreten, müssen ebendiese auch gezeichnet werden können. Deshalb wird zunächst ausgewählt, wer diese notwendigen Elemente zeichnen kann. Danach wird zusätzlich geschaut, ob der Zeichenstil gerade zum aktuellen Trend passt oder ob der Künstler oder die Künstlerin auf Social Media gerade viel Beachtung findet. Um in die nähere Auswahl zu kommen, ist aber zunächst von größter Wichtigkeit, ob die Grundelemente des Werkes entsprechend gezeichnet werden können oder nicht.
MP: Gibt es einen Unterschied in Ihrem Arbeitsumfang und in Ihrer Arbeitsweise, je nachdem, ob ein Werk bereits vorhanden ist (z. B. zuvor bei Syoetsu ni Narou veröffentlicht wurde) und für die Buchform angepasst werden muss im Vergleich dazu, ob das Buch als Light Novel ohne bisherige Grundlage geschrieben werden muss (wie z. B. im Fall von Asahina-sans Bento)?
Kinoshita-san: Grundsätzlich gibt es die drei Arten, die ich bereits zur ersten Frage erwähnt habe: ein Originalwerk, das komplett neu geschrieben wird, ein Werk, welches es bereits online gibt und von uns aufgegriffen wird und zuletzt Werke, die beim Newcomer-Preis gewonnen haben. Das Vorgehen ist bei jeder Art unterschiedlich. Bei einem Originalwerk wird die Handlung gemeinsam ausgearbeitet und in diesem Stadium gehen wir von der Frage aus, ob das Projekt bei der derzeitigen Leserschaft Anklang finden wird. Wenn das Werk von Syoetsu ni Narou übernommen wird, ist es oft schon populär. Dann versuche ich, die Popularität der Arbeit nicht aus den Augen zu verlieren und Wege zu finden, sie zu steigern. Beim Newcomer-Award ist es von Werk zu Werk unterschiedlich. Einige Werke werden ausgewählt, weil sie sehr beliebt werden könnten, während andere ausgewählt werden, weil der oder die Autor:in sehr gut ist, auch wenn das Werk selbst nicht sehr überzeugt. Wenn ich wirklich glaube, dass sich das Werk verkaufen wird, versuche ich, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass es gut angenommen wird. Im zweiten Fall, falls der Autor oder die Autorin gut ist, wird das Gewinnerwerk ad acta gelegt und ein neues Werk kreiert, quasi wie bei einem Originalwerk. Ich denke, das sind die wesentlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten.
MP: Gibt es eventuell Trends, die Sie derzeit bei Light Novels beobachten?
Kinoshita-san: Also, das hängt davon ab, wann dieser Artikel erscheinen wird. (lacht) Die Trends ändern sich wirklich schnell. Falls dieser Artikel beispielsweise ein halbes Jahr oder ein Jahr später veröffentlicht werden würde, denkt man vielleicht: „Dieser Redakteur ist total outdated!“. (lacht) Das wäre etwas unangenehm.
MP: Dann gehen wir vom jetzigen Zeitpunkt aus. (lacht)
Kinoshita-san: Wenn wir vom Zeitpunkt vom Jahresende 2023 ausgehen, hat sich der Trend von RomComs, also die Schul-RomComs, etwas gelegt und die Beliebtheit von bekannten Fantasy-Novels steigt nach und nach. Wenn wir eine etwas längere Zeitspanne betrachten, denke ich, dass Werke mit einer weiblichen Zielgruppe im Gegensatz zu früher beliebter geworden sind. Vor zehn Jahren gab es kaum Werke mit einer Heldin … aber davor, vor fünfzehn oder zwanzig Jahren, gab es durchaus schon welche, wie beispielsweise Slayers oder Die Melancholie der Haruhi Suzumiya. Wenn wir schauen, was vor circa zehn Jahren im Trend lag, dann sind das A Certain Magical Index, Sword Art Online und Toradora! – zu dieser Zeit war Dengeki* sehr stark. Zu jener Zeit gab es zumeist einen männlichen Protagonisten und viele Werke richteten sich an ein männliches Publikum. In dem Zusammenhang, denke ich, ist die Beliebtheit von Werken für das weibliche Publikum ziemlich gestiegen. Wenn es wirklich um den brandaktuellen Trend geht, so beobachte ich ein steigendes Interesse in Richtung zeitgenössischer Fantasy-Titel, die ich so in letzter Zeit kaum gesehen habe. Diese spielen in der Gegenwart, und es werden Fantasy-Elemente wie beispielsweise Dungeons hinzugefügt, oder die Gaming-Welt wird in die heutige Zeit versetzt. Außerdem gab es einen Boom von Werken über Streaming aus Dungeons, die in der heutigen Zeit aufgetaucht sind – mal sehen, ob der noch weiter anhält. Deshalb habe ich das Gefühl, dass zeitgenössische Fantasy wieder im Kommen ist. Zusammenfassend geht der Trend zu zeitgenössischen Fantasy-Werken, während sich der Trend um RomComs eher beruhigt hat.
*Anm. d. Red.: Dengeki Bunko ist ein Light-Novel-Label von ASCII Media Works, welches der KADOKAWA CORPORATION gehört.
MP: Wie die Antwort wohl in sechs Monaten aussehen würde …?
Kinoshita-san: Ich finde besonders faszinierend, wie stark das wachsende Interesse junger Menschen an Berufen wie YouTuber oder Streamer ist, Berufe, die es früher in dieser Form noch nicht gab, und dessen Einfluss auf Light Novels. Menschen, für die sich jüngere Leute begeistern, kommen weitestgehend aus diesem Bereich. Auch bei Light Novels gibt es mehr und mehr Titel, die auf dem Thema basieren … Das kann sich aber ändern, wenn der nächste Trend ein anderer Beruf ist.
MP: In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Anime-Adaptionen zu Titeln von Hobby Japan beschlossen worden (z. B. Seirei Gensouki: Spirit Chronicles, My Dreamy Realist, Reborn to Master the Blade: From Hero-King to Extraordinary Squire ♀ oder auch An Archdemon's Dilemma: How to Love Your Elf Bride). Können Sie uns vielleicht erzählen, ob und inwiefern Sie als Chefredakteur in die Umsetzung als Anime involviert sind?
Kinoshita-san: Ehrlich gesagt war ich zum Zeitpunkt der Entscheidung der Anime-Realisierung all der in der Frage aufgeführten Werke noch nicht Chefredakteur, dementsprechend war ich in dieser Rolle nicht wirklich involviert. (lacht) Bei der fortschreitenden Umsetzung war ich als zuständiger Redakteur und in der Promotion involviert. Bei der Realisierung der Anime war ich nicht eingebunden, aber wenn die Anime ausgestrahlt wurden beziehungsweise werden, unterstützte oder unterstütze ich als Chefredakteur bei vielem.
MP: Also in Zukunft dann …
Kinoshita-san: Genau, von jetzt an. (lacht)
MP: Bleiben wir kurz bei Adaptionen: Können Sie uns erklären, wie Manga-Adaptionen zu einem Light-Novel-Titel entschieden werden? Uns ist aufgefallen, dass manche Adaptionen nicht direkt bei Hobby Japan, sondern bei anderen Verlagen veröffentlicht werden (z. B. Asahina-sans Bento).
Kinoshita-san: Zunächst ist grundsätzlich eine andere Redaktion dafür zuständig, nämlich die von Comic Fire, dem Manga-Label von Hobby Japan. Ich frage oft bei der dortigen Redaktion an, ob sie an einer Manga-Umsetzung eines neuen Werkes interessiert sind. Wir besprechen dann, ob es umsetzbar ist oder eben nicht. So entstehen oft eine Zusammenarbeit und Entscheidung über eine Manga-Adaption. Im Falle eines anderen Verlages stellen wir neue Werke in einer Art Pressemitteilung bei den großen Herausgebern vor, mit denen wir zusammenarbeiten, also Shueisha, Shogakukan, Kadokawa, Kodansha, Akita Shoten und Square Enix. Wenn ein anderer Verlag die Manga-Umsetzung macht, liegt die Entscheidung nicht wirklich bei uns. Im Falle, dass ein anderer Verlag „Wir möchten es umsetzen!“ sagt, nehmen wir das gerne an. Wenn es um den Unterschied zwischen den beiden Möglichkeiten geht, also Comic Fire oder ein anderer Verlag, dann liegt der darin, welche Redaktion den Titel als Manga umsetzen will.
MP: Kommen wir etwas zur globalen Entwicklung des Marktes. Spüren Sie als Verantwortlicher ein verstärktes Interesse aus dem Westen an dem Medium Light Novel?
Kinoshita-san: Wenn man nur Light Novels betrachtet, ist der europäische Markt gerade erst bei uns aufgekommen. Beispielsweise Deutschland und Frankreich … es ist wirklich gerade aktuell, sind wir schon auf dem Markt oder nicht? (lacht) Aber ich denke, da es diese Anfragen gibt, erregt der Markt nun vermehrt unsere Aufmerksamkeit. Die Dimensionen können wir jedoch jetzt noch nicht absehen, wir wissen noch nicht, ob sich Light Novels in Europa wirklich verkaufen lassen oder nicht. Wenn wir fünf oder sechs Jahre zurückschauen, hatten wir damals ähnliche Anfragen aus Amerika, dass man dort Light Novels herausbringen möchte, und es kam zur Veröffentlichung beim J-Novel Club. Ich glaube, das ist ein sehr großer Markt. Er ist wirklich von null aufgestiegen, deshalb scheint es mir, die Leute greifen dort auch immer öfter zur Light Novel. Der Ursprung dafür liegt wahrscheinlich in der Corona-Zeit. Japanische Anime und Manga wurden damals plötzlich zu einem weltweiten Phänomen, nicht wahr? (lacht) In einer Zeit, in der alle zu Hause bleiben mussten … Außerdem haben sich Streaminganbieter wie Netflix, Hulu, U-NEXT* oder Amazon Prime fest im Alltag etabliert und es ist selbstverständlich geworden, dass man dort weltweit Anime und Fernsehserien schauen kann. Sie sind ein Teil des Alltags geworden. Deshalb sind Anime zu einem weltweiten Phänomen geworden, woraufhin dann die Vorlagen, also die zugrundeliegenden Manga, durch die Decke gegangen sind. (lacht) Nachdem jetzt Manga und Anime einen weltweiten Boom erlebt haben, sind vielleicht als Nächstes … Zudem gibt es auch einige Anime, die nicht auf einem Manga basieren, sondern auf einer Light Novel … Nur die Manga-Adaption mag vielleicht wie die Vorlage wirken. Ist jetzt also die Zeit für Light Novels endlich gekommen? Ich hoffe, dass sie sich erfolgreich verbreiten werden.
*Anm. d. Red.: U-NEXT ist ein in Japan weit verbreiteter Streaminganbieter.
MP: Mit FireCross haben Sie bereits eine umfangreiche Web-Plattform, auf der Hobby Japan Manga und Light Novels digital anbietet. Könnten Sie sich vorstellen, dieses Konzept zukünftig auch für ausländische Leser:innen zugänglich zu machen, wie es beispielsweise bei Manga PLUS, Manga UP! Global und K Manga der Fall ist?
Kinoshita-san: Nun ja, derzeit fertigen die ausländischen Verlage jeweils die Übersetzung an, nicht wir selbst. Innerhalb von Hobby Japan gibt es keine Struktur für Übersetzungen in diesem Sinne. Deshalb denke ich, dass es zum jetzigen Zeitpunkt noch schwierig ist, mit unserer Plattform FireCross, wo wir Manga und Light Novels anbieten, den internationalen Markt zu bedienen. Falls wir in Zukunft eine derartige Struktur schaffen sollten, wäre es vorstellbar. Bisher sind die Zahlen schwer greifbar. Wenn wir das wirklich umsetzen würden, müssten wir uns über Sachen wie die Zugriffszahlen aus dem Ausland Gedanken machen. Möchten die Leser:innen etwas wirklich lesen, ist es gegenwärtig möglich, dass es in Übersee erscheint. Falls wir feststellen, dass es plötzlich viel mehr Fans aus dem Ausland gibt, die die Werke auch auf Japanisch lesen wollen, werden wir sicherlich über eine eigene Plattform für den internationalen Markt nachdenken. Da es derzeit meines Wissens nicht so viele Zugriffe aus dem Ausland gibt, wir zudem keine Übersetzungen erstellen können und der Bekanntheitsgrad im Ausland noch nicht so hoch ist, ist ein Angebot für ausländische Leser:innen derzeit schwierig. Aber falls die Zugriffsrate aus dem Ausland steigen sollte und wir sehen können, dass eine Roman- und Manga-Website aus Japan für ausländische Leser:innen populär sein würde, dann besteht die Möglichkeit, dass wir es tun werden.
MP: Gerade bei Anime hört man immer wieder, wie wichtig das globale Lizenzieren in andere Länder inzwischen geworden ist. Wie sieht es hier bei Manga und insbesondere Light Novels aus?
Kinoshita-san: Wir haben in letzter Zeit mehr Anime zu unseren Werken. Ich habe Geschichten darüber gehört, wie viel Geld wir von ausländischen Streamingdiensten erhalten haben und dachte: „Das ist viel!“ (lacht) Ich denke, für Anime ist das Lizenzieren ins Ausland wirklich wichtig. Die Kultur, bei Streamingdiensten Anime zu schauen, hat sich etabliert, das kann man weltweit sehen. Innerhalb Japans ist der Markt für Blu-rays und DVDs rückläufig, stattdessen ist das Streaming bei Diensten wie d-anime Store*, Amazon Prime, Nico Nico Douga* oder Abema* wichtiger geworden. Um möglichst viele Leute zu erreichen, sind die Lizenzierungen ins Ausland wichtig. Bei Manga und Light Novels sind wir, glaube ich, noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem wir sagen können, dass wir noch weitere Fortsetzungen veröffentlichen, weil wir noch mit einer gewissen Popularität im Ausland rechnen. Monetär machen die Einnahmen aus dem Ausland bisher keinen großen Anteil aus. Ich denke, dass Lizenzierungen ins Ausland schon wichtig sind, aber sie haben keinen großen Einfluss auf Entscheidungen, beispielsweise bei der Fortsetzung eines Titels oder so.
*Anm. d. Red.: d-anime Store, Nico Nico Douga und Abema sind in Japan weit verbreitete Streaminganbieter.
MP: Inwiefern spielt Feedback oder die Beliebtheit im Ausland eine Rolle für die weitere Entwicklung eines Titels?
Kinoshita-san: Wie zuvor erwähnt, ist der Einfluss nicht so groß. Von unten nach oben hat es aber schon Auswirkungen. Wenn man keine Lizenzanfrage aus dem Ausland erhält, bekommt man auch keinen Yen. Aber wenn auch nur 10 oder 20 Prozent der Gesamtsumme kommen, sind die Autoren glücklich, und die Verleger freuen sich, dass mehr Menschen ihre Bücher lesen. Es hat zwar keinen starken Einfluss auf die weitere Entwicklung eines Titels, aber es ist willkommen.
MP: Sehen Sie Unterschiede zwischen dem deutschen (oder allgemein ausländischen) und dem japanischen Markt? Und wenn ja, welche sind das?
Kinoshita-san: Ganz offen gesagt, ich habe keine Ahnung vom deutschen Markt. (lacht) Ich tappe völlig im Dunkeln, wie viele Buchhändler es in Deutschland gibt oder wie viele Bücher gelesen werden. Daher fällt es mir schwer, einen Vergleich zu ziehen. Allgemein gesprochen, denke ich, dass die Auswahl an Light Novels in Deutschland geringer ist. Es heißt, auf dem japanischen Light-Novel-Markt erscheinen jeden Monat circa 1000 Bücher. Aber die auf Deutsch übersetzten und verlegten Light Novels sind vielleicht nur ein Zehntel oder ein Hundertstel davon. Außerdem sind das nur die berühmtesten Werke, weil sie einen Anime oder so haben. Deshalb denke ich, dass man kaum eine Auswahl hat. Aber auch unter den eher unbekannten Werken gibt es viele tief beeindruckende Werke. Deshalb würde ich mir mehr Auswahl wünschen. Wenn ich einen Unterschied zwischen dem deutschen und dem japanischen Markt nennen müsste, dann wäre es, denke ich, die Auswahl. Es wäre schön, wenn nicht nur die bekannten Werke in Deutschland verlegt werden würden, sondern auch die etwas unbekannteren die Leser:innen erreichen könnten.
MP: Möchten Sie unseren Leser:innen vielleicht noch etwas mitgeben, bevor das Interview zu Ende ist?
Kinoshita-san: Light Novels spielen in Deutschland zwar noch eine untergeordnete Rolle, aber ich vermute, dieses Interview lesen Leute, die Light Novels kennen und die sich über unbekannte Light Novels informiert haben und den Markt verfolgen. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich in Deutschland mit Light Novels auseinandersetzen, obwohl sie noch eher unbekannt sind. Ich denke, das ist das Wichtigste, das ich den Leser:innen sagen möchte. Um die Erwartungen dieser Leute zu erfüllen, möchte ich in Zukunft noch bessere Light Novels herausbringen.
MP: Es gibt auch einige Fans in Deutschland, die zur englischen Version greifen, weil es keine deutsche Ausgabe gibt.
Kinoshita-san: Die Light Novel zu In Another World With My Smartphone, welche von uns herausgegeben wird, erscheint beim J-Novel Club auf Englisch. Die englische Version verkauft sich dabei so gut, dass sie, wenn es schlecht läuft, mehr Exemplare verkauft als die japanische Print-Version. Der Autor hat einen Account bei X beziehungsweise Twitter und häufiger sind dort unter den Posts auch Antworten aus vielen verschiedenen Ländern zu finden – auf Französisch, Spanisch oder Portugiesisch. Es gibt zwar einen Anime, aber sie teilen beispielsweise ihre Eindrücke zum 27. Band der Light Novel, welcher bereits beim J-Novel Club erschienen ist und dessen Inhalt noch gar nicht im Anime adaptiert wurde. Das heißt, auch Leser:innen, deren Muttersprache eigentlich Deutsch, Französisch, Spanisch oder Portugiesisch ist, lesen die englische Ausgabe, werden zu einem Fan und unterstützen den Autor. Das zu sehen, freut mich wirklich sehr. Englisch ist wahrscheinlich leichter zu lesen als Japanisch. (lacht) Da eine deutsche oder französische Ausgabe nicht vorauszusehen ist oder war, freut es mich, dass das Werk die Leute trotzdem erreicht.
MP: Kinoshita-san, vielen Dank für Ihre Zeit.