Interview mit Norio Sakurai – Mangaka von „The Dangers in My Heart“
Passend zur zweiten Anime-Staffel und der deutschsprachigen Veröffentlichung vom The Dangers in My Heart-Manga durften wir ein Interview mit Mangaka Norio Sakurai führen. Neben der Entstehung des Werkes waren unter anderem ihre Vorbilder sowie die beiden Hauptfiguren Ichikawa und Yamada Thema.
Wir möchten uns sowohl bei Dokico für die Gelegenheit als auch bei dem japanischen Verlag Akita Shoten, der das Interview genehmigt hat, herzlich bedanken. Unser großer Dank für die Beantwortung der Fragen und die damit verbundene Zeit gilt zudem auch Mangaka Norio Sakurai selbst. Nachfolgend werden wir Norio Sakurai mit Sakurai-sensei und uns selbst mit MP abkürzen.
MP: Hallo Sakurai-sensei und vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen.
MP: Würden Sie uns zum Beginn des Interviews bitte verraten, wie Sie dazu kamen, als Mangaka zu arbeiten? War dies schon immer Ihr Traum?
Sakurai-sensei: Eine Freundin aus der Mittelschule wollte Mangaka werden, und während wir zusammen Manga zeichneten, ergab sich das ganz natürlich. In meinem zweiten Jahr an der Oberschule* begann ich, meine Werke bei Magazinen einzureichen. Im darauffolgenden Jahr gab ich mein Debüt.
*Anm. d. Red.: entspricht der elften Klasse in Deutschland.
MP: Haben Sie selbst Mangaka, die Sie privat bewundern und die Ihnen als Vorbild dienen? Gibt es einen Manga, der Sie selbst besonders geprägt hat?
Sakurai-sensei: Seit ich klein war, liebe ich Gag-Manga aus dem Alltag von Kindern, wie Crayon Shin-chan und die Werke von Momoko Sakura. Ich glaube, dass mich vor allem Urayasu Tekkin Kazoku in Bezug auf das Anfertigen und Pacing eines Manga stark beeinflusst hat. Außerdem liebe ich Kazuo Umezu-sensei, Rensuke Oshikiri-sensei und Lunlun Yamamoto-sensei.
MP: Sie starteten 2003 mit Kodomo Gakkyuu Ihre Mangaka-Karriere. Seitdem haben Sie bereits mehrere Werke veröffentlicht. Wie hat sich Ihre Arbeitsweise mit der Zeit gewandelt?
Sakurai-sensei: Von Kodomo Gakkyu bis Mitsudomoe habe ich fast ausschließlich selbst gezeichnet – und zwar vollständig analog. Als ich aber Rororro! und The Dangers in My Heart gleichzeitig veröffentlichte, brauchte ich Assistent:innen zur Unterstützung. Daher habe ich angefangen, digital zu arbeiten, um Remote-Arbeit zu ermöglichen.
MP: Wir haben außerdem mitbekommen, dass es noch in diesem Jahr eine Ausstellung zu Ihren Werken gibt, um ihre 20-jährige Karriere zu feiern. Gibt es vielleicht bereits etwas, das Sie sich für die nächsten 20 Jahre vorgenommen haben? *lach*
Sakurai-sensei: Es waren 20 Jahre, die wie im Flug vergingen und mir gleichzeitig so lang vorkamen. Für die Zukunft habe ich noch keine konkreten Pläne, aber ich wünsche mir, dass ich weiterhin gesund bleibe und mit Freude zeichnen kann.
MP: Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten Spaß, das Ausdenken der Story oder das Zeichnen von dieser? Und was am wenigsten? Beschäftigen Sie Assistent:innen, die Ihnen bei der Arbeit helfen?
Sakurai-sensei: Mir Gedanken über die Emotionen der Figuren zu machen. Ich mag es, Gemeinsamkeiten in Charakteren zu finden, auch wenn sie völlig anders sind als ich selbst, und mir vorzustellen, wie sie in bestimmten Situationen denken und handeln würden. Manchmal entwerfe ich die Situationen allerdings zu kompliziert, ohne vorher darüber nachzudenken. Das wieder in Ordnung zu bringen, fällt mir wohl am schwersten. Außerdem bin ich nicht gut darin, Hintergründe zu zeichnen, deshalb helfen mir meine Assistent:innen dabei.
MP: Kommen wir nun zu Ihrem wohl bekanntesten Werk, das aktuell in aller Munde ist: The Dangers in My Heart. Wie kamen Sie auf genau dieses Setting und woher nehmen Sie die Inspirationen für die weitere Handlung zwischen Ichikawa und Yamada? Spielt vielleicht auch Ihre eigene Schulzeit mit rein? Wir haben wirklich oft gelesen, wie viele die langsame, aber stetige Entwicklung in der Beziehung der beiden lieben.
Sakurai-sensei: Wie Ichikawa hatte ich in meiner eigenen Schulzeit wenige Freunde und kaum Kontakt zum anderen Geschlecht. Daher fielen mir das Setting und das Wesen des Protagonisten leicht. Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, wie es wäre, wenn es eine sehr süße Klassenkameradin gäbe, und wie der Protagonist in alltäglichen Situationen reagieren und handeln würde. So festigte ich das Werk bis ins Detail. Anfangs war es vielmehr eine aus der Perspektive des Protagonisten verfasste Komödie über den Schulalltag als eine RomCom. Zuerst habe ich mich darauf konzentriert, die Persönlichkeiten der beiden Figuren und ihr Umfeld detailliert auszuarbeiten, damit die Leserinnen und Leser sie mögen, auch wenn es auf den ersten Blick belanglose Details zu sein scheinen.
MP: Haben Sie den Höhepunkt der Geschichte bereits in Ihrem Kopf oder ist das etwas, was Sie langsam mit der Zeit ausarbeiten? Sollten Sie so etwas wie einen „roten Faden“ verfolgen: Können Sie uns vielleicht verraten, bei wie viel Prozent Sie aktuell angelangt sind?
Sakurai-sensei: Der Gesamtverlauf hat sich im Vergleich zu dem, was ich zu Beginn im Kopf hatte, erheblich verändert. Daher kann ich nicht garantieren, dass ich das, was ich jetzt im Kopf habe, auch so umsetzen werde. Ich habe das Gefühl, dass die Gedanken und Beziehungen der Protagonisten immer komplexer werden, je weiter sie sich entwickeln.
MP: Ihr Zeichenstil hat sich über die Jahre wirklich gewandelt. Haben Sie vielleicht Tipps für angehende Künstler?
Sakurai-sensei: Ich denke, es ist wichtig, zunächst Figuren und Dinge zu zeichnen, die man mag und zeichnen möchte. Es ist sinnlos, wenn man nicht weitermacht. Also lasst das, was ihr nicht gut könnt, erst mal liegen und konzentriert euch nur auf das, was euch Spaß macht!
MP: Spätestens seit der Anime-Adaption ist Ihr Werk weltweit in aller Munde. Können Sie uns vielleicht verraten, inwieweit sie an dieser beteiligt waren? Gibt es eine Szene, auf die Sie sich besonders gefreut haben, diese in animierter Form zu sehen?
Sakurai-sensei: Das beschränkte sich hauptsächlich auf die Durchsicht von Drehbuch, Storyboards und Charakterdesigns. Da alle Beteiligten Profis waren, ist es, ohne viel eingreifen zu müssen, großartig geworden. Ich war besonders auf die Soundeffekte und die Verwendung von Pausen gespannt, die im Manga nur schwierig darstellbar sind. Besonders gut hat mir die Szene in der Weihnachtsfolge gefallen, in der die beiden Hauptfiguren Hand in Hand langsam spazieren gehen. Es wirkte wirklich so, als würde die Zeit dort langsamer fließen.
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MP: Haben Yamada und Ichikawa (oder die anderen Charaktere) gewisse Vorbilder, auf die Sie sich berufen? Steckt in Ihnen mehr Yamada oder Ichikawa? Und woher nimmt Yamada eigentlich Ihren endlosen Appetit? *lach*
Sakurai-sensei: Da ich selbst ein Idol-Fan bin, finde ich, dass Yamada auf natürliche Weise Eigenschaften von Idols verkörpert, die ich bisher mochte. Zum Beispiel, dass sie albern und tollpatschig ist, aber auch ernsthaft und hartnäckig bei dem, was sie mag. Auch meine Katze, die launisch und egoistisch ist, hat mich beeinflusst. Man weiß nie so genau, was sie denkt. Aber gleichzeitig ist sie so süß, dass man ihr alles verzeiht. Ich bin eindeutig auf der Seite von Ichikawa. Yamadas Interesse am Essen ist wahrscheinlich dadurch beeinflusst, dass ihr Vater Koch ist.
MP: In welchem der Charaktere aus The Dangers in My Heart steckt am meisten Sakurai-sensei und warum?
Sakurai-sensei: Am ähnlichsten ist mir wohl Ichikawa. Er schätzt sich selbst gering, aber tief im Innern ist er selbstbewusst und versucht, unerreichbare Dinge schlechtzureden, um sein Herz zu schützen. Aber ich glaube, dass ich mich nicht so sehr für andere einsetzen könnte wie er.
MP: Haben Sie zum Abschluss an das Interview vielleicht ein paar Worte an Ihre deutschsprachigen Fans?
Sakurai-sensei: Es ist wunderbar und surreal zugleich, dass die kleinen Geschichten, die sich im Alltag dieser Protagonisten abspielen, die Meere überqueren und ferne Länder erreichen. Ich zeichne dieses Werk mit dem Traum, dass es irgendwo auf der Welt Menschen gibt, die eine Liebesgeschichte wie die von Ichikawa und Yamada erleben. Bitte träumt gemeinsam mit mir und begleitet sie auf ihrer Reise.
MP: Vielen Dank für das Interview, Sakurai-sensei. Wir sind schon sehr gespannt, wie Sie die Geschichte rund um Yamada und Ichikawa in Zukunft noch fortführen werden.