Interview mit Kotteri! – Mangaka von „Veil“
Passend zur deutschsprachigen Veröffentlichung des zweiten Bandes von Veil durften wir ein Interview mit Mangaka Kotteri! führen. Thema waren unter anderem ihr Werdegang, die Entstehung und das Setting der Reihe sowie ihr besonderer Zeichenstil.
Wir möchten uns sowohl bei Carlsen Manga! für die Möglichkeit als auch bei dem japanischen Verlag Jitsugyo no Nihon Sha, der das Interview genehmigt hat, herzlich bedanken. Unser großer Dank für die Beantwortung der Fragen und die damit verbundene Zeit gilt zudem Mangaka Kotteri! selbst. Nachfolgend werden wir uns mit MP abkürzen.
MP: Hallo Kotteri!-sensei und vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen.
Kotteri!-sensei: Vielen Dank auch. Ich freue mich sehr über die deutschsprachige Veröffentlichung von Veil.
MP: Lassen Sie uns ganz allgemein beginnen: Wie kam es dazu, dass Sie Mangaka geworden sind? War das schon immer ein Traum von Ihnen?
Kotteri!-sensei: Schon als Kind habe ich gern gezeichnet. Ich las Shoujo-Manga und die Shounen Jump. Als ich Manga zeichnete, um sie zu imitieren, begann ich, Mangaka werden zu wollen.
MP: Und wie kam es dann zur Entstehung von Veil? Was hat Sie zu der Geschichte inspiriert? Und wie kamen Sie auf den Titel „Veil“?
Kotteri!-sensei: Ich wollte etwas Ähnliches wie die witzigen Dialoge in westlichen Filmen in Mangaform zeichnen. Seit ich mit dem Zeichnen von Veil begonnen habe, interessiere ich mich zunehmend für Designermarken und Fashion, wie man sie in Modemagazinen findet.
Der Titel stammt von meiner Doujinshi-Publikation. Ich habe ihn gewählt, weil er das Gefühl vermittelt, von etwas Unsichtbarem, von etwas Verborgenem oder Getrenntem umhüllt zu sein.
MP: Wie sieht Ihr üblicher Alltag aus? Was bereitet Ihnen beim Arbeiten die größte Freude, was stellt Sie vor Herausforderungen – und warum?
Kotteri!-sensei: In der Regel beginne ich zwischen acht und zehn Uhr morgens mit der Arbeit. Zwischendurch mache ich Pausen oder esse etwas. Das Zeichnen selbst dauert im Durchschnitt etwa acht Stunden. Ich achte darauf, genug zu schlafen.
Das Kolorieren von Farbillustrationen wie Cover, besonders wenn ich richtig in den Flow komme, macht mir viel Spaß. Mir ist erst kürzlich aufgefallen, dass ich sehr gern Hautfarben koloriere. Unabhängig von Veil muss ich sagen, dass das Zeichnen von Manga eine Menge Arbeit ist. Es ist zwar mühsam und zeitaufwendig, aber wenn ich die Linien gut hinbekomme, habe ich das Gefühl, dass ich gute Arbeit geleistet habe.
MP: Inwiefern haben Sie für die Entwicklung von Emmas Charakter recherchiert und Ihre Erkenntnisse in den Manga mit einfließen lassen?
Kotteri!-sensei: Ich denke, dass ich sie durch ihre geschlossenen Augen geheimnisvoll erscheinen lassen wollte. Es beginnt damit, dass ich mich frage, was für eine Frau sie wohl ist. Jedes Mal, wenn sie etwas sagt, eröffnen sich mir auf überraschende Weise neue Perspektiven.
MP: Der Manga spielt augenscheinlich in einem historisch anmutenden Europa oder Russland. Wieso haben Sie sich speziell für dieses Setting entschieden? Haben Sie für die gezeigten Orte bestimmte Vorlagen verwendet, von denen Sie uns berichten können?
Kotteri!-sensei: Das mag etwas Persönliches sein, aber da ich in Japan geboren und aufgewachsen bin, hatte ich schon immer eine Sehnsucht nach Stadtbildern und Gebäuden aus dem Ausland und fremden Ländern. Ich wollte solche gern zeichnen. Es ist ein Ort, an dem sich das Klima nicht zu ändern scheint, und es ist immer etwas kühl. Einige der Marken von Mode, Zigaretten, Accessoires und Kleidung stammen aus dem wirklichen Leben. Allerdings habe ich keinen bestimmten Ort im Sinn. Es ist eher eine ähnliche Atmosphäre, die ich versuche einzufangen.
In letzter Zeit schaue ich mir zur Referenz oft Fotos von meiner Reise nach Paris an und lasse mich von den Gassen, Cafés und anderen Eindrücken bei meinen Zeichnungen inspirieren.
MP: Für Ihre Figuren Alexander und Emma haben Sie recht bedeutungsträchtige Namen gewählt. Auch die Polizeidienststelle namens Saschenka ist ein üblicher russischer Kosename. Wie haben Sie diese Namen ausgewählt?
Kotteri!-sensei: Die Lippenstifte der Kosmetikmarke Tom Ford tragen Personennamen. Weil die beiden viel plaudern, habe ich ihre Namen von diesen Lippenstiften übernommen.
Was die Polizeistation angeht, so könnte das davon beeinflusst sein, dass in meinem liebsten japanischen Polizeiroman (Belletristik) Russland eine wichtige Rolle spielt.
MP: Veil spielt, zumindest im ersten Band, hauptsächlich auf einem Polizeirevier. Wieso haben Sie sich für diesen Beruf von Alexander entschieden? Hat die Figur möglicherweise eine Vorlage oder zumindest eine bestimmte Inspirationsquelle?
Kotteri!-sensei: Der Polizeiroman, den ich vorhin erwähnt habe, ist sicherlich ein Einflussfaktor. Mit seinem Blick, als würde er jeden Winkel der Stadt argwöhnisch mustern, dachte ich, er könnte Polizist sein. Obwohl Veil die Arbeit der Polizei nicht direkt darstellt, stelle ich mir vor, dass es in dem Beruf auch unangenehme Seiten gibt, die zwischen den Zeilen zu lesen sind.
Ich hatte kein bestimmtes Vorbild für die Figur. Allerdings wollte ich, dass das Aussehen des Mantels dem von Jotaro aus JoJo Part 3 ähnelt. Übrigens basiert die blaue Armbanduhr, die er oft trägt, auf einem Modell der deutschen Marke DuFa.
MP: Das Artwork von Veil unterscheidet sich ganz klar von konventionellen Manga, die wir hier in Deutschland kennen, und Ihren anderen Werken. Wie haben Sie diesen wirklich besonderen Stil entwickelt?
Kotteri!-sensei: Ich bin nicht besonders gut darin, lange Geschichten zu erzählen, aber da mir kurze Szenen einfielen, habe ich einfach diese gezeichnet. Es gibt keine große Handlungsentwicklung, zwischen den Kapiteln sind Illustrationen und Texte – ich mache einfach, worauf ich Lust habe. Ich spüre, wie frei man sich in Manga ausdrücken kann.
Dass ich meinen ursprünglichen Stil aus meinem selbstverlegten Doujinshi fast unverändert beibehalten konnte, verdanke ich Jitsugyo no Nihon Sha*. Die Idee, einen Comic zu schaffen, der sowohl Illustrationen als auch Manga in sich vereint, hat sich für beide Teile als perfekte Kombination erwiesen.
*Anm. d. Red.: Jitsugyo no Nihon Sha ist der japanische Herausgeber von Veil.
MP: Eine Besonderheit in Veil ist die Kleidung der Figuren, auch auf Social Media teilen sie öfter modebezogene Inhalte. Ist das etwas, das Sie auch außerhalb Ihrer Arbeit interessiert? Und in welchen Quellen informieren Sie sich, auch für Recherchen?
Kotteri!-sensei: Ich informiere mich hauptsächlich im Internet und über soziale Medien. Wenn ich etwas finde, das mir gefällt, werden mir automatisch ähnliche Dinge vorgeschlagen, was ich sehr praktisch finde. Das Betrachten von Mode, Kleidung und Modenschauen ist für mich pure Erholung.
Wenn erhältlich, versuche ich, mir Fotobücher und Bildbände von Marken zu besorgen. Auch das Make-up und die Posen der Models studiere ich.
MP: Haben Sie zum Abschluss noch ein paar Worte an Ihre deutschsprachigen Fans?
Kotteri!-sensei: Deutsch ist eine auffällige Sprache mit vielen cool klingenden Namen und Bezeichnungen.
Egal, ob ihr Veil schon kennt oder gerade erst entdeckt: Lest Veil bitte unbedingt.
MP: Vielen Dank für das Interview, Kotteri!-sensei!