Besprechung zu „Unnützes Wissen über Manga und Anime“
Nachdem wir zuletzt schon über den Release von Unnützes Wissen über Manga und Anime informiert haben, berichten wir nun von unseren Leseeindrücken.
Der riva Verlag, der Teil der Münchner Verlagsgruppe ist, hat das Buch zum 15. Oktober auf den deutschsprachigen Markt gebracht. Für die rund 190 Seiten starke Eigenproduktion haben Jasmin Dose, Jan Lukas Kuhn und Stefan Mesch zusammengearbeitet. Neben der Softcover-Taschenbuchausgabe für 10,00 € wird eine mit 8,99 € eingepreiste E-Book-Fassung angeboten. Die Druckqualität ist akzeptabel, aber keinesfalls herausragend.
Jasmin Dose studierte Japanologie, Informatik und Konferenzdolmetschen. Sie ist Organisatorin der Connichi, der größten vollständig ehrenamtlich organisierten Anime- und Manga-Veranstaltung im deutschsprachigen Raum. Jan Lukas Kuhn übersetzt Manga und Games aus dem Japanischen. Er studierte Japanologie und Anglistik in Trier und Tokyo und arbeitete bei Mandarake im Nakano Broadway, einem Zentrum der japanischen Fan- und Sammelkultur. Stefan Mesch empfiehlt Bücher, Serien und Comics bei Deutschlandfunk Kultur, SPIEGEL online und im Berliner Tagesspiegel. Er studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim.
Klappentext
Comics und Zeichentrickfilme sind aus der japanischen Popkultur kaum wegzudenken und liegen auch hierzulande voll im Trend. Sie faszinieren eine riesige Fangemeinde – und das nicht erst seit dem weltweiten Erfolg von Kultserien wie »Pokémon« und »One Piece«. Von den Anfängen des Manga in Japan bis zu den größten Anime-Hits hält »Unnützes Wissen über Manga und Anime« die unglaublichsten Fakten, Geschichten und Anekdoten rund um die spannendsten Charaktere, Filme und Serien bereit. Warum war »Sailor Moon« bis 1998 in Südkorea zensiert? Warum haben Manga-Figuren fünf Finger, doch westliche Trickfiguren häufig nur vier? Und was haben der Igel Sonic, der »Dragon Ball«-Held Son Goku und Naruto gemeinsam? Ein Muss für Otaku und alle, die mehr über die Manga- und Anime-Kultur erfahren wollen. (© Münchner Verlagsgruppe GmbH)
Fazit
Ein solches Faktenbuch zu Manga und Anime – noch dazu ohne spezifischeren Fokus – zu erstellen, erscheint eine wahre Mammutaufgabe, deren Bereitschaft zur Bearbeitung sicherlich Respekt verdient. Unnützes Wissen über Manga und Anime ist zugutezuhalten, dass die Lektüre weitaus weniger oberflächlich ausfällt, als es der Klappentext zunächst vermuten lässt. Viele hierzulande eher unbekannte Werke – von Tomato Soups A Witch’s Life in Mongol über Kenichi Muraedas Red bis hin zu Nanae Harunos Papa told me und Shinya Komatsus 8-gatsu no Soda Sui – finden Erwähnung. Selbst langjährigen Fans dürften nicht alle behandelten Publikationen bekannt sein, zum einen, weil diese im Westen (bislang) kaum oder überhaupt nicht auf legale Weise verfügbar sind, zum anderen, weil ein beträchtlicher Zeitraum von über 80 Jahren abgedeckt wird.
Ohne Schwächen ist der Release allerdings nicht – ganz im Gegenteil. Mit zunehmendem Lesefortschritt offenbaren sich diverse Eigentümlichkeiten, die nicht nur unglücklich sind, sondern mitunter verärgern können. Vereinzelte Fehler bei angegebenen Daten und der Gesamtbandanzahl stellen dabei aus unserer Sicht das geringste Problem dar. Auch teils weitestgehend zusammenhanglose Sätze innerhalb eines Absatzes erfreuen nicht, dürften aber verkraftbar sein.
© 2024 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe
Die Zusammenstellung beinhaltet 25 Abschnitte – darunter Kapitel zu Skandalen, Ghibli und verschiedenen Jahrzehnten. Letztere folgen dabei nicht unmittelbar aufeinander, sondern sind unter die übrigen Kategorien gemischt. Auch „Die Basics“ oder „Vor 1945“, die intuitiv eher zu Beginn zu verorten wären, finden sich erst Richtung Buchmitte beziehungsweise -ende. Man mag dem Aufbau positiv anrechnen, dass die Lektüre dadurch weniger trocken und gleichförmig wirkt, bedingt durch die Auswahl an „Fakten“ ist dies aber ohnehin der Fall.
Inhaltlich mögen die „Fakten, Geschichten und Anekdoten“, wie es heißt, weitestgehend korrekt recherchiert sein. Viele Punkte fallen jedoch merklich komprimiert, und somit stark vereinfacht, aus. Wer selbst mit den entsprechenden Werken vertraut ist, wird das bemerken – und ultimativ auch die Allgemeingültigkeit der übrigen Passagen infrage stellen. Ein Beispiel dafür ist die auf Seite 65 zu findende Behauptung, dass Yukio Mishima „von den Linken“ abgelehnt werde. Der angereichte Kontext ist ungenügend, die Formulierung undifferenziert. Die sich hier andeutende Politisierung zieht sich zudem in geradezu penetranter Art und Weise durch die gesamte Veröffentlichung.
Über den Verlauf hinweg werden immer wieder – nur anhand verschiedener Beispiele – Themen wie (vermeintlicher) Sexismus, Whitewashing, Consent, Empowerment und Rape Culture abgearbeitet, oft unter Verwendung konkreter „Kampfbegriffe“, wie sie aus linkspolitischen Kreisen bekannt sind. Besonders queerpolitische Aspekte scheinen (zumindest einem Teil) der verantwortlichen Autorenschaft wichtig. Obwohl entsprechenden Inhalten keine eigene Kategorie gewidmet wurde, entfällt ein merklicher Anteil auf diese. In diesem Zusammenhang wird etwa indirekt gemutmaßt, ob Demon Slayer-Mangaka Koyoharu Gotouge vielleicht nicht-binär oder agender ist, oder ob Ruffy aus One Piece aromatisch und asexuell sein könnte.
Ähnlich sauer stoßen die subjektiven Beurteilungen verschiedener Werke auf, die nicht immer, aber immer wieder, mal dezenter, mal konkreter mit der Leserschaft geteilt werden. Spätestens wenn Manga als nicht lohnenswert oder gar belanglos – ohne auch nur den Ansatz, den Versuch, einer Begründung – bezeichnet werden, kann das nicht als Fakt maskiert werden. Die Aussage „Queere Figuren, wie Puppen durch schwülstigen Dreck gepeitscht“ in Bezug auf Moto Hagio ist nicht weniger geschmackvoll, insbesondere vor dem Hintergrund, dass hier eine Sexualisierung ihrer minderjährigen Figuren postuliert wird, die unbedingt weiterer Einordnung bedürfte. Mindestens ebenso anmaßend: Osamu Tezukas Vorliebe für große Augen indirekt mit den Rassenvorstellungen der Nationalsozialisten in Bezug setzen und Eiichiro Oda aufgrund eines einzelnen Zitats Frauenfeindlichkeit unterstellen.
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Diese Pauschalisierungen, die oft auf vorgeprägten Wahrnehmungen zu basieren scheinen, lassen bedauerlicherweise schnell die wirklich interessanten Informationen vergessen, von denen man entweder noch gar nicht gehört hat oder die man schon wieder verdrängt hat – etwa dass Mayu Shinjo 2007 Shogakukan aufgrund einer Drohung durch den japanischen Verlag verlassen hat oder das Ghibli-Mitgründer Hayao Miyazaki die schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren von einer Anime-Adaption von Pippi Langstrumpf überzeugen wollte.
Genau auf diese Aspekte hätte sich Unnützes Wissen über Manga und Anime unserer Ansicht nach beschränken und dafür Abbildungen und konkrete Quellenverzeichnisse pro Absatz anreichen sollen. Die offenkundig politisch gefärbte Agenda, die sporadisch Merkmale einer typischen Erhobener-Zeigefinger-Kultur aufweist, regt selten zum Nachdenken an, wie es vielleicht – wohlwollend interpretiert – angedacht war. Immerhin mag die vorliegende Zusammenstellung Zündstoff für Diskussionen sein – ob diese Form der Aufregung allerdings den eigenen Wünschen entspricht, ist individuell zu entscheiden. Ein entspannter Read ist das hier vorliegende Buch nicht, aber zumindest auch nicht so oberflächlich, wie anhand des Klappentexts befürchtet.
„Ein Muss für Otaku und alle, die mehr über die Manga- und Anime-Kuktur erfahren wollen“ – wie der riva Verlag verspricht – würden wir nicht unterschreiben. Ironisch: Ein „Fakt“ auf Seite 75 weist darauf hin, dass sich der Begriff „Otaku“ (zumindest in Japan) von der Selbstbezeichnung zur Beleidigung gewandelt habe. Ein Versuch, den Begriff neu zu besetzen oder redaktionelle Unachtsamkeit? In jedem Fall einen kleinen Schmunzler wert. Darüber hinaus bleibt uns der Release trotz einiger guter Ansätze wenig positiv im Gedächtnis. Bedauerlich.
Wir bedanken uns herzlich bei Stefan Mesch, der unserer Redaktion ein unverbindliches Belegexemplar zur Verfügung gestellt hat.