Interview mit Aki Irie, der Mangaka von „Folge den Wolken nach Nord-Nordwest“
Passend zum vor Kurzem veröffentlichten, vierten Band der Reihe Folge den Wolken nach Nord-Nordwest durften wir ein Interview mit der Mangaka, Aki Irie, des Werkes führen, die mit uns über ihren Arbeitsalltag und den Entstehungsprozess ihres Werkes redet.
Wir bedanken uns an der Stelle recht herzlich bei Carlsen Manga, die das Interview für uns organisiert haben, beim japanischen Verlag Kadokawa, der das Interview genehmigt hat und auch bei Irie-sensei selbst, für ihre Zeit und das aufschlussreiche Interview. Nachfolgend werden wir Irie-sensei mit Irie und uns selbst mit MP abkürzen. Wir wünschen viel Spaß mit dem Interview! Für alle Fans der Mangaka haben wir hier auch noch eine besondere Nachricht, so wird ein weiterer Titel von der Mangaka ebenfalls bald seinen Weg nach Deutschland finden.
MP: Hallo Irie-sensei und vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview mit uns nehmen!
Irie: Danke Ihnen auch!
MP: Wie sind Sie zu dem Beruf der professionellen Mangaka gekommen? Haben Sie gegebenenfalls unter anderen Künstlern gearbeitet, die sie uns benennen können?
Irie: Als ich noch als Hobby gezeichnet und die Bilder veröffentlicht habe, habe ich von einem Redakteur einen Arbeitsvorschlag erhalten. Ja, ich habe auch anderen Mangaka geholfen. Das war eine wichtige Erfahrung auf dem Weg zum Profi.
MP: Haben Sie selbst auch Vorbilder oder Personen, die Sie bei Ihrer Arbeit inspirieren?
Irie: Ja, ich habe viele. Das sind beispielsweise der fließende Panel-Verlauf bei Mitsuru Adachi; die Tiefe der Weltvorstellung bei Mamoru Nagano; die ernsthafte Einstellung aber mit dem angenehmen Rhythmus bei Jiro Taniguchi; oder die schwebende Einfachheit bei Hinako Sugiura. Faszinierend ist aber auch Kinderbuchillustrator Suekichi Akabane sowie Tove Jansson mit dem energievollen Zeichenstil.
MP: Ihre Zeichnungen beeindrucken uns zutiefst, jede Seite ist ein Kunstwerk. Würden Sie uns freundlicherweise schildern, wie Sie beim Zeichnen einer Seite vorgehen, welche Materialien Sie verwenden und wie viel Ihrer Zeit in ein Kapitel der Geschichte fließt?
Irie: Von dem Ausdenken der Storys bis zur Anfertigung von 24 Seiten dauert es ungefähr einen Monat. Ich zeichne mit Maru- sowie G-Pen aber auch mit Kalligrafiestift mit Tinte auf handelsüblichem Manga-Papier. Zunächst beginne ich mit dem Entwurf mit Bleistift, dann arbeite ich mit Feder für die Outlines. Nach Anpassungen kommt noch die Rasterfolie zum Einsatz. Das alles geschieht ohne digitale Geräte, also noch traditionell.
MP: Wie sind Sie erstmals auf das Thema Island aufmerksam geworden und welchen Bezug haben Sie persönlich zu dem europäischen Land?
Irie: Als ich mich zur Vorbereitung für das neue Werk mit geowissenschaftlichen Büchern beschäftigt habe, bin ich auf das Buch von einem Geowissenschaftler zum Thema Island gestoßen.
Ich habe persönlich zwar keinen Bezug zu europäischen Ländern, denke aber, dass mich kein Ort auf der Welt nicht interessieren würde. Denn man könnte Japan besser verstehen, indem man im Ausland unterschiedliche Wertvorstellungen kennenlernen würde. Somit wäre der Sinn der Reise, die eigene Sichtweise zu bereichern. Mit meinem Werk würde ich gern solche Aspekte ausdrücken.
MP: In Ihrem Werk Folge den Wolken nach Nord-Nordwest bringen Sie neben der idyllischen Landschaft von Island auch übernatürliche Elemente ein. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?
Irie: In Island begegnet man oft Landschaften, die den Gedanke über das Leben und den Tod hervorrufen. Dabei erkennt man klar die Grenze zwischen Können und Nicht-Können. Das Übernatürliche, also ein Traum, dass das unmöglich wäre aber doch gern realisiert würde, passt sehr gut zu diesem einfachen Ort Island. Ein bisschen Wunder ist eben auch als Manga-Ausdruck geeignet.
MP: Ist die gesamte Geschichte von Folge den Wolken nach Nord-Nordwest bereits in Ihrem Kopf vorhanden oder entwickeln Sie die Geschehnisse eher kurzfristig?
Irie: Der Zielort ist festgelegt. Der Weg, der dazu führt, wird aber während der Anfertigung mit dem Einfluss der Reaktion von Lesern und meiner Meinung bestimmt. Es ensteht also live!
MP: Der zweite Band der Geschichte erscheint uns ein wenig separiert von den Geschehnissen des ersten Bandes – möchten Sie uns Ihre Intentionen hinter der kleinen Führung durch Island mitteilen?
Irie: Meine Intention war es, das Interesse für den Ort zu wecken. Wenn die Darstellung der Faszination von Handlungsorten zusammen mit Story gemischt würde, wäre es zu ablenkend.
MP: Wissen Sie bereits, welchen Umfang Sie für Ihr aktuelles Werk anstreben?
Irie: Das entscheiden ebenfalls die Leser mit. Ich werde aber doch versuchen, einen nicht zu langen oder zu kurzen, sondern einen angemessenen Umfang zu finden.
MP: Protagonist Kei macht auf uns einen sehr lockeren und coolen Eindruck. Wie verstehen Sie ihn als Charakter, was ist ihm wichtig und worauf achten Sie bei seinen Auftritten im Manga besonders?
Irie: Sein Charakter repräsentiert den Handlungsort Island selbst, wo der starke Wind weht und unter dem kalten Gletscher der Vulkan versteckt ist. Dieses Werk bewegt sich zwischen Krimi und Roadmovie und gleicht einem Bildungsroman, indem sich ein unreifer Mensch durch Umbrüche seinen eigenen Lebensweg aussucht. Kei findet mehr Sinn darin, Probleme zu überwinden, als eine selbstverständliche Sache bloß zu erreichen. Er ist pur und will das Wesentliche der Personen erkennen. Für ihn als Protagonist ist es wichtig zu tun, was er tun will und, dass der Gedanke und die Tat verlinkt sind.
MP: Haben Sie zum Abschluss noch ein paar Worte an Ihre deutschsprachigen Fans?
Irie: Ich freue mich sehr, dass mein Werk bei euch gelesen wird! Island ist auch ein Ort, wo Wasser und Bier gut schmecken. Ich mag Bier und Whiskey und würde gern irgendwann das Oktoberfest besuchen!
MP: Vielen Dank für das Interview, Irie-sensei!
Irie: Danke auch!