Ein lobender Blick auf Chise Ogawas „Let Me Be Your Prisoner“
Die Mangaka Chise Ogawa ist Fans insbesondere durch ihr kontroverses Werk Caste Heaven bekannt. Das Werk erscheint seit einigen Jahren bereits bei TOKYOPOP auf Deutsch. Nun veröffentlichte der Verlag ein Frühwerk der Boys Love-Autorin. Manga Passion warf kürzlich einen Blick hinein.
Der Einzelband umfasst 196 Seiten, diese Zahl schließt diverse Seiten mit Werbung für andere BL-Titel des Verlags ein. Teilweise sind diese dabei aktuell verlagsvergriffen. Auf der Webseite des Verlags schreibt man unterdessen von vier Farbseiten, unser Prüfexemplar beinhaltet lediglich eine doppelseitige Farbseite. TOKYOPOP empfiehlt den Band ab 16 Jahren und vertreibt diesen für 7,50 Euro (D).
Abgesehen von dem Fauxpas hinsichtlich der Farbseiten, ist zudem auf zwei weitere optische Fehler hinzuweisen. Zum einen ist der Druck unseres Prüfexemplars nicht rein, so sind sporadisch schwarze Sprenkel innerhalb der weißen Sprechblasen zu bemerken. Inwiefern dies die gesamte Auflage betreffen könnte, war uns leider nicht möglich zu überprüfen. Zum anderen ist auf eine Stelle hinzuweisen, deren fehlerhafter Satzbau hervorstach. So schreibt man im ersten Kapitel: „Er ist der Sohn eines unserer Diener und […]“ – offensichtlich vom Lektorat übersehen.
Nachdem wir vorangehend die Mängel der deutschen Ausgabe aufgezeigt haben, widmen wir uns im Folgenden zunächst dem Aufbau sowie der Handlung von Chise Ogawas Let Me Be Your Prisoner genauestens. Der Einzelband besteht hierbei aus zwei Geschichten und einem abschließenden Epilog zur ersten und zugleich titelgebenden Geschichte.
Diese fasst eine (ehemalige) Butler-Dienstherr-Beziehung auf. Ehemals galt Yuzurus Familie als gut situiert, seine Wünsche wurden durch die zahlreichen Bediensteten umgehend ausgeführt. Darunter auch von Butler Iwase, dem acht Jahre später das Anwesen des jungen Herrn gehört. Nachdem seine Arbeitgeber bankrottgingen, offenbarte sich dem Jungunternehmer dieses zu erwerben.
Yuzuru unterdessen schickte man zu entfernten Verwandten in ein Leben, dass von animalischen Gelüsten von Erwachsenen getrieben zu sein schien. Der vormals als dessen Betreuer beschäftigte Iwase wartete seit der Zerteilung der Familie auf die Rückkehr Yuzurus. Aufgrund eines längst durch diesen vergessenen Versprechens, klammerte sich der erfolgreiche Geschäftsmann an den Wunsch des Zusammenlebens.
Nach acht Jahren der Abwesenheit kehrt der damalige Dienstherr als ausgewachsener Mann auf das Anwesen mit unlauteren Absichten zurück. Losgelöst von seinem einstigen Wohlstand, verdient Yuzuru Geld nun mit kleinkriminellen Akten. So plant er Wertgegenstände aus der Villa zu entwenden und erwartet einen Profit, mit dem er es sich „einen Monat lang gut gehen lassen“ kann. Doch dabei ertappt ihn Iwase!
Daraufhin legt er den ungenierten Yuzuru in Ketten, sodass dieser das Anwesen fortan nicht mehr verlassen kann. Um dessen Verpflegung kümmert sich Iwase persönlich. Ebenfalls um dessen körperliche Bedürfnisse. Wie sich diese Wiederbegegnung weiter gestaltet, ist in dem Einzelband zu verfolgen. Die drei Kapitel der Hauptgeschichte werden abschließend durch erwähnten Epilog schlüssig abgerundet.
© 2012 Chise Ogawa by TAIYOH TOSHO Co., Ltd., Tokyo © TOKYOPOP GmbH, Hamburg 2020
Die zweite Geschichte besteht aus zwei Kapiteln und trägt den wohlklingenden Titel Der adiabatische Puls. In einem Wohnheim sind Atsunori und Shu Zimmergenossen. Deren Zimmer ist von einer senkrechten Linie geteilt. Es gilt die Regel, dass keine Partei die Seite der anderen betreten darf. Jene andere Hälfte des Raums ist für den schüchternen Shu ohnehin ein Bereich des Schmerzes.
So muss er täglich beobachten, wie Atsunori ein anderes Mädchen auf seinem Bett verführt. Dass Shu dabei im Raum ist, stört ihn wenig. Vielmehr ist es von diesem sogar ausdrücklich erwünscht, denn Player Atsunori verbirgt seine wahren Intentionen hinter dem regen Mädchenbesuch geschickt. Ob Shu schon bald das Vorhaben des extrovertierten Schönlings durchschauen wird?
Insofern leiten wir unmittelbar zum Zeichenstil des Werks um: Die Schönlinge sind tatsächlich schön und werden nicht nur als solche durch die Handlung beschrieben. Mit Entzücken sind uns die stilvollen Charakter-Designs aufgefallen. Mangaka Chise Ogawa betont beispielsweise die Augenlider besonders, weswegen dem Gesicht mehr Ausdruck inne liegt. Aber auch Gesichtsform und Ausarbeitung der einzelnen Frisuren sind durchaus hübsch anzusehen. Die Figuren sind durchaus dem Bishounen-Segment zuzuordnen, doch keinesfalls generisch.
Zudem weiß Ogawa verschiedene Geschmäcker anzusprechen. Ob Anzugträger, feminine Erscheinung, blondierter Player oder Eigenbrötler – die Künstlerin scheint auf keinen Typ Mann festgefahren und offeriert ihrem Publikum in Let Me Be Your Prisoner die beschriebene Auswahl. Die häufig freien Hintergründe fallen erst beim erneuten Blick in den Einzelband auf und sind während des Lesens weitgehend unbemerkt geblieben. Der beeindruckend geübte Umgang mit Kontrasten ist weiterhin positiv zu bemerken.
Perspektivisch werden die Gefühle möglicherweise zu oberflächlich dargestellt. Zudem werden diese nicht deutlich durch die Charaktere formuliert, sondern unterliegen viel eher der Interpretation des Publikums. Umso beeindruckender ist es, dass insbesondere Yuzurus Persönlichkeit auf wenigen Seiten des Epilogs weiteren Tiefgang erhält.
Beide Handlungen enthalten Szenen körperlicher Betätigung. Diese sind jedoch so dargestellt, dass keine primären Geschlechtsmerkmale abgebildet werden, entsprechend entfällt eine etwaige Zensur durch weiße Balken oder Ähnliches. Entsprechend ist die Altersempfehlung durch den Verlag bei 16 Jahren angesetzt. Dem ist unsererseits zuzustimmen.
Abschließend also unser Fazit: Beide Geschichten sind trotz sehr limitierter Platzverhältnisse sorgsam ausgearbeitet – ebenso der angefügte Epilog. Weiterhin weiß der markante Stil von Chise Ogawas Illustationen zu gefallen – insbesondere das Charakter-Design. Der anfängliche Ärger über die überschaubaren Fehler der deutschen Ausgabe wurde durch Begeisterung für den Inhalt abgelöst.
Sollte dich der Manga interessieren oder du dir noch unsicher bist, ist ein Blick in die deutschsprachige Leseprobe des Titels empfehlenswert. Diese enthält allerdings weder Farbseiten, noch ist die Bildqualität mit der des Bandes identisch. Keine Sorge: Der Manga besteht aus hochauflösenden Bildern. Da der Band nicht verschweißt ist, kannst du auch bei deinem Händler vorab in das Buch hineinschauen.
Bist du bereits Fan der Reihe oder der Autorin, kannst du hier ein Wallpaper zu dem vorliegen Einzelband herunterladen. Dieses stellte Verlag TOKYOPOP jüngst anlässlich der Veröffentlichung der fünften Ausgabe des Magazins zur Verfügung. Unsere Redaktion bedankt sich abschließend bei allen Leser*innen sowie der Redaktion von TOKYOPOP Deutschland für die Bereitstellung des Werks.