Review zu H.P. Lovecrafts Berge des Wahnsinns, Band 01
Howard Phillips Lovecraft – als H. P. Lovecraft oder auch mit HPL abgekürzt – ist einer der bekanntesten Horror-Autoren. Der Schriftsteller gilt ohne Zweifel als einer der prägendsten des 20. Jahrhunderts.
Viele Filmschaffende, Videospieleentwickler und Comic-Zeichner sind daran gescheitert, den kosmischen Horror von Lovecraft zu visualisieren. Denn der Horror von Lovecraft ist anders; es ist die Angst vor dem Unbekannten. Dessen, was man nicht sehen kann oder sich nicht vorzustellen vermag. Der Horror und die Macht der Angst in den Novellen von HPL liegen im Mythos und der Unerklärbarkeit. Wie also gibt man die Angst vor etwas wieder, ohne es selbst darzustellen?
Einen Künstler gelingt es immer wieder aufs Neue, die zahlreichen Kurzgeschichten und Novellen von Howard Phillips mit Bravour zu adaptieren. Sein Name ist Gou Tanabe und er machte sich mit den Manga-Adaptionen basierend auf den Werken von H. P. Lovecraft als Mangaka international einen Namen.
Begonnen hat alles 2004 mit dem Einzelkapitel basierend auf der Kurzgeschichte Der Außenseiter, welche in einer Anthologie von Kurzgeschichten veröffentlicht wurde. Ab 2007 konzentrierte sich der Japaner voll und ganz auf die Werke des amerikanischen Schriftstellers und brachte Titel wie Der Hund und andere Geschichten, Die Farbe aus dem All oder jüngst Berge des Wahnsinns (alle hierzulande über Carlsen Manga mithilfe von Jens Ossa übersetzt und erschienen) hervor.
In der heutigen Review wollen wir uns die Adaption von Berge des Wahnsinns näher ansehen. Berge des Wahnsinns ist einer der wenigen längeren Geschichten von H. P. Lovecraft und umfasst etwa 190 Seiten (Suhrkamp-Version).
Der erste Band der schwarzweißen Adaption kommt auf fast 300 Seiten und misst eine Größe von 14,60 x 21,00 cm. Die Größe liegt dank der hervorragenden Aufmachung sehr gut in der Hand und lässt sich problemlos vor- und zurückblättern. Die Kunst von Gou Tanabe entfaltet im Großformat und dank dem qualitativen Druck seine volle Sogwirkung. Preislich ist der Band mit 18,00 € im oberen Segment vorzufinden, das mit der Qualität und Nischenzielgruppe begründet werden kann.
© 2016, 2017 Tanabe Gou © der deutschen Ausgabe Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020
Beim Name Gou Tanabe kommt man nicht drum herum, über seine detaillierten Panels zu schwärmen. Es ist alles andere als leicht, die Worte und Beschreibungen von Lovecraft zu visualisieren. Noch viel schwieriger wird es, wenn man den Geist der Vorlage in präzisen Bildern Ausdruck verleiht, die nicht mit Monstern und Tentakeln zur Schau gestellt werden, sondern mit bildgewaltiger Architektur und erleuchteten Gebäuden beeindruckt. Das Unheimliche entsteht durch das was wir nicht sehen können. Es ist die innere Anspannung und Unruhe nach der Frage, ob dort etwas lauert und uns schaden möchte.
In Berge des Wahnsinns zeigt uns Gou Tanabe in den vermehrten Doppelseiten das Panorama am Gebirge. Drum herum erstreckt sich die eiskalte Schneewüste. Die Antarktis bietet als Schauplatz viele Möglichkeiten, um mit den Perspektiven zu arbeiten. Wir stehen am Fuße des Berges, in der Tiefe der Höhle, mit dem Flugzeug über die Berge hinweg an den schroffen Felswänden vorbei und mitten im Schneesturm. Die Liebe zum Detail sieht man in den unzähligen beeindruckenden Bildern.
© 2016, 2017 Tanabe Gou © der deutschen Ausgabe Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020
Wer die Romanvorlage nicht kennt, braucht sich keinerlei Sorgen zu machen, etwas nicht gänzlich verstehen zu können. Gou Tanabe nimmt sich die Zeit und adaptiert würdevoll den Roman. Inhaltlich wird hier nichts verändert, nur zwecks des Erzähltempos wird das Infodumping aus dem Roman etwas zurückgeschraubt.
Inhaltlich wird die Geschichte, die sich um eine Expedition der Antarktis in den 30er Jahren dreht, historisch korrekt dargestellt. Geologe William Dyler und seine Mannschaft machen bei der Forschung an Fossilien im ewigen Eis eine ungewöhnliche Entdeckung, welche viele Fragen aufwirft und für das Verschwinden der Crew sorgt.
Flugzeuge und Schiffe werden akribisch genau nachgezeichnet und durch die dargestellte Kulisse fühlt man sich 90 Jahre in die Zeit zurückversetzt.
Die zwei Erzählebenen werden spannend dargeboten und als Leser möchte man den Band nicht mehr aus der Hand legen. Zwischen den einzelnen Kapiteln wird die bereits grundlegende düstere Atmosphäre des Werkes mit schwarzen Seiten aufgepeppt.
„Die Berge des Wahnsinns sind der bevorzugte Ort der Veränderung unter dem doppelten Vorzeichen des sehr Alten und des Ungeheuerlichen.“ (Gilles Menegaldo – Suhrkamp)
Bis zum furiosen Finale im zweiten Band müssen wir uns noch bis Ende Oktober gedulden. Carlsen Manga pflegt augenscheinlich eine gute Beziehung zum Mangaka, denn neben den bereits erschienen Werken, erwartet uns mit Der leuchtende Trapezoeder im kommenden Jahr eine weitere Lovecraft-Manga-Adaption von Gou Tanabe. Der Zeichner arbeitet derzeit an der Umsetzung von Schatten über Innsmouth, die derzeit in Japan publiziert wird. Schatten über Innsmouth ist tatsächlich noch vor Berge des Wahnsinns meine liebste Novelle von Lovecraft. Ich hoffe optimistisch, dass auch jene Adaption uns eines Tages in den deutschen Manga-Regalen gestellt wird.
Zum Abschluss möchte ich mich beim Verlag Carlsen Manga für das Rezensionsexemplar bedanken. Ich bin dankbar dafür, dass die Werke von Gou Tanabe hierzulande lizenziert wurden und hoffe auf positive Verkaufszahlen.
Wenn ihr euch den Titel selbst näher anschauen wollt, findet ihr auf der Artikelseite des Verlags auch eine Leseprobe.