Review zur Master Edition von Taiyo Matsumotos „Tekkon Kinkreet“
Bereits vor der deutschsprachigen Veröffentlichung von Sunny bei Carlsen Manga, feierte der preisgekrönte Autor und Zeichner Taiyo Matsumoto sein Deutschlanddebüt – mit Tekkon Kinkreet, das im April 2018 bei Manga Cult erschienen ist. Genau dieser Supernatural-Klassiker steht dabei im Fokus des folgenden Artikels.
Ursprünglich umfasst der Titel in Japan drei Bände, hierzulande wurde die Geschichte des Ping Pong-Mangakas als sogenannte Master Edition herausgegeben. Diese ist ein luxuriöses Hardcover gebettet, dessen Format mit den Maßen von 16 auf 24 Zentimetern beachtlich ist. Auch die Papierqualität überzeugt in ihrer Wertigkeit: Das Papier ist glatt und weiß, der darauf angewandte Druck ist einwandfrei.
Es handelt sich um die deutschsprachige Erstausgabe des Werks, mit der Übersetzung war Verena Maser betraut, die aktuell für Reihen wie
Das Land der Juwelen, Twittering Birds Never Fly und Yona - Prinzessin der Morgendämmerung verantwortlich ist. Aufgrund der erklärten Ausstattung sind 32 Euro (D) als Preis angesetzt. Für einen 3-in-1-Band im Hardcover erscheint das allerdings durchaus fair.
Inhaltsbeschreibung
Die Geschichte ist in Takara Town, einer heruntergekommenen Kleinstadt, angesiedelt. In dieser ist die Ordnung bereits vor unbestimmter Zeit ins Wanken geraten, denn Korruption und Gewalt herrscht auf den Straßen. Kriminelle Klans sind zwar ein ernstes Problem, doch nicht das einzige jener Stadt. Selbst der Polizeiapparat scheint verdorben. So erklärt beispielsweise Sawada, ein während der Geschichte immer wiederkehrender Beamter, dass er den Polizeidienst lediglich aufgrund des besonderen Privilegs, eine Waffe legal führen zu dürfen, angetreten ist.
In diesem Ort sind die beiden Waisenkinder Shiro und Kuro daheim, sie sind dort geboren und leben bis zum heutigen Tag in verschiedenen Winkeln Takara Towns. Sie sind stadtbekannt, werden als „die Katzen“ bezeichnet. Um sich durchzuschlagen, schrecken die beiden Jungen weder vor Diebstahl noch Gewaltanwendung zurück.
Inmitten ihres ereignisreichen Alltags werden sie Zeuge, wir ein befreundeter Gangster in Not gerät – Kuro schreitet ein und schlägt die drei Handlanger – wortwörtlich – in die Flucht. Diese arbeiten dabei für Hebi, einen mächtigen Geschäftsmann, der ihre geliebte Heimat niederreißen möchte. Auf dem Gebiet soll ein Entertainment-Park entstehen, der massive Gewinne zu generieren vermag.
Andere Städte unterwarf der Klan bereits, doch Kuro und Shiro stellen sich den Plänen mit aller Kraft entgegen und sind festentschlossen, Takara Town zu verteidigen. Zunächst sieht es so aus, als haben die zwei Kinder tatsächlich eine reelle Chance, das Vorhaben des Syndikats zu verhindern. Doch mit dem Eintreffen speziell angeforderter Auftragsmörder wendet sich das Blatt plötzlich …
In der Kurz-Reihe werden verschiedene Handlungsstränge verfolgt. Der Fokus der Erzählung liegt nicht ausschließlich auf den beiden Waisenjungen, sondern beleuchtet auch die Seite der Kriminellen und derer, die als Ordnungshüter von Takara Town eingesetzt sind. Das Publikum verbleibt stets als neutraler Beobachter, Einblicke in die Gedanken sind nicht gegeben – vieles verbleibt somit vage.
Das gilt auch für jene jungen Hauptfiguren, Shiro und Kuro. Erster ist jünger und scheint geistig weniger entwickelt zu sein, er lebt in seiner eigenen Welt aus Illusionen und Vorstellungen. Kuro ist sein Anker in der Welt, dieser ist in seinem Wesen kalt. Diese Gegensätze verleiten sie offenbar dazu, sich gegenseitig zu ergänzen und unterstützen. Sie sind die Fleisch gewordenen Vertreter von Yin und Yang.
Visualisierung
In diesem Fall weniger inhaltlich, sondern vor allem aufgrund der Bebilderung setzt sich Schöpfer Taiyo Matsumoto von den Mainstream-Manga ab. Seine Erzählungen finden durch eine spezielle, schwierig zu erklärende Technik zeichnerische Umsetzung. Am Markantesten ist hierbei wohl das Charakterdesign, welches bewusst etwas unförmig ausfällt. Diesem liegt eine eigene Ästhetik inne.
Ebenso entzückt die scheinbar freihändige Linienführung, für welche der Sunny- und GoGo Monster-Mangaka mittlerweile bekannt ist, aber sicherlich nicht den Geschmack des Massenpublikums trifft – obgleich dies natürlich nicht die Erwartungshaltung ist. Mit einfachen Kontrastabstufungen ist der Optik zudem ein gewisser Tiefengrad verliehen.
Besonders gelungen ist allerdings die Verbildlichung von Takara Town. Dem Schauplatz der teils verwahrlosten Kleinstadt ist durch entsprechende Bauten und Schilder ein asiatischer Flair eingehaucht. Interessant ist dabei, dass die im Hintergrund zu sehenden Schriftzeichen nicht ausschließlich japanischer Natur, sondern auch koreanischer Herkunft sind – ein Detail, das nur der aufmerksamen Leserschaft zu entdecken vorbehalten ist und eigene Interpretationen dieser Darstellung anregen mag.
Um einen eigenen Eindruck von der beschriebenen Visualisierung zu gewinnen, empfiehlt sich die offizielle Leseprobe. Diese steht hier auf der offiziellen Webseite des Ludwigsburger Labels kostenlos zur Verfügung und umfasst die erste Hälfte des ersten Kapitels.
Fazit
Weg vom bekannten Mainstream und mit Anlauf in eine zu entdeckende Nische der japanischen Populärkultur – das ist Tekkon Kinkreet. Hierbei ist unbedingt anzumerken, dass die Geschichte mitnichten obskur abstrakt oder übertrieben verworren ist, denn Taiyo Matsumoto gelingt es, eine Handlung zu präsentieren, die zwar viel Interpretationsspielraum lässt, aber zugleich auch eine greifbare Substanz hat.
Wir sind davon überzeugt, dass sich insbesondere erwachsene Supernatural-Fans an der herrlich skurrilen Erzählung erfreuen werden. Der reiche Charaktercast ist dabei ein besonderes Highlight, der für jede Menge Stoff innerhalb der dynamischen Handlung sorgt. Leider ist der Abschluss von dieser recht schnell herbeigeführt, gerne hätten wir noch mehr Kapitel um Takara Town gelesen.
Die deutschsprachige Ausgabe brilliert durch die eingangs erklärte Aufmachung: Das großformatige Hardcover-Buch zählt mehr als 600 Seiten, die allesamt auf besonders wertigem Papier gedruckt sind. Ein Lesezeichenband ist des Weiteren Bestandteil der als Master Edition bezeichneten Veröffentlichung. Im Umfang ist außerdem ein mehrseitiger Glossar enthalten, das eine Begriffserklärung zur Geschichte bereithält. Dadurch ist sichergestellt, dass redaktionelle Annotationen nicht vom Lesefluss ablenken.
Gerne möchten wir uns Manga Cult unseren besonderen Dank für die unverbindliche Unterstützung in Form der Bereitstellung eines Belegexemplars bedanken. Abschließend möchten wir auch dem verlegerischen Mut, diesen sicherlich speziellen – aber deswegen nicht weniger lesenswerten – Manga auf Deutsch zu veröffentlichen, unseren vollsten Respekt aussprechen. Genau dies braucht der hiesige Markt.