Interview mit Streamerin und Mangaka Lita Tachibana
Heute haben wir wieder ein interessantes Interview für euch. Die in Japan lebende und arbeitende Mangaka Tachibana-sensei (auch bekannt als lita426t) hat sich Zeit für uns genommen, um über ihren Weg als Mangaka zu sprechen. Außerdem hat sie uns erklärt, wie sie zum Streamen gekommen ist. Auf ihren Kanälen folgen ihr inzwischen fast 90.000 Menschen, um ihre regelmäßigen Twitch- und Instagram-Livestreams zu verfolgen.
Nachfolgend werden wir uns mit MP und Tachibana-sensei mit Tachibana abkürzen, wir wünschen viel Spaß beim Interview.
For all international readers: An English version is also available at the end of the interview!
MP: Hallo Tachibana-sensei und vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview mit uns nehmen.
Tachibana: Vielen Dank für diese Gelegenheit! Es tut mir leid, dass ich so lange zum Antworten gebraucht habe, weil mein Englisch noch nicht sehr gut ist. Ich danke euch dafür, dass ihr euch Zeit für mich nehmt!
MP: Wie lange zeichnen Sie bereits und wie sind Sie dazu gekommen?
Tachibana: Ich glaube, meine früheste Erinnerung an das Zeichnen ist, als ich drei Jahre alt war. Ich habe fast mein ganzes Leben lang gezeichnet. Als kränkliches Kind habe ich die meiste Zeit im Haus gespielt und das Zeichnen wurde dabei ganz natürlich ein Teil meiner Kindheit.
Mein Vater war der erste, der bemerkte, dass ich gerne zeichnete und schenkte mir großzügig verschiedene Kunstmaterialien (Buntstifte, Pastellkreiden, Wasserfarben, Acrylfarben, PC und Grafiktabletts usw.) sowie viele Bücher über historische Kunst. Ich musste an nichts anderes mehr denken, ich war nur noch in das Zeichnen vertieft.
Als ich etwa fünf Jahre alt war, begann ich, mich auch für den Manga-Stil zu interessieren und zeichnete oft Vier-Panel-Mangas. Meinen ersten Kurzgeschichten-Manga hab ich mit zehn gezeichnet. Mit fünfzehn Jahren reichte ich meinen ersten Kurzgeschichten-Manga bei einem Verlag ein – und wurde zum ersten Mal dafür bezahlt.
MP: Sie arbeiten als Vollzeit-Mangaka. War dies schon immer Ihr Berufswunsch?
Tachibana: Mangaka zu sein, ist nicht mein Traum. Es ist vieleher so, dass ich es einfach liebe, Manga zu zeichnen. Derzeit mache ich aber aus verschiedenen Gründen eine Pause vom Mangaka-Dasein und zeichne hauptsächlich einzelne Bilder. Gerade bereite ich mich aber darauf vor, meine Manga nach und nach selbst im Internet zu veröffentlichen.
MP: Woher nehmen Sie Ihre Inspiration für neue Werke? Haben Sie irgendwelche Vorbilder?
Tachibana: Ich werde oft danach gefragt, aber ich habe beides nicht wirklich. Bei mir wurde das Asperger-Syndrom diagnostiziert, eine Form von Autismus, und deshalb zeige ich eine höhere sensorische Sensibilität als andere und Synästhesie. Ich habe oft luzide Träume, also zeichne ich oft in meinen Träumen. Außerdem sehe ich auch Manga-Geschichten in meinen Träumen. Deshalb kann ich immer etwas sehen, hören und riechen und ich lebe in einem Zustand, in dem ich es immer „herausholen“ will, indem ich etwas zeichne.
MP: Sie zeichnen sowohl traditionell als auch digital – was bevorzugen Sie und welche Vorteile sehen Sie in beidem?
Tachibana: Wie ich bereits erwähnt habe, geht es mir einfach um das Zeichnen. Daher bin ich nicht besonders wählerisch, ob ich traditionell oder digital arbeite. Es gibt jedoch Zeiten, in denen ich bestimmte Werkzeuge wähle, um beispielsweise Zeit zu sparen und die Belastung für meinen Körper zu reduzieren.
Ich wähle meine Arbeitsgeräte nach meiner zeitlichen Verfügbarkeit aus – also danach wie viel und wie schnell ich zeichnen muss.
Was die traditionellen Kunstmaterialien angeht, kann ich nichts verwenden, das stark riecht; besonders keine Öl- und Acrylfarben. Der Geruch von COPIC-Markern ist im Moment das größte Problem für mich. Ich habe mir schon Taschentücher in die Nase gestopft, um damit zu zeichnen, aber steige allmählich auf Kuretake-Aquarellstifte um, die geruchlos sind und mit denen man wie mit einem COPIC-Marker malen kann.
MP: Wie kamen Sie dazu, mit Twitch anzufangen und seit wann streamen Sie dort regelmäßig?
Tachibana: Zuerst habe ich selten für meine Patreon-Supporter auf YouTube gestreamt. Ein paar Mal wurde ich dann gefragt: „Machst du das nicht auch auf Twitch?“ – und ich wunderte mich, warum jeder den Minecraft Modpack Downloader empfahl.
Eines Tages fand ich aber heraus, dass Twitch auch ein Streaming-Dienst ist. Ich musste nur ein paar Einstellungen in OBS ändern, um streamen zu können. Also drückte ich einfach den „Start Streaming“-Knopf, und das war der Beginn meiner erstaunlichen Begegnung mit der Twitch-Streaming-Welt und meinem neuen Leben mit dieser.
Ich war überrascht, dass so viele Leute kamen, um meinen ersten Twitch-Stream anzuschauen und zu kommentieren. (Auf YouTube waren es nur zwei oder drei Leute und überhaupt keine Kommentare). Natürlich habe ich dann angefangen, fast jeden Tag zu streamen. Denn Zeichnen ist etwas, das ich jeden Tag mache.
Mein erster Twitch-Stream war Mitte September, aber im Oktober habe ich beim „Inktober“ mitgemacht und jeden Tag gestreamt – ohne einen Tag Pause zu machen. Zu dieser Zeit haben mir die Leute um mich herum geraten, eine Pause zu machen. Zuerst verstand ich nicht, warum mir das alle sagten, denn ich zeichne jeden Tag …
Dann wurde ich krank und nahm mir ein paar Tage frei. Nachdem ich meinen Mann um Rat gefragt hatte, verstand ich endlich, was es bedeutet, zu „streamen“. Jetzt habe ich mich auf einen Zeitplan von drei- bis viermal pro Woche eingependelt. Natürlich zeichne ich auch an meinen freien Tagen.
MP: Sie arbeiten bereits seit mehreren Jahren als professionelle Mangaka – wie hat sich dabei Ihre Einstellung zu Ihrer Arbeit eventuell geändert?
Tachibana: Mein professionelles Debüt und die Serialisierung in einem monatlichen Manga-Magazin fiel in eine Zeit, in der meine Hirnschädigung noch nicht bekannt war. Das führte zu einer schweren Depression.
Erst dies führte zur Entdeckung meines Asperger-Syndroms und ADS. Ich konnte einen guten Arzt finden und Medikamente einnehmen, die es mir ermöglichten, ein ziemlich normales Leben zu führen. Aufgrund der Depression und der Auszeit von der Arbeit wegen der Behandlung gab ich jedoch den Versuch auf, mit japanischen Manga-Verlagen zu arbeiten.
Meine Behinderung basiert stark auf der Tatsache, dass ich Schwierigkeiten habe, mit Worten (vor allem Lauten) zu kommunizieren. Ich habe meinen Mann um Hilfe gebeten, aber das hat die Belastung für mich, mit Verlagen zu verhandeln, nicht verringert. Ich wollte diese Zeit dem Zeichnen widmen.
Ich bin noch immer in Behandlung, aber ich plane, die Manga, die ich zeichnen möchte, regelmäßig im Internet zu veröffentlichen, auf Englisch und Japanisch (und mehr Spanisch, wenn ich kann). Ich würde mich freuen, wenn mich von dort aus wieder ein Verlag kontaktieren würde, aber ich warte nicht darauf.
MP: Sie publizieren inzwischen den Großteil Ihrer Arbeit digital und ohne einen Verlag auf den Plattformen Patreon und Gumroad. Inwiefern ist dies nun einfacher für Sie? Was sind die Vorteile dabei?
Tachibana: Als ich über einen japanischen Verlag ging, war es schwierig, eine englische Version meines Buches veröffentlicht zu bekommen; obwohl ich vermute, dass es auch vom jeweiligen Verlag abhängt. Von den Büchern, die ich zusammen mit meinem Mann geschrieben habe, gibt es immer noch keine englische Ausgabe, sondern nur deutsche, taiwanesische und koreanische Ausgaben. Da ich viele Fans in Übersee hatte, war das zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eine Art enormer Schlag für mich.
Dank Patreon und Gumroad kann ich jedoch meine eigene englische Version des Mangas veröffentlichen. Die physische Ausgabe von Gumroad ist derzeit wegen COVID nicht verfügbar, aber ich plane, den Verkauf der Printausgabe wieder aufzunehmen, sobald sich die Postsituation wieder normalisiert hat.
Ich kann die Geschichten in meinem eigenen Tempo veröffentlichen, in den Sprachen, die ich möchte, in der Art und Weise, wie ich zeichnen möchte, in der Art und Weise, wie ich veröffentlichen möchte. Ich denke, dass das die größten Vorteile sind.
MP: Auf Ihren sozialen Kanälen reden sie teilweise offen über Ihre Krankheit. Hat diese Auswirkungen auf Ihre Arbeit?
Tachibana: Vielleicht , aber das weiß ich nicht sicher. Vielleicht ist das Verhalten meiner Figuren tatsächlich ungewöhnlich.
MP: Was benutzen Sie zum Arbeiten?
Tachibana:
Digitale Werkzeuge:
[Software] Photoshop CC, Procreate
[Hardware] Wacom Intuos 5 Tablet (Größe L), Razer Tartarus Pro, iPad Pro (11 Zoll)
Traditionelle Werkzeuge:
[Inking] COPIC Multiliner
[Kolorieren Aquarell Bilder]: Holbein, Daniel Smith und Winsor & Newton, Kuretake ZIG Wasserfarben Pinsel-Stifte
[Kolorieren]: Faber Castell Polychromos Buntstifte, COPIC-Marker
[Papiere] marman vifArt (242g/m2), Arche (300g/m2), Hahnemühle Geburtstagsausgabe (425g/m2), Holbein White Ibis (300g/m2), Kent-Papier und mehr
[Pinsel] Holbein 500R resable (Größe 2)
MP: Haben Sie Tipps für Leute, die das Zeichnen lernen möchten?
Tachibana: Zeichnen ist nichts, was man lernen muss. Es ist etwas, das man genießen sollte. Wenn man keinen Spaß am Zeichnen hat, wird sich das in der Arbeit zeigen. Man wird dann den Charme des Bildes vermissen. Bitte genießt das Zeichnen!
MP: Sie lernen viele verschiedene Sprachen, unter anderem Deutsch. Interessieren Sie sich einfach für Sprachen oder hat dies einen speziellen Hintergrund?
Tachibana: Im Moment lerne ich vor allem Englisch und Spanisch, wöchentlich aber auch Deutsch und Russisch. Ich lerne auch, jeden Tag einen kleinen Gruß in 30 verschiedenen Sprachen zu sprechen. Mein Hörverständnis ist aufgrund meiner Behinderung hoffnungslos (ich brauche zum Beispiel sogar Untertitel, wenn ich japanische Dramen sehe), aber ich versuche mein Bestes, indem ich Duolingo, YouTube und Podcasts voll ausnutze.
Für das Lernen jeder Sprache gibt es eigene Gründe, aber im Grunde genommen gibt es Menschen, die ich persönlich besuchen und mit ihnen sprechen möchte. Ich lerne jetzt seit mehr als zwei Jahren Spanisch. Als ich das Zuhause von Nyacchii-san, einer berühmten mexikanischen Kunst-Twitch-Streamerin, für mehr als zehn Tage besuchte, war ich traurig, dass ich nicht direkt mit ihrer Mutter sprechen konnte, denn sie verstand nur Spanisch!
Der Grund für das Lernen von Deutsch und Russisch war, weil ich es seltsam fand, World of Tanks mit deutschen und russischen Panzern zu spielen, aber kein Deutsch oder Russisch zu können. So habe ich angefangen. Ich will in der Lage sein, die deutsche Version meines eigenen Mangas zu lesen! Das ist mein „deutsches“ Ziel. Ich will Russisch lesen lernen, weil ich das Buch über russische Historienmaler, das ich mir kürzlich aus Interesse gekauft habe, noch nicht auf Russisch lesen kann. Außerdem möchte ich eines Tages Mr. Dzikawa, einen berühmten Kunst-Twitch-Streamer, in Moskau treffen! Das ist mein „russisches“ Ziel.
Warum ich 30 Sprachen sprechen können will, nur um Grußbotschaften zu sagen? Zu meiner großen Freude sind die Menschen, die meine Arbeit mögen, über die ganze Welt verteilt. Ich möchte meinen Fans wenigstens in ihrer Muttersprache „Danke“ sagen können.
Außerdem wurde im letzten September meine Depressionsbehandlung wieder aufgenommen. Die Nebenwirkungen der Antidepressiva haben meine Augenbewegungen eingeschränkt. Früher habe ich gerne Spiele gespielt, aber jetzt wird mir beim Schauen auf den Spielbildschirm schnell schlecht. Also dachte ich mir: „Was könnte ich stattdessen tun?“ Da kam ich auf das Sprachenlernen! Jetzt ist Duolingo DAS Spiel für mich.
MP: Haben Sie irgendwelche Pläne für die nahe Zukunft?
Tachibana: Ich befinde mich noch in der Rehabilitationsphase, aber ich plane,meinen neuen Manga auf Englisch im Internet zu veröffentlichen.
MP: Möchten Sie noch ein paar Worte an Ihre Fans richten?
Tachibana: Danke, dass ihr immer so herzlich zu mir seid! Ich habe auch heute viel Spaß beim Zeichnen! Ich hoffe, dass ihr weiter viel Freude an meiner Arbeit habt!
MP: Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview!
Tachibana: Es tut mir leid, wenn meine Antworten ein bisschen durcheinander sind. Ich habe mein Bestes versucht, in meinen eigenen Worten zu antworten –, so gut es mit dem Google-Translator und DeepL möglich war. Vielen Dank, dass Sie mir diese wertvolle Gelegenheit geben!