Interview mit Bingo Morihashi und Suwaru Koko – Den Schöpfern von „There is no Future in This Love“
Passend zur Veröffentlichung der Reihe There is no Future in This Love durften wir in Zusammenarbeit mit Hayabusa ein Interview mit den Schöpfern des Werkes, Bingo Morihashi und Suwaru Koko, führen.
Wir möchten uns zunächst herzlich bei Hayabusa für die Gelegenheit sowie bei dem japanischen Verlag KADOKAWA COPORATION, der das Interview genehmigt hat, bedanken. Ein großes Danke sprechen wir an dieser Stelle auch Autor Bingo Morihashi und Mangaka Suwaru Koko selbst aus, die sich beide für unsere Fragen Zeit genommen haben. Nachfolgend werden wir Morihashi-sensei mit Morihashi, Koko-sensei mit Koko und uns selbst mit MP abkürzen.
MP: Hallo Morihashi-sensei und Koko-sensei, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen.
MP: Morihashi-sensei, Ihr Manga There is no Future in This Love stellt Yuji in den Handlungsmittelpunkt, der sich in seinem Körper nicht wohlfühlt. Wie sind Sie auf dieses Setting gekommen?
Morihashi: Selbst jetzt, im Jahr 2021, sind LGBTQ-Belange in Japan noch nicht sehr verbreitet. Mit dem Blick auf die Zukunft sollten aber genau diese allgemein bekannter werden. Man behandelt diese Thematik als wäre es eine Wissenschaft, das finde ich nicht richtig. Denn LGBTQ-Themen sind alltäglich. Was wir tun müssen, ist, LGBTQ-Themen nicht als „spezielles Problem“ aufzufassen, sondern ganz selbstverständlich zu wissen, dass „es solche Menschen gibt".
Deshalb wollte ich die Menschen durch ein Unterhaltungsmedium auf LGBTQ-Themen aufmerksam machen. Werke, die sich mit solchen Themen befassen, werden auch heute noch als etwas „Besonderes“ behandelt, aber ich dachte, dass durch die steigende Zahl solcher Werke LGBTQ-Themen unter den Menschen „selbstverständlich" werden würden.
MP: Warum haben Sie sich dazu entschieden, die Geschichte in Tokyo, vor allem in den frühen Achtziger, zu platzieren?
Morihashi: Wenn die Geschichte in der Gegenwart spielen würde, in der der Begriff LGBTQ bereits existiert, wäre das Leid der Hauptfigur Yuji nicht unbedingt nur sein eigenes. Heutzutage gibt es im Internet Orte, an denen die Menschen ihre Sorgen äußern können und es gibt auch Organisationen, die sich mit solchen Themen befassen. Wenn man unter dieser Bedingung die Geschichte aufsetzt, dann ist diese Herausforderung von Yuji nicht mehr sein eigenes Problem, sondern das Problem der „ganzen Gesellschaft“.
Daher habe ich beschlossen, die Geschichte in den Achtzigern anzusiedeln, als LGBTQ-Themen noch nicht alltäglich und anerkannt waren. Zudem hatte ich die Idee, die Geschichte in der Vergangenheit von meinem früheren Werk Kono Koi to, Sono Mirai (etwa: Diese Verliebtheit und deren Zukunft), das dieselbe Thematik behandelt, anzusiedeln.
MP: Im Zusammenhang dazu würden wir auch gerne wissen, wie Ihre Recherche für das Werk und explizit in Bezug auf Yuji und dessen Transsexualität ausgesehen hat.
Morihashi: Ich habe eine Reihe von Werken gelesen, die sich mit solchen Themen befassen, und ich habe mir die Geschichten Betroffener persönlich angehört und sie über ihre Erfahrungen und Schwierigkeiten befragt. Doch schließlich habe ich mich nicht von den Informationen aus dieser Recherche leiten lassen.
Letztendlich hat die Kategorisierung dieser Probleme in L, G, B, T, Q, usw. in einigen Bereichen zu Vorurteilen geführt. Selbst wenn die Geschlechtsidentität scheinbar gleich ist, hat jeder Mensch andere Probleme, und diese Probleme werden noch vielfältiger, wenn die Sexualität miteinbezogen wird. Ich hielt es daher für besser, Yuji nicht wie eine stereotype transsexuelle Figur aussehen zu lassen und beschloss daher, mich nicht zu sehr auf die Informationen aus meinen Recherchen zu verlassen.
MP: Uns sind außerdem vereinzelt Schmetterlinge im Werk aufgefallen, welche Bedeutung haben diese?
Morihashi: Der Schmetterling, der sich von einer flügellosen Raupe in eine Puppe und schließlich zu einem Schmetterling mit schönen Flügeln verwandelt, ist ein Symbol für „Veränderung“. Gleichzeitig kann er aber auch Yujis Unbehagen gegenüber seinem eigenen Körper und seinen Wunsch nach Veränderung symbolisieren. Außerdem sagt man, dass Schmetterlinge nachts von Lichtern angelockt werden und sich selbst verbrennen. Das wäre auch ein Hinweis darauf, dass Yuji zwar näher in Richtung des „Lichtes“ kommt, aber das nicht unbedingt sein Glück bedeutet.
MP: Was war für Sie beide jeweils das Schwierigste bei der Arbeit an There is no Future in This Love?
Morihashi: Als jemand, der nicht von der Thematik der Transsexualität betroffen ist, hatte ich immer Bedenken, diese darzustellen. Ich selbst gehöre zum B innerhalb der LGBTQ-Community, trotzdem bin ich keine Person, die sie vollständig versteht. Ich glaube zwar, dass jeder Mensch anders ist, aber ich hatte trotzdem Angst, dass jemand sagen würde, dass so etwas nicht möglich sei.
Koko: Das Setting der Achtziger war zeichnerisch sehr schwierig umzusetzen. Ich kannte die genauen Merkmale der Gebäude und Menschen nicht, also tastete ich vorsichtig nach den Details.
MP: Was ist Ihre jeweilige Lieblingsszene aus dem Manga? Welche ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Morihashi: Für mich ist es die Szene, in der Yuji zum ersten Mal ein Kleid anzieht. Diese Szene liegt mir besonders am Herzen, sowohl in dem Sinne, dass die durch einen kleinen Zufall geschaffene Situation eine große Auswirkung auf Yujis Gefühle und Handlungen hat, als auch in dem Sinne, dass es sich dabei um eine wunderbare Zeichnung von Koko-sensei handelt. In diesem doppelten Sinne bleibt die Szene stark in meiner Erinnerung.
Koko: Für mich ist das die Szene, in der die geschminkte Ayumi Masaki zuhause besucht hat.
MP: Wie kam es zu der Zusammenarbeit zwischen Ihnen beiden? Wie organisierten Sie die Abläufe bei der Arbeit und wie fand die Kommunikation zwischen Ihnen beiden statt?
Morihashi: Ich habe zunächst die Original-Story abgegeben, dann hat die Redaktion einen Zeichner ausgesucht. Da Koko-sensei weit weg wohnt, habe ich im Grunde genommen nur über die Redaktion mit Koko-sensei zusammengearbeitet
Koko: Die Redaktion hat mich angefragt, so kam die Zusammenarbeit zustande. Was die Abläufe innerhalb der Zusammenarbeit angeht, so habe Ich zunächst über die Redaktion den Plot bekommen. Anhand dessen habe ich dann das Storyboard erstellt. Im Anschluss hat Morihashi-sensei den Entwurf geprüft und abgesegnet, bevor ich mich dann ans Zeichen des Storyboards gemacht habe.
MP: In Japan ist der Manga bereits vor einiger Zeit erschienen. Würden Sie uns schildern, wie Sie die Resonanz der japanischen Leserschaft wahrgenommen haben? Ist Ihnen dabei eine Rückmeldung besonders im Gedächtnis geblieben?
Morihashi: Ehrlich gesagt gab es in Japan weder große Resonanz noch einen wirtschaftlichen Erfolg. Ich kann keine besondere Kommentar von Lesern nennen. Die Story an sich endet zwar mit dem zweiten Band, geplant war aber, dass es noch ein wenig weitergeht. Doch in Europa wie in Frankreich hat der Manga eine gute Bewertung bekommen. Das hat mich sehr gefreut!
Koko: In Japan haben nicht viele den Manga gelesen. Aber trotzdem gibt es Leser, die mir sagen, dass sie den Manga mögen. Ich habe mich darüber sehr gefreut!
MP: Haben Sie noch abschließende Worte für Ihre deutschsprachige Leserschaft?
Morihashi: Als Originalautor freue ich mich sehr, dass mein Werk in Deutschland erscheint, wo es ein großes Verständnis für die LGBTQ-Bewegung gibt. Ich bin zwar nicht sicher, ob meine Geschichte von den Lesern akzeptiert wird, aber wenn durch das Werk die LGBTQ-Thematik mehr Aufmerksamkeit bekommt, würde ich mich sehr freuen. Ich erinnere mich noch an das Motto „Wir sind alle anders. Wir sind alle gleich!“ vom Christopher Street Day in Berlin aus dem Jahr 2015. Diese Worte sind für mich heute noch sehr bedeutend.
Koko: Ich bin sehr dankbar, dass ich die zwei Bände zeichnen durfte! Das ist das Werk, bei dem ich zuerst ausgiebig über die Gefühle der Charaktere nachgedacht und dann gezeichnet habe. Ich würde mich freuen, wenn viele das Werk lesen.
MP: Vielen Dank für das Interview!