Das Finale: „Search And Destroy“ – Band 03
Bei Search and Destroy handelt es sich um eine Neuinterpretation von Osamu Tezukas Dororo-Trilogie. Diese Science-Fiction-Adaption der Geschichte stammt aus der Feder von Wet Moon-Mangaka Atsushi Kaneko. Auch dieses Werk ist in drei Bände gefasst. Nachdem uns die ersten beiden Teile schlichtweg begeistert haben, steht nun das Wichtigste – der Handlungshöhepunkt des Mangas – auf dem Prüfstand.
Carlsen Manga! hat den Abschlussband Ende August veröffentlicht. Die Reihe wird hierzulande als großformatige Klappenbroschur herausgegeben, die deutschsprachige Ausgabe besticht zudem mit einer herausragenden Papierqualität und einem hochwertigen Druck. Aufgrund des stark erhöhten Gesamtumfangs von über 300 Seiten ist für das Finale ein Preis von 18,00 € angesetzt.
Bereits die ersten beiden Bände wurden zu je 15,00 in den Handel gebracht, diese waren jedoch merklich dünner. Entsprechend ist die leichte Anhebung des Verkaufspreises durchaus gerechtfertigt. Eine E-Book-Ausgabe wird zurzeit nicht angeboten. Ob diese zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht wird, ist bislang nicht bekannt. Eine entsprechende Ankündigung ist nicht in Sicht.
Inhaltsbeschreibung
In der Vergangenheit tobte ein alles vernichtender Krieg – Bomben und Roboter dominierten zu dieser Zeit die Schlachtfelder der Welt. Mittlerweile ist oberflächlicher Frieden eingekehrt. Nun leben die Menschen in einer Gesellschaft mit jenen mechanischen Erzeugnissen, die über besonderen Verstand verfügen, zusammen. Diese werden unter der Begrifflichkeit der Keras zusammengefasst und gelten aufgrund ihrer im Krieg geleisteten Verdienste als vollwertige Bürger.
Ihre Rechte wurden zuletzt immer wieder von dem verantwortlichen Bürgermeister von Hachisuka City gestärkt – zur Missgunst einiger Stadtbewohner, die ihre Arbeitsplätze aufgrund der voranschreitenden Industrialisierung verloren haben und in Folge immer weiter in Armut gedrängt werden. Aber auch die einfachen Roboter-Arbeitskräfte sind dem Staatsmann nicht unbedingt wohlgesonnen.
Unter den ganzen cyborgartigen Wesen sind 48 besondere Schöpfungen, sie dienten in dem angesprochenen Krieg als hochrangige Generäle und waren entscheidend an dessen Ausgang beteiligt. Ihre Überlegenheit, die sie zur Elite der Nation macht, zeichnet sich durch jeweils eine menschliche Komponente aus, die ihnen in der Vergangenheit operativ zuteil wurde.
All diese Teile stammen von Hyaku. Kurz nach ihrer Geburt wurde ihr Körper all dieser essenziellen Bestandteile beraubt. Nur dank eines genialen wie geheimnisumwobenen Wissenschaftlers verstarb sie nicht, unter Zuhilfenahme synthetischer Einzelteile ist es ihr möglich, fortzubestehen – und das nur noch für ein einziges Ziel: die Rache.
Nachdem sie eine Weile in den verschneiten Bergregionen gelebt hat, ist sie nun auf ihrem Weg durch die Metropole von Hachisuka City, um alle ihr geraubten Körperteile wiederzuerlangen. Da die einzelnen Kreas natürlich nicht gewillt sind, diese bereitwillig zurückzugeben, ist der Kampf gegen jeden einzelnen Cyborg Hyakus einzige Möglichkeit.
Auf ihrem Rache- und Rückeroberungsfeldzug lernte sie zuletzt auch das junge Mädchen Doro kennen. Diese hat ebenfalls eine komplizierte Vergangenheit hinter sich, die in diesem finalen Band nun aufgedeckt wird – und sie einzuholen beginnt. Ebenso steht Hyakus Ursprung im Fokus der Erzählung. Nachdem die Leserschaft zuletzt ihre Familienbande verstand, realisiert die Hauptfigur nun ebenfalls ihre Herkunft.
Im dritten Band hat Hyaku fast alle ihre Organe wieder erlangt – den mechanischen Träger ihres Herzens macht sie nun zu ihrem nächsten Ziel. Bei dem Kampf wird sie in eine Art Zweifronten-Rebellion verwickelt, in der nicht nur Mensch und Roboter gegeneinander kämpfen. Die Pläne des Bürgermeisters entfachen den Funken, der das Fass der angestauten Unzufriedenheiten zum Explodieren bringt …
Visualisierung
Nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch, hebt sich Search and Destroy – auch weiterhin – hervorragend von Mainstream-Publikationen ab.
Die einzelnen Zeichnungen weisen über den gesamten Verlauf hinweg keine Graustufen auf. Folglich setzt sich die Darstellung ausschließlich aus schwarzen und weißen Flächen sowie zahlreichen Strichen zusammen. Letztere sind ein Kernelement der Illustrationen und verleihen diesen durch verschiedenartige Anordnung Struktur. Statt auf Graustufen zwecks Kontrastierung zurückzugreifen, arbeitet der verantwortliche Zeichner hier maßgeblich mit dem Abstand der verschiedenen Striche und Flächen zueinander. Damit bestimmt er den visuellen Raum effektiv.
Im Charakterdesign der verschiedenen Figuren spiegeln sich die Stil-Einflüsse von Zeichner Atsushi Kaneko unbestreitbar wieder. Der Bebilderung liegt damit etwas Unverkennbares mit entsprechend hohem Wiedererkennungswert wieder. Die Gestaltung – sowohl jene im Vorder- als auch Hintergrund – gliedert sich hervorragend atmosphärisch in das retrofuturistische Cyberpunk-Setting der Geschichte ein.
Mittels der von Carlsen Manga! kostenlos bereitgestellten Leseprobe kann ein individueller Eindruck von dem Titel gewonnen werden. Wer die Zeichnungen nicht digital, sondern direkt auf dem hochqualitativen Papier begutachten möchte, kann sich im Handel vor Ort nach dem Manga umschauen – dieser ist in der Regel nicht eingeschweißt und kann zur Ansicht vorsichtig durchgeblättert werden.
Über Osamu Tezuka
Osamu Tezuka wurde am 3. November 1928 in Toyonaka (Provinz Osaka) geboren. Als er sieben Jahre alt war, zog seine Familie nach Takarazuka, wo er schon während seiner Grundschulzeit damit begann, Manga zu zeichnen. Daneben verfolgte er aber auch noch weitere Interessen, besuchte des öfteren das Planetarium in Osaka oder das Frauen-Musicaltheater »Takarazuka-Revue«.
Die größte Leidenschaft in seinen frühen Lebensjahren galt allerdings der Welt der Insekten. Diese kleinen Lebewesen übten eine solche Faszination auf ihn aus, das Tezuka seinem Namen noch ein Schriftzeichen, gleichbedeutend mit unserem Wort »Insekt«, hinzufügte.
Trotz des sich bald entwickelnden Interesses für Zeichentrickfilme, die sogenannten Anime, begann Tezuka 1945 nach Schulabschluss ein Medizinstudium und tat es somit seinem Vater gleich. Doch schon während der Studienzeit arbeitete er an verschiedenen Manga, der erste erschien 1946 in dem Magazin »Shokokuminshinbun« unter dem Namen »Ma-chans Tagebuch«.
Während des Studiums arbeitete Tezuka weiter erfolgreich an verschiedenen Manga-Projekten, so entstanden dabei z. B. »Shin Takarajima«, der erste Manga in Buchform, von dem sich auf Anhieb 400.000 Exemplare verkauften, oder »Janguru Taitei«, den wir als KIMBA, DER WEISSE LÖWE kennen.
Nach erfolgreichem Abschluss des Medizinstudiums zog 1952 Tezuka von Osaka nach Tokyo, da er von mehreren Verlagen angeworben wurde, hauptberuflich Manga zu zeichnen. Dort entstanden die erfolgreichen Reihen »Ribon no Kishi« (übers.: »Der Ritter mit der Schleife«) und »Tetsuwan Atomu«, hierzulande unter dem Namen ASTRO BOY bekannt.
1960 entstand mit »Seiyuki - Die Reise nach Westen« sein erster Anime. Ein Jahr später erhielt Tezuka die Doktorwürde der Medizin und gründete außerdem seine eigene Produktionsfirma, die »Mushi Production AG«.
Nach und nach wurden immer mehr Werke von Tezuka als Anime im Fernsehen ausgestrahlt, ebenso entstanden einige Realverfilmungen.
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Nachdem Tezuka 1964 in New York Walt Disney getroffen hatte, wurde auch dort zum ersten Mal ein Anime, nämlich ASTRO BOY, von ihm veröffentlicht.
Durch viele Reisen, die Tezuka u. a. nach Amerika und Europa führten, wurde sein Werk in immer mehr Teilen der Erde bekannt. Zu seiner Arbeit sagte Tezuka: »Was ich durch meine Arbeit auszudrücken versuche, ist sehr einfach. "Liebe alle Kreaturen dieser Welt! Liebe alles, was lebendig ist!" Diese Botschaft habe ich in all meinen Werken auszudrücken versucht.«
Tezukas Leben war von einer unglaublichen Schaffenskraft geprägt, seine Werke umfassen insgesamt 150.000 Seiten Comics, seine Animes können 60 Abende füllen. Der zweite Weltkrieg hatte im übrigen einen großen Einfluss auf viele seiner Geschichten.
Osamu Tezuka starb 1989 an Krebs. Einen Tag nach seinem Tod erschien in einer japanischen Tageszeitung ein Nachruf, in dem auch die Frage gestellt wird, weshalb die Menschen im Ausland nicht in dem Maße Comics liebten wie es die Japaner täten. Die Antwort gibt der Verfasser am Ende selbst: »Eine Antwort ist, daß es in ihren Ländern keinen Tezuka gegeben hat!«
In seiner Heimat Japan hat Osamu Tezuka einen höheren Stellenwert als Hergé oder Walt Disney in der westlichen Welt. 1994 wurde in seiner Heimatstadt Takarazuka die Tezuka-Osamu-Gedenkhalle errichtet, um sein Leben und Werk zu würdigen, denn Tezuka gilt als der Urvater des Manga, in Japan wird er gar als »Manga no kamisama - Gott des Manga« bezeichnet. (© Carlsen Verlag GmbH)
Über Atsushi Kaneko
Atsushi Kaneko wurde am 26. Dezember 1966 in Sakata/Präfektur Yamagata geboren. Inspiriert von Musik und Film – weniger von Manga selbst ─ begann er nach dem Studium zu zeichnen. Erste Aufmerksamkeit erhielt das aus seiner Feder stammende Ratty gets new way bei einem Wettbewerb des zum Verlag Shogakukan gehörenden Magazins Big Comic Spirits im Jahr 1990. Von 2000 bis 2002 erschien Bambi, eine siebenbändige Serie, die in Frankreich ab 2006 verlegt wurde. Ab 2003 arbeitete Kaneko an Soil, einem mysteriösen Thriller, der in einer Retortenstadt spielt. Von der Kritik gut aufgenommen und auch auf dem Internationalen Comicfestival in Angoulême zweimalig nominiert, wurde die Serie in 11 Bänden schließlich 2012 mit dem „Grand Prix L’Imaginaire“ ausgezeichnet. Aktuell liegen in Japan bereits zwei Bände von Kanekos neustem Streich Deathco vor, der im japanischen Magazin Comic Beam aus dem Hause Enterbrain vorveröffentlicht wird.
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Atsushi Kaneko gilt in der japanischen Comicwelt als Rebell und Ausnahmetalent: Graphisch vergleichbar mit amerikanischen Künstlern wie Charles Burns oder Paul Pope, im Erzählstil cineastisch angelehnt an David Lynch, Alfred Hitchcock oder Quentin Tarantino, zählt Kaneko gleichfalls Georges Méliès‘ Stummfilm „A trip to the moon“, den japanischen Zeichner Suehiro Maruo als auch den Punk zu seinen Einflüssen. Sein dreibändiger Thriller Wet Moon im Film-Noir-Stil wurde 2014 mit dem französischen Kritikerpreis (Prix Asie ACBD) ausgezeichnet und schaffte es 2015 auf die Nominierungsliste von Angoulême. (© Carlsen Verlag GmbH)
Konklusion
Mit dem dritten Band endet die Search And Destroy-Geschichte. Einerseits ist das schade, denn die Reihe ist sowohl inhaltlich als auch erzähltechnisch sehr gelungen. Andererseits hat es Mangaka Atsushi Kaneko geschafft, das Geschehen mit einem der Erzählung würdigen Finale abzuschließen – und das ist das Wichtigste. Der erweitere Umfang des letzten Bands war dahingehend auf jeden Fall sinnhaft.
Während in den beiden vorangegangenen Teilen aber vor allem das Wiedererlangen von Hyakus Organen im Mittelpunkt stand, fokussieren die Kapitel des letzten Drittels ein weiteres Mal die Vergangenheit der beraubten Protagonistin. Auch ihr Sidekick Doro wird im Rahmen der letzten Handlungsstränge behandelt. Ihre Identität, ihr Ursprung, und die ihr angedachte Bestimmung ist Thema. Die beiden Figuren verbindet dabei in gewisser Weise ein besonderes Band, das mit dazu beiträgt, dass das Ende rund wirkt.
Mit dem vorliegenden Werk gelingt dem verantwortlichen Künstler der Spagat zwischen achtungsvoller Hommage an Astro Boy-Schöpfer Osamu Tezuka, der die Original-Geschichte Dororo schuf, und spannender Neuinterpretation. Diese überträgt die ursprünglich in einem Historical-Setting verankerte Geschichte in eine futuristische Dystopie, die dem Science-Fiction-Segment zuzuordnen ist.
Mangaka Atsushi Kaneko hat den Ursprung der Geschichte damit äußerst gelungen in ein neues Gewand verpackt ohne die Wurzeln zu verfälschen. Hinsichtlich der Optik hat sich der aktuell 54-jährige Japaner dagegen vollends von seinem eigenen Stil, der wiederum an Der lachende Vampir-Zeichner Suehiro Maruo und die Punk-Szene angelehnt ist, leiten lassen.
Abschließend bedanken wir uns herzlich bei Carlsen Manga! für die Zurverfügungstellung eines Belegexemplars.