Interview mit TOKYOPOP zum Thema Light Novel – Übersetzung, Titelauswahl und mehr
Zum Start des neuen Light-Novel-Labels von TOKYOPOP hat sich General Managerin Susanne Hellweg für uns die Zeit genommen und uns unsere Fragen zu der Titelauswahl, der Entstehung und dem Konzept des neuen Labels ausführlich beantwortet. Dabei spielt auch das Thema Übersetzung eine Rolle.
An dieser Stelle bedanken wir uns erneut herzlich bei Susanne, die sich die Zeit für uns genommen hat. Nachfolgend kürzen wir uns mit MP ab. Wir wünschen viel Spaß mit dem Interview!
MP: Hallo Susanne und vielen Dank, dass du dir zum Start eures neuen Labels die Zeit für uns nimmst.
Susanne: Sehr gerne, lieber Maximilian! Danke Dir für Dein Interesse an diesem neuen Segment bei uns und Deine Fragen dazu.
MP: Ihr habt gerade mit eurem neuen Light-Novel-Label begonnen, wann und warum habt ihr euch dafür entschieden, das Ganze als neues Label aufzuziehen?
Susanne: Die Idee und Planung dazu lief tatsächlich schon 2018 an. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt das Gefühl, dass die Fans mehr und mehr nach Light Novels als Quelle oder Ergänzung zu ihren Lieblingsmanga-Serien fragen. Damals wurden ja schon vereinzelt Light Novels bei TOKYOPOP veröffentlicht, aber da es eben nur wenige Reihen oder Einzeltitel waren, wurde diese Erzählform nicht recht wahrgenommen und auch nicht gezielt mit einem Vertriebs- und Marketingkonzept unterstützt.
Nachdem wir uns sicher waren, dass wir diesem Segment in unserem Verlag einen geschlossenen Auftritt bereiten wollen, haben wir mit den Lizenzgebern Kontakt aufgenommen und wären eigentlich gerne schon 2020 damit an den Start gegangen, was wir wegen der ersten Corona-Welle dann aber natürlich verschieben mussten.
MP: In diesem Zuge interessiert uns natürlich auch, wie ihr die erste Resonanz seitens der Leser:innen wahrnehmt – sowohl hinsichtlich des Feedbacks als auch hinsichtlich der ersten Verkaufszahlen. Kannst du da schon etwas zu sagen?
Susanne: Wir sind total begeistert und freuen uns sehr darüber, wie das erste Programm angenommen wurde! Der Handel ist von Anfang an super eingestiegen und hat die Titel breit präsentiert und die Fans haben uns mit ihrer Nachfrage nach derartigem Lesestoff auch nicht zu viel versprochen und die Bücher mit großer und positiver Resonanz aufgenommen. Tatsächlich ist bei allen drei neuen Serien Band 1 schon so gut wie ausverkauft und den Nachdruck für die Overlord-Hardcover-Ausgabe zu Band 1 mussten wir schon nach Auslieferung anschieben. Leider dauert es jetzt wegen der Ressourcen-Knappheit am Markt.
MP: Ihr habt mit The Grandmaster of Demonic Cultivation kürzlich bereits eine chinesische Novel angekündigt. Warum habt ihr euch zu diesem Schritt entschieden und plant ihr in Zukunft auch, euch weiter im koreanischen und chinesischen Raum umzusehen?
Susanne: Auf jeden Fall werden wir auch in Zukunft unabhängig vom Ursprungsland alle Titel prüfen, auf die wir aufmerksam werden oder von den Fans aufmerksam gemacht werden. Bekanntermaßen gibt es auch im Manga-Bereich sehr erfolgreiche Lizenzen aus diesen Ländern und das gilt natürlich auch für den Light-Novel-Markt.
MP: Mit The Rising Shield Hero, Konosuba – God’s Blessing on this wonderful World! und Overlord habt ihr die ersten drei, neuen japanischen Light Novels vorgestellt. Dabei handelt es sich um Titel, die hierzulande bereits als Manga erscheinen. Wollt ihr in Zukunft daran festhalten oder könnt ihr euch auch vorstellen, Light Novels zu veröffentlichen, zu denen der Manga bislang nicht erschienen ist oder es keinen Manga gibt?
Susanne: Natürlich ist die Verbindung von Light Novel und Manga besonders interessant, aber wie bei Overlord, zu dem die Manga-Reihe ja bei Carlsen erscheint, werden wir auch zukünftig Serien aufnehmen, die für sich so attraktiver Lesestoff sind, dass man sie mit oder ohne Bekanntheit einer laufenden Manga-Serie haben möchte.
MP: Dazu anschließend: Versucht ihr, sofern ein Franchise Light Novel und Manga hat, auch beides zu veröffentlichen?
Susanne: Wenn unsere Prüfung ergibt, dass beide Publikationsformen von entsprechender Attraktivität sind, auf jeden Fall. Es hat natürlich Vorteile, wenn man beides im Verbund vermarkten kann.
MP: Overlord wird von euch sowohl im Soft- als auch Hardcover herausgegeben. Wie kam es dazu, dass ihr beides anbietet?
Susanne: Die grundsätzliche Erscheinungsform unserer Light Novels wird das Softcover sein, da wir natürlich auch den Preis für die Fans so niedrig wie möglich halten wollen.
Es gibt aber Reihen, wie etwa Overlord und The Grandmaster of Demonic Cultivation, die sich durch die Ausstattung, die sie schon im Original mitbringen (bspw. Farbillustrationen von besonderer Qualität) für eine Veredelung besonders eignen und durch die künstlerische Ausstattung Sammlerobjekte sind.
MP: Habt ihr euch eine Art feste Regel wie beispielsweise eine neue Light Novel pro Programm vorgenommen oder werden neue Light Novels so angekündigt, wie es passt?
Susanne: Wir wollen pro Programm mindestens eine Neuheit ankündigen, entweder eine neue Reihe oder einen oder mehrere Einzeltitel. Maximal haben wir pro Programm zwei Programmplätze für dieses Segment zur Verfügung.
MP: Aktuell sind eure neuen Light Novels doch recht Isekai-lastig. Plant ihr dieses Segment beizubehalten beziehungsweise auszubauen oder dürfen sich Fans auch auf andere Settings freuen?
Susanne: Tatsächlich machen wir mit The Grandmaster of Demonic Cultivation ja schon die Tür zu anderen „Welten“, in diesem Fall Boys Love auf und wollen dies auch in Zukunft ausweiten.
Unser Ziel ist es, die Vielfalt der Manga-Genres auch im Light-Novel-Segment abzubilden.
MP: Spielt für euch die Länge der Light Novel bei der Lizenzierung eine entscheidende Rolle?
Susanne: Auch hier macht es die Mischung. Wir brauchen lange Serien, aber davon nicht zu viele, damit wir auch regelmäßig Neuheiten auf den Programmplätzen unterbringen können, daneben gerne auch Reihen, die zwischen 5 – 10 Bände haben und Einzeltitel sind natürlich auch stets willkommen. Insgesamt wollen wir eine gute Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Genres und Lauflängen haben. Entscheidend ist für uns natürlich stets der bisherige Erfolg der Reihe im Ursprungsland, der dazugehörigen Manga-Reihe (so vorhanden) oder die Nachfrage der Fans.
MP: Uns ist aufgefallen, dass bei euren neueren Light-Novel-Releases das „übersetzt aus dem Japanischen“ fehlt und wir uns daher die Frage stellen, ob ihr diese aus dem Englischen übersetzt. Kannst du uns dazu vielleicht etwas Genaueres sagen und falls ja, auch warum ihr euch dafür entschieden habt?
Susanne: Ja, wir übersetzten einzelne Reihen auch aus dem Englischen.
Dies hat mehrere Gründe, vor allem aber den, dass wir den Fans eine Übersetzung in bester Qualität zur Verfügung stellen wollen. Eine literarische Übersetzung zeichnet sich nicht dadurch aus, dass sie Wort für Wort die Originalsprache abbildet, sondern durch das Können der Übersetzer:innen, die Natur und Atmosphäre des Originalwerkes aufzunehmen und zu übertragen. Ist dies bspw. im Englischen schon einmal gelungen, ist das ggf. die bessere Wahl als eine Übersetzung aus dem Japanischen durch Übersetzer:innen, die sich mit dem Inhalt oder der Übersetzung eines Fließtextes nicht wohl fühlen oder der Background bisher fehlt. Und dies ist von Werk zu Werk ja auch sehr unterschiedlich. Für Overlord muss man eine Fantasy-Klaviatur haben, bei Konosuba ist es wichtig, dass der Humor richtig transportiert wird, bei The Rising of the Shield Hero darf auch der Gaming-Hintergrund nicht fehlen.
MP: Wie geht ihr vor, um die Qualität der Übersetzung dennoch bestmöglich zu halten?
Susanne: Hier haben die jeweiligen Redakteure ein ganz waches Auge drauf, prüfen die Vorlagen im Vorfeld sorgfältig und gleichen mit dem Original ab.
MP: Vielen Dank für das Interview!
Susanne: Sehr gerne und jederzeit wieder!