Ersteindruck zu „She likes gay boys but not me“
Das Hayabusa-Label hat sich besondere Liebesgeschichten auf die (Regenbogen-)Fahne geschrieben, queere Titel machen hierbei einen wichtigen Teil des bunten Verlagsprogramms aus. Mit dem She likes gay boys but not me-Manga hat der Hamburger Herausgeber ein Werk lizenziert, das verspricht, „realistisch, provokant und hochdramatisch“ zu sein. Das klingt verlockend, wir haben den Auftakt daher mit hohen Erwartungen gelesen.
Der erste Band ist offiziell zum 26. Oktober als Großformat im Handel erschienen. In dem Gesamtumfang von den knapp mehr als 190 Seiten Inhalt sind zwei doppelseitig bedruckte Farbseiten enthalten. Für die Print-Ausgabe, deren Außenseite stellenweise mit einem reflektierenden Spotlack beschichtet ist, ist ein Preis von 10,00 € pro Band angesetzt, das E-Book ist mit je 7,99 € etwas günstiger eingepreist.
Inhaltsbeschreibung
Der homosexuelle Oberschüler Jun lebt „im Schrank“, er ist in seinem unmittelbaren Umfeld nicht geouted. Nur eine Handvoll „Gleichgesinnte:r“ weiß um seine Sexualität – unter anderem sein viel älterer Geliebter, ein verheirateter Familienvater. Im Internet vertraut sich der 16-Jährige außerdem einem Nutzer an, der sich Mr. Fahrenheit nennt und stets ein offenes Ohr für den Jugendlichen hat.
Im sogenannten Real Life ist Jun bemüht, seine wahre Natur zu verbergen. Für ihn ist das alles normal, um seiner eigenen Vorstellung von einem gewöhnlichen Leben gerecht zu werden. Selbst seinen Kindheitsfreund Ryohei weißt er immer wieder überaus bestimmt zurück. Unglücklicherweise neigt dieser nämlich dazu, sehr touchy zu werden und Jun – mutmaßlich aus Spaß – im Intimbereich zu berühren.
Als er seine Klassenkameradin Sae beim Kauf eines Boys-Love-Manga beobachtet, nimmt die Geschichte rund um die beiden Jugendlichen ihren Lauf. Er konfrontiert sie mit der Frage, warum sie so etwas lese – innerlich erwartet er bereits eine Rechtfertigung, die gleichgeschlechtliche Liebe nur im fiktionalen Kontext gutheißt, doch Sae zeigt sich auch darüber hinaus offen.
Jun ist mit dieser unerwarteten Reaktion in gewisser Weise überfordert. Es wäre der ideale Moment, im echten Leben nach Unterstützung zu greifen, sich jemandem anzuvertrauen. Er entscheidet sich dagegen – weiterhin scheint Jun fest entschlossen, sein Geheimnis für sich zu behalten. Obwohl er sicherlich kurz ins Schwanken geraten ist, überwiegt die Furcht vor gesellschaftlichen Folgen.
Nachdem die beiden an diesem Tag das erste Mal miteinander ins Gespräch gekommen sind, intensiviert sich der Kontakt zwischen den zwei Gleichaltrigen. Eine Art Freundschaft stellt sich ein, das Thema Homosexualität wird im wechselseitigen Austausch immer wieder gestreift. Jun verbleibt still in Bezug auf seine wahren Gefühle, Sae ist unterdessen begeistert von der Toleranz des Jungen.
Schnell entwickelt sich Saes Interesse an Jun weiter, sie verliebt sich in ihn. Mit der Unterstützung von Bekannten hat sie schließlich die Gelegenheit, ihre Gefühle gegenüber ihrem Mitschüler auch zu gestehen. Um herauszufinden, ob er Teil der als normal wahrgenommenen Ordnung werden kann, schlägt der Jugendliche eine Beziehung vor. Dass er sich eigentlich zu Männern hingezogen fühlt, verschweigt er …
Visualisierung
Während die Roman-Vorlage von Naoto Asahara stammt, war Mangaka Akira Hirahara mit der hier vorliegenden Manga-Fassung der Geschichte betraut. Bereits das oben gezeigte Coverdesign deutet auf ein markantes Merkmal innerhalb der Bebilderung hin: das Charakterdesign. Die einzelnen Figuren sind in ihrer Gestaltung in gewisser Weise einzigartig. Der recht dünne Körper und die ausgefallene Kopfform sind im Zusammenspiel durchaus ein Blickfang. Diese Komposition wirkt zunächst ungewohnt, aber begeistert im Verlauf der Handlung zunehmend. Es ist einfach mal etwas anderes.
Die Panel-Aufteilung und -Anordnung ist ebenfalls nicht alltäglich, dennoch ist der Seitenaufbau logisch. Vor allem die kleinen Details sind hierbei das Besondere, beispielsweise fallen eine Art ineinander übergehende Bilder, die das Innere von Protagonist Jun visualisieren, auf. An einer Stelle telefoniert der Jugendliche im Schulflur mit seinem Liebhaber, er wird im Verlauf des Gesprächs erregt – das wird auf die zuvor beschriebene Weise verbildlicht.
Der Chat zwischen Jun und dem als Mr. Fahrenheit bezeichneten User ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Handlung, zwischenzeitlich wird eine ganze Doppelseite von dem Messenger-Verlauf der zwei gefüllt. In der Idee ist das simpel wie effektiv, aber doch bislang nahezu ungesehen. Die Optik hält also Innovation bereit, die auch einige langjährige Manga-Fans begeistern dürfte.
Über die minimalistische Hintergrundgestaltung ist in diesem Sinne sehr einfach hinwegzuschauen – insbesondere da diese während des Lesens überhaupt nicht auffällt, der Fokus liegt vornehmlich auf dem Inhalt im Vordergrund. Um sich einen eigenen Eindruck von dem Zeichenstil zu verschaffen, stellt Hayabusa an dieser Stelle eine kostenlose Leseprobe bereit.
Fazit
Mit She likes gay boys but not me hat Hayabusa ein weiteres Queer-Werk mit einer höchstinteressanten Thematik für den deutschsprachigen Raum lizenziert. Der Auftakt führt gelungen in das erklärte Setting ein und weiß durch verschiedene, kaum vorhersehbare und vornehmlich dramatische Wendungen zu glänzen. Eine Coming-of-Age-Erzählung, die die verschiedenen Schwierigkeiten im Leben eines homosexuellen Oberschülers zwar glaubhaft, aber durch Juns Affäre mit dem älteren Familienvater zugleich originell darstellt.
Der Zeichenstil von Akira Hirahara weist auf jeden Fall einen Wiedererkennungswert auf. Individuelle Arten der Bebilderung sind, unserer Meinung nach, mit das Schönste an einem Manga. Dadurch wird dem Werk eine besondere Note verliehen, die auch noch nach dem Lesen mit einer positiven Konnotation im Gedächtnis verbleibt. Genau das ist hier gegeben.
Im Gegensatz zu einigen anderen Hayabusa-Neuheiten ist hier die Erstauflage noch problemlos lieferbar – vielleicht, weil dieser kein gesondertes Extra beiliegt. Das braucht es auch nicht, der Manga glänzt durch eine hochinteressante Geschichte, die in der Tat „realistisch, provokant und hochdramatisch“ ist beziehungsweise eine Fortführung in diese Richtung andeutet. Wie es mit Jun und Sae weitergeht, wird Band 02 zeigen, der hierzulande voraussichtlich zum 28. Dezember im Handel erscheint.
Abschließend bedanken wir uns herzlich beim Team um Hayabusa für die unverbindliche Zurverfügungstellung eines Belegexemplars.