Dirk Rehm von Reprodukt im Interview – über das Manga-Segment, den Start von „Kitaro“, Suehiro Maruo und mehr
Anlässlich der letzten Programmankündigungen von Reprodukt und des Jahreswechsels haben wir erneut mit dem leitenden Verleger Herrn Dirk Rehm ein Interview geführt. Neben den allgemeinen Vorgängen im Manga-Segment des Berliner Independent-Publishers haben wir uns nach konkreten Einzelheiten zum aktuellen und kommenden Programm erkundigt. Auch Shigeru Mizukis Kitaro sowie die Werke von Suehiro Maruo und Taiyo Matsumoto sind Thema.
Nachfolgend kürzen wir uns selbst mit MP ab.
MP: Hallo Dirk! Vielen Dank, dass du dir ein weiteres Mal Zeit für unsere Fragen nimmst.
Der Manga-Markt im deutschsprachigen Raum ist trotz – oder vielleicht gerade wegen – der Pandemie gewachsen. Habt ihr das absatztechnisch ebenfalls gemerkt?
Dirk: Nein, dafür machen wir zu wenig Mainstream-Manga. Unser Umsatz ist im letzten Jahr gewachsen, aber eher geringfügig.
MP: Würdest du uns in diesem Zuge direkt einmal erklären, wie sich die Manga-Verkäufe 2021 bei euch entwickelt haben? Hast du vielleicht sogar einen Vergleich zu 2020 parat?
Dirk: Wir haben ein gemischtes Programm, den Großteil bestreiten wir mit frankobelgischen Comics in deutscher Übersetzung, daneben vor allem Comics aus England und den USA und natürlich deutschen Zeichner:innen. 2021 haben wir unter 58 Neuheiten nur 7 Manga veröffentlicht, 2020 waren es gar nur 3 Manga bei 33 Neuheiten, da erfassen wir die Umsatzzahlen im Verhältnis nicht so genau.
MP: Neben japanischen Titeln habt ihr auch ein breites Angebot an westlichen Produktionen im Katalog. Ist jeder Bereich bei euch unabhängig oder läuft viel über Querfinanzierung? Worauf wir gerne hinaus möchten: Sind Manga für euch zurzeit überhaupt (schon) rentabel?
Dirk: Über eine bestimmte Verkaufsdauer schon, etwa ist Hitler von Shigeru Mizuki vergriffen, die Vorräte von Rote Blüten und Der nutzlose Mann neigen sich zwei bzw. ein Jahr nach Erscheinen dem Ende zu. Das ist erfreulich, aber man kann nicht wirklich von einem großen Verkaufserfolg sprechen, zumal wir die Druckauflage recht vorsichtig geplant haben. Also ja, es läuft (noch) über Querfinanzierung.
MP: Welcher eurer mittlerweile doch ganz zahlreichen Manga hat sich, von den Exemplaren ausgehend, bislang am besten verkauft und worauf schließt du das gegebenenfalls zurück?
Dirk: Hitler von Shigeru Mizuki, über das Thema selbstverständlich.
MP: Eure Titel werden regelmäßig in die Top Ten der deutschen Comic-Bestenliste gewählt. Hat das für euch als kleiner Independent Publisher eine besondere Bedeutung, die sich vielleicht auch finanziell bemerkbar macht?
Dirk: Wir freuen uns darüber sehr und es ist eine große Motivation, die Arbeit der Autor:innen und auch die unsere derart gewürdigt zu sehen. Auf die Absatzzahlen haben die Comic-Bestenlisten allerdings leider keinen nennenswerten Effekt.
MP: Im September ist die deutschsprachige Veröffentlichung von Shigeru Mizukis Kitaro angelaufen. Wie ist der Titel im Vergleich zu euren Erwartungen gestartet?
Dirk: Wir hatten keine großen Erwartungen, wir kannten ja die Verkaufszahlen der anderen Mizuki-Titel. Schön wäre es, wenn Kitaro auch als Anime wieder die Runde macht und Figur und Serie hierzulande insgesamt populärer wird – was sie ohne Frage verdient hat!
MP: Nachdem die ersten drei Kitaro-Bände für überaus günstige 6,90 € angeboten wurden, steigt der Preis für die nächsten drei Bände nun um einen Euro. Welche Gründe stecken hinter dieser Anpassung?
Dirk: Wir haben aus der Fanszene und auch von Händlern gehört, dass wir die ersten drei Bände sehr günstig angeboten haben und alle Seiten gern bereit wären, auch mehr zu zahlen. Die Absicht ist natürlich, durch den günstigen Preis ein möglichst breites Publikum zu erreichen, aber ich denke letztlich nicht, dass ein Sprung von 6,90 EUR auf 7,90 EUR so viel ausmachen wird.
MP: Nach Taiyo Matsumotos GoGo Monster soll bei euch mit Ping Pong nun auch sein wohl bekanntestes Werk auf Deutsch erscheinen. Warum habt ihr euch für die Veröffentlichung entschieden? Sport-Manga werden von einigen Verlegern trotz des Erfolgs von Haikyuu noch immer mit einer gewissen Skepsis behandelt, oder?
Dirk: Wir konzentrieren uns in der Regel auf die Arbeit mit einzelnen Autor:innen und möchten möglichst viele Titel vorlegen, wenn wir einmal mit der Veröffentlichung der Werke einer Autor:in angefangen haben. Bei Taiyo Matsumoto war es naheliegend, nach dem großartigen GoGo Monster mit Ping Pong als seiner sicher bekanntesten Serie nachzulegen. Weitere Werke werden folgen.
MP: Du hattest in einem der letzten Interviews mit uns bereits angeteasert, dass ihr an Suehiro Maruo dran seid. Nun ist die Katze aus dem Sack: Neben Midori – Das Kamelienmädchen wird eine Neuauflage von Der lachende Vampir erscheinen. Glaubst du, dass sich der Manga diesmal besser absetzen wird – und wenn ja, warum?
Dirk: Ich glaube schon, dass das Manga-Publikum seit der Erstveröffentlichung von Der lachende Vampir im Jahre 2004 natürlich gereift ist und auch Horror-Manga heutzutage ihre Leser:innen finden.
MP: Einige haben den ersten Band von Der lachende Vampir bereits vor einigen Jahren gekauft. Was verspricht die nun angekündigte Neuauflage im Gegensatz zu der zuvor veröffentlichten Erstausgabe? Was sind die produktionstechnischen Vorzüge der Neuausgabe? Wird die damalige Übersetzung einfach übernommen oder nehmt ihr noch einmal eine Prüfung und gegebenenfalls Bearbeitungen an dem Text vor?
Dirk: Wir sind gerade dabei, die Übersetzung noch einmal zu überarbeiten und werden auch das Format verändern – etwas kleiner und Hardcover oder Flexicover, das ist noch nicht endgültig entschieden.
MP: Wie steht es um die Veröffentlichung von Band 02 zu Der lachende Vampir? Kannst du dazu etwas Konkretes sagen?
Dirk: Claudia Peter, die Übersetzerin, sitzt gerade am zweiten Band von Der lachende Vampir, den wir für eine Veröffentlichung im Herbst 2022 planen.
Warau Kyuuketsuki © SUEHIRO MARUO 2000 / Akita Publishing Co., Ltd. | SHOUJO TSUBAKI © 2003 by SUEHIRO MARUO / Seirin Kogeisha
MP: Für die, die mit den beiden zuvor genannten Werken, Midori – Das Kamelienmädchen und Der lachende Vampir, und Mangaka Suehiro Maruo bislang noch nicht in Kontakt gekommen sind: Warum lohnt sich deiner Meinung nach das Lesen?
Dirk: Ich denke, wie immer man zu den Inhalten von Suehiro Maruo steht, das Betrachten und Lesen seiner Manga lässt nicht kalt – man kann es mögen oder abgestoßen sein, aber es ruft eine starke emotionale Reaktion hervor und das finde ich zunächst einmal spannend. Besonders die Perfektion seines Zeichenstils übt auf mich eine besondere Faszination aus. Die Kälte und Distanz, die seine Zeichnungen evozieren, finden für mich im westlichen Comic eine Entsprechung in den Arbeiten des Amerikaners Charles Burns – Maruo und Burns setzen in ihren Horrorcomics bzw. -manga grundverschiedene Akzente, aber die Überschneidungen auf der visuellen als auch emotionalen Ebene zwischen ihnen finde ich faszinierend.
MP: Mit Shigeru Mizuki, Yoshiharu Tsuge und nun Susumu Katsumata habt ihr drei bemerkenswerte Künstler erstmals in den deutschsprachigen Raum geholt. Hast du noch weitere hierzulande (bislang) unveröffentlichte Autoren im Auge, die du an dieser Stelle schon nennen oder anteasern kannst und möchtest?
Dirk: Das ist der Fall, aber ich möchte niemanden nennen, bevor ein Vertrag unterschrieben ist.
MP: In diesem Sinne: Gibt es schon konkrete Lizenzvereinbarungen für das Manga-Segment in der zweiten Jahreshälfte 2022, an denen ihr gerade arbeitet? Kannst du bereits abschätzen, wie viele neue Manga-Titel im übernächsten Programm zu erwarten sind?
Dirk: Ich möchte versuchen, die Menge an Neuheiten beizubehalten, wie sie für das Frühjahr 2022 angekündigt ist. Auf jeden Fall geht Kitaro im zweimonatlichen Rhythmus weiter und auch ein neuer Band von Ping Pong wird erscheinen. Auf Der lachende Vampir 02 hatte ich ja schon hingewiesen. Alles andere wird man sehen …
MP: Seitens der Community wurden wir gebeten, dich insbesondere auf Devilman-Autor Go Nagai anzusprechen. Der Zeichner arbeitet in Japan bereits seit über 50 Jahren an einer Vielzahl an Geschichten, gilt daher in Fankreisen als geschätztes Urgestein der Szene. Trotz dessen ist bis heute kein einziges seiner Werke auf Deutsch erschienen. Kannst du dir vorstellen, das mit Reprodukt in absehbarer Zeit zu ändern?
Dirk: Nein, Manga von Go Nagai sind aktuell nicht geplant, genauso wenig wie Crying Freeman von Kazuo Koike und Ryoichi Ikegami, nach dem an anderer Stelle gefragt wurde. Generell lässt sich dazu sagen, dass wir uns auch mit kommenden Veröffentlichungen bevorzugt den Autor:innen im Umfeld von Garo und dem Nachfolgemagazin Ax widmen möchten.
MP: Vielen Dank für deine Zeit und Geduld, unsere zahlreichen Fragen zu beantworten!
Dirk: Sehr gern!