Exklusiv in Preis und Güte: „Sunny“ von Taiyo Matsumoto
Verlag Carlsen Manga bedient regelmäßig mit Special Interest-Titeln das Nischen-Angebot in Deutschland. Kürzlich startete mit Sunny von Taiyo Matsumoto eine wahrlich besondere Reihe, der wir uns im Folgenden annehmen möchten. Hierzulande ist der Japaner insbesondere als kreativer Kopf hinter Werken wie Tekkon Kinkreet und Ping Pong bekannt.
Mit dem benannten Titel legt Autor und Illustrator Matsumoto jedoch den womöglich emotionalsten seiner Manga vor, so basiert dieser teilweise auf autobiographischen Erfahrungen seiner Kind- und Jugendzeit. Die deutschsprachige Veröffentlichung würdigt die Geschichte mit einer entsprechend qualitativen Produktion: Der 224 Seiten umfassende Auftakt wird als eine großformatigen Klappenbroschur veröffentlicht.
Mit Bezug auf die Außenseite entschied man sich für die bekannte Karton-Haptik, diese macht einen wertigen Eindruck. Besonders positiv fällt dabei zudem die Qualität des Papiers auf, welche sich sowohl durch die Dicke als auch die reine weiße Farbgebung auszeichnet. Der schwarz-weiße Inhalt ist darüber hinaus mit mehr als zehn Farbseiten sowie einem Nachwort von Christian Gasser veredelt.
Dies spiegelt sich allerdings auch im Preis von 16 Euro (D) wieder. Hinsichtlich der Verarbeitung erscheint dies – auch in Anbetracht des wenig lukrativen Nischen-Daseins – durchaus angemessen. Doch wie steht es um die Güte des Inhalts? Dieser Frage nimmt sich unsere Redaktion nachfolgend an.
Inhaltsbeschreibung
Mehrere Jungen und Mädchen sind Bewohner des Kinderheims Star Kids, einer kleinen Institution, die sich verlassener Kinder annimmt, deren Eltern entweder verstorben sind oder sich nicht im Stande befinden, Verantwortung für ihr eigenes Fleisch und Blut zu übernehmen. Das freundliche Personal und der angejahrte Direktor des Heims sind kontinuierlich bemüht, den Kindern ein gutes und würdiges Leben zu ermöglichen. Doch ist jeder Einzelne von ihnen mit ernsten Sorgen konfrontiert.
Der vorliegende Manga thematisiert die individuelle Auseinandersetzung der Kinder mit diesen. Ein Vater, dessen einziger Freund der Alkohol ist und eine gesundheitlich angeschlagene Mutter, die im Spital liegt, sind dabei nur zwei von zahlreichen besorgniserregenden Situationen, von denen die Gruppe um Haruo, jenem Jungen mit weißen Haaren, persönlich betroffen ist.
© 2011 Taiyo Matsumoto, Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020
Jedes Kind verfolgt einen eigenen Ansatz, mit den Schwierigkeiten zurechtzukommen. Sunny gibt mit jedem Kapitel einen weiteren, oftmals bedrückenden Einblick in eine weitere junge Biographie, deren Zukunft noch ungewiss ist. Die bisher bekannte Handlung legt die grundlegenden Fakten der Geschichte fest, festigt diese jedoch aber nicht final. Folglich bleiben Fragen nach dem folgenden Geschehen offen. Es ist zu erwarten, dass der zweite Band dahingehend arbeitet.
Zeichenstil
Nicht nur durch seine Inhalte, sondern vor allem aufgrund seinen Illustrationen setzt sich Schöpfer Taiyo Matsumoto von den Mainstream-Manga ab. Seine Erzählungen erfreuen sich einer speziellen Technik der zeichnerischen Darstellung. Bereits das von ihm angewandte Charakterdesign erscheint recht fantastisch, es ist überspitzt, aber als menschlich zu identifizieren.
Weiterentwickelte Skizzen bilden den visuellen Korpus von Sunny – wie auch von anderen Werken des benannten Künstlers. Trotz übersteigerter Optik ist die Mimik ein direkter Spiegel der Gefühlslage der handelnden Charaktere. Hintergründe sind zahlreich enthalten, jedoch weniger pointiert präsentiert. Durch diesen Kontrast stechen die Figuren wirksam hervor.
Auch der Einbezug verschiedener Techniken und Stufen der Kontrastierung leiten zu einem optischen Erlebnis der besonderen Klasse. Mit zahlreichen Farbseiten bedient Verlag Carlsen Manga die Käuferschaft hierzulande zudem mit koloriertem Material, das Fans des Mangakas und den Bewunderern des beschriebenen Zeichenstils auf jeden Fall imponieren wird.
Erzählweise
Das erste Kapitel führt unmittelbar in das Geschehen ein – es erfolgt keine Erklärung. Das Verständnis seitens der Leserschaft ergibt sich aus dem weiteren Verlauf automatisch. So stellt das Publikum bereits nach wenigen Kapiteln fest, dass die Geschichte episodisch verläuft. Obgleich sich das Setting nicht wandelt, kein direkter roten Faden verfolgt wird, gestaltet sich ein jeder Abschnitt neu.
Denn mit jedem neuen Teil rückt Autor Taiyo Matsumoto ein anderes Kind des Star Kids-Kinderheims in den Fokus der Erzählung. Das Wort Fokus ist hierbei allerdings nicht vollkommen präzise. Vielmehr gibt der professionelle Mangaka mit den ersten sechs Kapiteln, die dieser Auftakt umfasst, eine vage Beschreibung der wichtigsten Figuren von Sunny ab. Er stellt genügend Informationen bereit, um die Charaktere empathisch begleiten zu können, offeriert aber zugleich auch Raum für eigene Interpretationen.
Das Kinderheim unterliegt dabei keinen bekannten Stereotypen aus Buch, Film und Fernsehen. Das dortige Personal agiert liebevoll im Umgang mit den Schutzbedürftigen. Trotz dessen verbleibt der Tenor der Geschichte stets melancholisch. Emotionaler Ausbruch ist den Kindern lediglich durch das Fahrzeug geboten, dass zur Reise der Kinder durch die eigenen Imaginationen bereitsteht.
Dahingehend offenbaren sich zugleich die Träume und Vorstellungen der Jungen und Mädchen. In dem winzigen Innenraum des Vehikels sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Der Reiz an dem Geschehen liegt – so schockierend es auch klingen mag – in der Glaubwürdigkeit des Dramas. So gibt das Nachwort an, dass der Schöpfer autobiographische Züge in den Titel einfließen ließ. Matsumoto selbst wurde in eine entsprechende Unterkunft gegeben; bis heute sei er davon traumatisiert. Seine Gefühle liegen den Figuren sicherlich inne.
Fazit
Nicht ohne Grund ist der Titel mehrfach nominiert und ausgezeichnet. So gewann das Werk im Jahr 2016 beispielsweise den Shogakukan Manga Award in der Kategorie des besten Mangas des Jahres. Die Graphic Novel war außerdem für die renommierten Harvey Awards nominiert. Auch unsere Redaktion konnte sich von der Güte überzeugen.
Sunny weiß dabei in doppelter Hinsicht zu gefallen. Einerseits ist der Inhalt, dessen Visualisierung und Storytelling – wie darlegt – besonders positiv zu erwähnen, andererseits ist der deutsche Verlag für die besondere Qualität der Veröffentlichung zu loben. Wenngleich 16 Euro (D) für die Geschichte von Taiyo Matsumoto teuer erscheinen mögen, rechtfertigt die beschriebene Produktion den Preis in vollem Maße.
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Manga-Trailer zu Sunny auf Französisch
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der besprochene Auftakt bereits im deutschsprachigen Handel verfügbar, der zweite Band ist auf den 22. Dezember terminiert. Abschließend bedanken wir uns herzlich bei der Redaktion von Carlsen Manga für die Unterstützung unserer Rezension in Form der Übergabe eines Belegexemplars. Unter dem Link kannst du zwei Innenseiten des Mangas einsehen. Die frei verfügbare Presse-Mappe enthält darüber hinaus weitere Informationen und Einblicke in das Werk.