Interview mit Carlsen Manga! zu „Tokyo Revengers“
Zur Veröffentlichung des ersten Doppelbandes von Tokyo Revengers haben sich Carlsen-Manga!-Redakteurin Britta und Carlsen-Manga!-Programmleiter Kai-Steffen Schwarz Zeit genommen und unsere Fragen zum Deutschland-Release des internationalen Erfolgsmangas beantwortet.
Wir möchten uns bei beiden herzlich für ihre Zeit bedanken. Nachfolgend werden wir Kai-Steffen mit Kai und uns selbst mit MP abkürzen.
MP: Moin Britta und Kai, und danke, dass ihr euch die Zeit für uns nehmt!
Britta und Kai: Gerne doch!
MP: Ihr veröffentlicht den vermutlich meistgewünschten Manga der letzten Jahre nun endlich in Deutschland. Wie genau kam es zu Eurer Entscheidung, dass ihr diesen unbedingt machen möchtet und er perfekt Euer Programm ergänzt?
Kai: Wir hatten uns den TOKYO REVENGERS-Manga – wie viele andere Serien – schon eine Weile angeschaut, der Erfolg der ersten Anime-Staffel und die Nachfragen der Fans haben das Timing natürlich stark beeinflusst. Über die Qualität der Serie besteht ja kein Zweifel. Inhaltlich ist TOKYO REVENGERS sicher auch eine Art Link zwischen bekannten Action-Serien und etwas erwachseneren Stoffen, in einem realistischen Setting. Das ist ein Bereich, den wir programmatisch bisher nicht so stark bespielen.
MP: Der Manga erscheint ja schon seit 2017 in Japan. Seid ihr bereits auf den Titel aufmerksam geworden, bevor die Beliebtheit mit dem Anime gewaltig stieg? Und wenn ja, woran lag es, dass der Manga erst jetzt erscheint?
Kai: Ja, spätestens mit dem Erscheinen der französischen Edition habe ich mich etwas intensiver damit beschäftigt, das war 2019. Jugendgangs im Manga kennen wir ja spätestens seit PERSONAL PARADISE von Melanie Schober – ich nehme an, die sieben Bände haben hoffentlich alle gelesen? 😉 Dass ein Manga um eine japanische Jugendgang in dieser Form ein wirklich großes Manga-Publikum bei uns finden könnte, konnte ich mir vor ein paar Jahren aber noch nicht vorstellen, zu der Zeit standen für uns bei der Lizenz-Sichtung andere Serien stärker im Vordergrund. Die Anime-Adaption hat bei den Fans dann letztes Jahr riesiges Interesse erzeugt, in Japan und natürlich auch hier bei uns.
Zwei Punkte waren dann besonders tricky für unsere Entscheidungsfindung: die Länge der Serie in Japan – mit bereits über 20 Bänden – und die Frage nach der Darstellung des Manji-Symbols im Manga. Die Bandzahl spielt eine gewichtige Rolle, weil sie (falls nicht so beliebt wie erwartet) das ökonomische Risiko für den Verlag stark erhöhen kann, und weil man für die deutschen Ausgaben ja den Originalveröffentlichungen auch nicht jahrelang „hinterherlaufen“ möchte. Mit Kodansha konnten wir uns dann schnell auf die Lösung mit den Doppelbänden einigen. Bei der Darstellung des Manji-Symbols hingegen war es uns extrem wichtig, hochsensible Fragen – auch rechtliche – im Vorfeld zu klären.
MP: Direkt am Anfang des Mangas ist ausführlicher Hinweis zum Thema Manji enthalten. Auf dieser Sonderseite widmet ihr euch ganz dem Thema. Plant ihr hier regelmäßig zu „sensibilisieren“? Wird dieser Hinweis auch in allen kommenden Bänden zu finden sein?
Kai: Ja, so ist es geplant – in jedem Band der Serie – um möglichst alle zu informieren, die auch nur zufällig mal in einen Band hineinblättern, z. B. wenn sie einen Band für jemand anderen mitbringen oder verschenken wollen. Wer noch nicht reinschauen konnte, kann sich zur Thematik auf unserer Website einlesen.
MP: Ihr habt für den Titel eine Altersempfehlung ab 14 Jahren angegeben. Kannst du vielleicht Eure Entscheidung hierzu begründen, warum ausgerechnet 14 und nicht beispielsweise 16 Jahre?
Britta: Wir wollten die Bände nicht einschweißen, das halten wir bisher nicht für nötig. Vielleicht hätte man die Empfehlung auch auf „ab 15 Jahre“ setzen können. Die Darstellung von gewalttätigen Szenen, etwa bei Gang-Prügeleien in der Geschichte, entsprechen aber nicht den z. T. härteren Szenen in von uns „ab 16“ empfohlenen Manga. Wir schließen aber nicht per se aus, dass spätere Bände vereinzelt ab 16 Jahren gelabelt werden könnten.
MP: Bislang ist bis zum dritten Sammelband der Release vorgeplant. Für den zweiten Band eurer Sammelbandausgabe habt ihr bereits angekündigt, dass es voraussichtlich ein Extra geben wird. Kannst du vielleicht sagen, ob hier in Zukunft ebenfalls weitere Extras geplant sind? Eventuell ja wie bei My Hero Academia, in jedem zweiten Band?
Britta: Bisher ist das nur für Band 2 geplant – alles weitere werden wir sehen.
MP: Was einige vielleicht auch brennend interessieren dürfte, sofern du dazu etwas sagen kannst: In einem Interview mit der Alfonz wurde vor einiger Zeit, gesagt, dass ihr teilweise eine Auflage von 25.000 Exemplaren habt. Habt ihr diese Grenze für Tokyo Revengers nun überschritten, oder in welchem Bereich bewegt sich die erste Auflage?
Kai: Ja, haben wir, und zwar deutlich! Die Serie ist schon länger sehr stark nachgefragt und unser Promo-Schwerpunkt. Doppelband 1 hat ja zudem einen zeitlich befristeten Einstiegspreis (8,- Euro/D bis zum 31. Oktober), und schnell nachzudrucken ist bei der aktuellen Papier- und Produktions-Situation schwierig. TOKYO REVENGERS ist deshalb mit 70.000 Exemplaren gestartet, das ist unsere höchste Manga-Startauflage seit 20 Jahren – ich glaube, nur DRAGON BALL lag damals während der ersten Welle kurzzeitig mal auf diesem Level!
MP: Hast du selbst einen Lieblingsmoment oder Charakter, durch den du direkt zum Fan der Serie wurdest?
Kai: Das kann ich für mich so klar gar nicht sagen – zumindest würde ich es nicht nur an einer Figur festmachen. Mich persönlich fasziniert ja gerade die Tatsache, dass TOKYO REVENGERS gleich eine ganze Gruppe mitunter ambivalenter und lebensnaher Charaktere präsentiert. Anfangs z. B. war mir Takemichi nahe, gerade entwickelt sich Draken zu meinem „persönlichen Liebling“. Durch den Kniff mit dem Zeitsprung lernt man ja die Figuren Stück für Stück kennen und erfährt auch mehr aus ihrer Vergangenheit. Ich kenne aber auch noch nicht die ganze Serie und bin wirklich extrem gespannt, wie Ken Wakui die Geschichte und Charaktere im weiteren Verlauf entwickelt.
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MP: Gibt es bei der Lokalisierung des Titels irgendwelche Hürden oder Dinge die ihr / der Übersetzer – vor allem durch den regelmäßig auftretenden Zeitsprung um zwölf Jahre – beachten muss?
Britta: TOKYO REVENGERS wird großartig von Martin Bachernegg übersetzt, der unheimlich gewissenhaft und ausführlich recherchiert (bei allen Manga-Titeln, an denen er arbeitet). Zudem macht Autor Ken Wakui dem Leser visuell den Zeitsprung leicht: die Moden, Handymodelle, Schnitt und Sitz der Schuluniform etc. pp. sind den jeweiligen Dekaden angepasst und tragen viel dazu bei, die Stimmung aufzubauen. Natürlich erleichtert es die Bearbeitung, wenn sich das redaktionelle Team noch an Klapphandys erinnern kann und wie man sich auf einem Mofa fühlt (da war man so lame wie Takemichi). 😊 So fällt es leicht, an einigen Stellen den Slang der Zeit wieder auszupacken.
MP: Die Serie erscheint bis auf die Coverdesigns vollständig unzensiert. Spiegelt sich dies auch bei der Lokalisierung / Übersetzung wieder oder wurde hier versucht, beispielsweise die Charaktere nicht zu ausfallend werden zu lassen, um kein schlechtes Vorbild für jüngere Leser zu sein?
Britta: Schimpfwörter können eine wahre Kunst sein, da kann man reichlich kreativ werden, ohne dass man sich ständig wiederholen muss. Jugendliche in dem Alter fluchen ja mitunter sehr gerne. Wir zensieren nicht unbedingt per se, Übersetzer und redaktionelles Team achten aber auf stimmige (und zeitlich für den Charakter passende) Abwechslung.
MP: Danke für das Interview.
Britta und Kai: Gerne!