Interview mit Manga JAM Session – über den Weg zum Verlag und das aktuelle Programm
Passend zur aktuellen Crowdfunding-Kampagne von Manga JAM Session durften wir mit Geschäftsführer Taito Yoshino ein Interview über die Anfänge und Gründung sowie die aktuellen Print- und E-Book-Titel des Verlags führen.
Nachfolgend werden wir Taito Yoshino mit Taito und uns selbst mit MP abkürzen.
MP: Hallo Taito und danke, dass du dir die Zeit für uns nimmst.
Taito: Hallo! Und tut mir sooo leid, dass ich ewig lang gebraucht habe, bis ich für das Interview bereit war. Wie ich irgendwo schon mal gesagt habe, habe ich als der Chef des Start-Up-Manga-Verlags immer wirklich so viel zu tun, dass ich seit drei Jahren jeden Tag über zehn Stunden arbeite und keinen freien Tag gehabt habe.
Aber das Interview ist für uns eine gute Chance, uns mehr Leuten vorzustellen. Vielen Dank für diese Gelegenheit!
MP: Wie genau kam es dazu, dass du Manga JAM Session gegründet hast? Was war ausschlaggebend beziehungsweise der entscheidende Punkt, wo du dachtest „Okay, so wird das jetzt gemacht“? Und wie lang hat es von dieser Idee und dem Plan bis zur fertigen Realisierung gebraucht?
Taito: Ich bin eigentlich für mein Studium von Japan nach Wien gekommen. Ich habe Germanistik studiert und zu dem österreichischen Schriftsteller Robert Musil und über Phänomenologie geforscht.
Da ich auch ein Manga-Fan bin und mit Manga Deutsch lernen wollte, habe ich in Wien einen Comicladen besucht und meine Lieblingsmanga gesucht. Ich habe dort zum ersten Mal gemerkt, dass diese gar nicht auf Deutsch publiziert werden. Da habe ich mich gefragt, ob ich selbst irgendwie Manga auf Deutsch publizieren könnte, weil ich zumindest ein bisschen Deutsch verstehe.
Seitdem habe ich jeden Tag neben dem Studium Stück für Stück recherchiert, wie man Manga bearbeitet und als E-Book publiziert, da ich kein Geld hatte, Manga zu drucken. Die Idee, einen Manga als E-Book zu publizieren, ist mir 2017 eingefallen, aber es war erst 2018, als ich sie realisieren konnte. Damals hat niemand geglaubt, dass ein Japaner, der nicht gut Deutsch sprechen kann, wirklich Manga auf Deutsch publizieren kann. Deswegen musste ich alles alleine recherchieren und lernen. Ich habe alles über Lizenzen, Lettering, Bildbearbeitung, Programme für die E-Book-Datenerstellung, Anmeldungen bei Onlineshops etc. gelernt.
Da die Übersetzer*innen, die den ersten Manga übersetzt haben, keine Profi-Übersetzer*innen waren, wussten sie nicht, wie sie japanische Lautmalereien übersetzen sollen. Jeden Abend habe ich nach der Uni mit deutschen Manga von anderen Verlagen deutsche Lautmalerei und Rechtschreibung aus Manga gelernt.
Außerdem war es sehr schwierig, Manga zu finden, die ich auf Deutsch publizieren darf. Natürlich verkaufen japanische Verlage einer privaten Person, die keine Erfahrung hat, keine Lizenzen. Ich habe also die Mangaka gefragt, die privat ihre Manga veröffentlichen und deren Werke ich toll fand, und habe sie mit meiner Leidenschaft überredet.
Auf diese Weise konnte ich endlich einen Manga als E-Book publizieren. Damals hatte ich wirklich nur wenige Leser, aber es war für mich eine große Freude, dass jemand einen Manga liest, den ich selbst auf Deutsch publiziert habe. Deswegen habe ich angefangen, einen weiteren E-Book-Manga zu produzieren.
Und als drittes Werk habe ich dann mit Ab sofort Schwester! (jap.: Oniichan wa Oshimai!) begonnen. Übrigens: Ab sofort Schwester! bekommt eine Anime-Adaption, der Anime wird in Japan im Januar 2023 ausgestrahlt. Ich muss dem Autor NEKOTOFU für immer danken, dass er mir, der keine Erfahrung mit dem Verlegen hatte, die deutsche Ausgabe überlassen hat. Ich habe alles für das Werk getan, was ich konnte.
Ich habe dann Instagram angefangen und eine eigene Webseite gemacht. Stück für Stück habe ich neue Leser gefunden. Damals habe ich für Instagram und die Webseite angefangen, den Namen „Manga JAM Session“ zu verwenden. Mittlerweile hat Ab sofort Schwester! in der Shonen-Kategorie beim Amazon-Bestseller-Ranking Platz 1 gewonnen. Platz 2 und 3 waren One Piece und NARUTO. Japaner, die das gesehen haben, haben online geschrieben, dass deutsche Manga-Fans verrückt sind.
Dann habe ich von vielen Lesern gehört, dass sie Ab sofort Schwester! als Print-Manga lesen wollen. Ich habe auch gedacht, dass Ab sofort Schwester! ein Manga ist, der mehr verbreitet werden sollte. Da habe ich mich entschlossen, Manga JAM Session als eine Firma zu gründen. Das war 2019.
Aber auch hier war es wieder voll schwierig, einen Manga zu drucken und zu vertreiben. Bis ich letztes Jahr einige Mitarbeiter gefunden habe, haben mir nur ein paar Übersetzer und ein Designer manchmal geholfen. Da keiner geglaubt hat, dass ich Manga gedruckt publizieren kann, habe ich alles alleine recherchiert: wie man Druckdaten bearbeitet, wo man Manga drucken kann, wie viel es kostet, wie man die Bücher liefern kann, welche Buchhandlungen es gibt und was der Großhandel ist. Ich habe ein Jahr gebraucht, bis ich schließlich bereit war, die Printausgabe zu publizieren. Für den Druck und die Lizenz der Printausgabe habe ich noch immer große Schulden. Weil wir nicht wie andere große Verlagen stark werben und vertreiben können, brauchen wir eine lange Zeit, den Umsatz in die schwarzen Zahlen zu bringen.
Meine Mitarbeiter, die Teilzeit arbeiten, bekommen weiterhin nur ein winziges Gehalt, meine Schulden werden immer größer. Wir sind in der Gefahr des Bankrotts. Aber unsere Leser warten auf unsere Manga. Deswegen haben wir vor kurzem eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um weiter Manga publizieren zu können.
Es war ein langer Weg, aber jetzt habe ich motivierte Mitarbeiter gefunden und wir arbeiten nur mit der Liebe an Manga! Auch wenn wir noch kein gutes Geschäft gemacht haben, sind wir auf unsere Manga und unsere Arbeit stolz. Weil die Manga viel Spaß machen und unsere Leser uns viel unterstützen und aufmuntern, habe ich auch in dieser schwierigen Situation nicht aufgegeben, Manga zu publizieren. Das ist die Geschichte von Manga JAM Session.
MP: Ihr habt bereits 2018 und 2019 mit The Game of Life, Partymonster und Die Weißmagierin Syrup die ersten E-Manga veröffentlicht. Zu beiden sind nun seit Längerem keine neuen Kapitel veröffentlicht worden, woran liegt das?
Taito: Es tut mir für den Autor und das Werk so leid, dass ich The Game of Life unterbrochen habe. Damals haben die Übersetzer*innen keine Zeit mehr gehabt und ich musste das Projekt unterbrechen. Aber ich will das Werk irgendwann bis zum Ende publizieren. Partymonster ist ein kurzer Manga, der aus circa 40 Seiten besteht. Wir haben es also bis zum Ende publiziert. Herr Chilt, der Autor von Die Weißmagierin Syrup hat inzwischen begonnen, neue Manga zu zeichnen und ist daher sehr beschäftigt. Wir warten darauf, dass er wieder Zeit für uns hat.
MP: Gerade bei Die Weißmagierin Syrup wurde hin und wieder Interesse an einer Print-Veröffentlichung bekundet. Plant ihr dahingehend bereits etwas?
Taito: Wir möchten auch diesen Manga in Print publizieren. Aber ja, wie gesagt, der Autor ist sehr beschäftigt …
MP: Mit Ab Sofort Schwester habt ihr den ersten Schritt in das Print-Segment gewagt. Der dritte Band erschien hierzulande im September. Wisst ihr bereits, wann Band 04 folgen soll?
Taito: Weil uns viele Leute beim Crowdfunding unterstützen, können wir Ab sofort Schwester Band 04 noch dieses Jahr veröffentlichen. Wir müssen noch die Daten bearbeiten, den Drucktermin ausmachen und den Titel beim Vertrieb anmelden, aber wir möchten Band 04 im November publizieren. Da Ab sofort Schwester! im Januar 2023 eine Anime-Adaption bekommt, freuen wir uns darauf, dass das Werk bekannter wird.
Um diesen Inhalt sehen zu können, musst du der Verwendung von Cookies für YouTube zustimmen.
MP: Auch auf den zweiten Band von Wakaba im Kino warten viele Fans. Wisst ihr bereits, wann ihr diesen veröffentlicht?
Taito: Es tut uns so leid, dass wir so lange brauchen, um Band 02 zu publizieren. Auch Wakaba im Kino Band 02 möchten wir gerne im November herausgeben. Der zweite Band ist zugleich der letzte Band. Wakaba ist eine kurze, schöne, interessante Geschichte. Es freut uns, dass ihr euch auf den Band freut.
MP: Man hört hin und wieder von den Auflagenhöhen der großen Verlagshäuser. Möchtest du uns vielleicht verraten, wie hoch diese bei euch ausfallen?
Taito: Das ist ein Geheimnis.
MP: Ihr habt vor einer Weile einige neuen Lizenzen vorgestellt, auch verschiedene E-Book-Lizenzen wie TenPuru waren mit dabei. Wie kam es zu der Entscheidung, welche Titel vorerst nur digital erscheinen und welche gedruckt? Wie kann man euch hier unterstützen, sodass ihr darüber nachdenkt, die entsprechenden Titel auch in gedruckter Form zu veröffentlichen?
Taito: Fabiniku, Verbotene Allianz und Der Held ohne Klasse publizieren wir als Print und E-Book. TenPuru, Time Stop Hero und A Mangaka’s Weirdly Wonderful Workplace publizieren wir nur als E-Book. Wir möchten auch all diese Titel als Print publizieren, aber das entscheidet der japanische Verlag. Aber wenn sich die E-Books gut verkaufen, haben wir sicher eine Chance, die Titel auch zu drucken.
MP: Wie geht ihr bei der Lizenzauswahl vor? Welche Rolle spielen bei euch Genre, Demografie und der persönlicher Geschmack?
Taito: Wir können als kleiner Manga-Verlag noch nicht so frei die Lizenzen auswählen. Dass wir trotzdem die Lizenzen von so guten Titel erwerben konnten, ist wie ein Wunder. Wir haben momentan kein Geld für neue Lizenzen, aber wünschen uns weiterhin nur Lizenzen von interessanten Titeln. Die Frage des Genres ist dabei nicht so wichtig. Ich persönlich möchte Lizenzen von Manga kaufen, die auch Erwachsenen Spaß machen. Manga ist nicht nur etwas für Kinder. In Japan lesen auch Erwachsene Manga, das ist ganz normal.
MP: Ihr habt seit diesem Jahr eure Auslieferung auf AV-Visionen umgestellt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Taito: Wir haben früher mit einem anderen Vertriebspartner zusammengearbeitet, aber haben von vielen Comicläden gehört, dass sie wegen den teuren Versandkosten unsere Manga nicht bestellen können. Damit Buchhandlungen unsere Manga bei Arvato (der Verlagsauslieferung) mit Manga aus anderen Verlagen zusammen bestellen und damit Versandkosten sparen können, haben wir unseren Vertriebspartner gewechselt.
MP: Aktuell hört man viel von der Papier- und Rohstoffknappheit. Wie sehr seid ihr davon betroffen?
Taito: Ja, voll. Die Druckkosten haben sich um 10 bis 20 Prozent erhöht. Für uns, einen kleinen Verlag in der Entwicklungsphase, ist das ziemlich hart.
MP: Wie kann man euch am besten unterstützen? Plant ihr vielleicht einen eigenen Onlineshop oder dergleichen in Zukunft?
Taito: Wenn ihr unsere Manga kauft, lest und anderen eure Eindrücke schildert, unterstützt ihr uns und unsere Manga schon sehr. Wir hätten künftig gerne unseren eigenen Onlineshop, aber am wichtigsten ist aktuell, dass unsere Manga in noch mehr Buchhandlungen kommen. Wenn man uns noch mehr unterstützen will: Wir haben kürzlich eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Es würde uns sehr freuen, wenn ihr uns, einem kleinen Verlag, dabei helfen könnt, weiter Manga zu publizieren.
MP: Vielen Dank für das Interview.
Taito: Wir danken euch allen und Manga Passion. Verbreiten wir gemeinsam mehr Manga im deutschsprachigen Raum!