Interview mit Coffee – Mangaka von „Wandance“
Passend zum Deutschland-Start von Wandance durften wir mit Mangaka Coffee ein Interview zur Entstehung und Arbeit an der Reihe führen. Auch seine eigenen Erfahrungen als Tänzer sind Thema.
Wir möchten uns sowohl bei Manga Cult für die Gelegenheit als auch bei dem japanischen Verlag Kodansha, der das Interview genehmigt hat, herzlich bedanken. Unser großer Dank für die Beantwortung der Fragen und die damit verbundene Zeit gilt zudem Coffee-sensei selbst. Nachfolgend werden wir uns mit MP abkürzen.
MP: Hallo Coffee-sensei und vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen.
Coffee-sensei: Vielen Dank auch.
MP: Sie arbeiten unter dem Künstlernamen „Coffee“. Wir fragen uns, wie Sie zu diesem Pseudonym gekommen sind. Sind Sie Kaffeeliebhaber, Sensei?
Coffee-sensei: Einerseits klingt er wie ein Teil meines richtigen Namens. Andererseits kostet es mich immer Mühe, Leuten, die ich das erste Mal treffe, meinen Namen zu erklären, da die Lesung der Schriftzeichen schwierig ist. Deshalb wollte ich gegenteilig dazu ein Nomen als Künstlernamen auswählen, das jeder versteht. Ich persönlich finde, dass „Kaffee“ das coolste 2-Kanji-Kompositum ist, das es gibt. Ich trinke auch jeden Tag Kaffee, insbesondere während der Arbeit ist das notwendig. Früher habe ich in etwa zehn Tassen pro Tag getrunken. Da ich aber anfing, mich chronisch schläfrig zu fühlen, habe ich erstmal auf Koffein verzichtet. (Die Kopfschmerzen durch Entzugserscheinungen waren furchtbar.) Ungefähr einen Monat lang konnte ich erfolgreich auf Kaffee verzichten. Aber als ich nach langer Zeit wieder welchen trank, schmeckte er einfach zu gut. Letztendlich trinke ich jetzt wieder etwa fünf Tassen pro Tag. Ich trinke kaum Alkohol und rauche nicht, aber für Koffein habe ich eine Vorliebe.
MP: Könnten Sie uns in diesem Zuge auch erklären, wie Sie überhaupt Mangaka geworden sind?
Coffee-sensei: Mit circa 15 Jahren wollte ich Tänzer werden. Bis ich ungefähr 19 war, habe ich getanzt, aber mir wurde klar, dass ich weder musikalisch bin noch ein gutes Gefühl für Körperkoordination habe und scheiterte. Ich wollte etwas anderes Kreatives machen und fing an, Manga zu zeichnen, da ich schon immer gerne gelesen habe. Zufällig passte genau das zu mir. Als ich das bemerkte, war es zu meinem Beruf geworden.
MP: Aktuell arbeiten Sie an Wandance, darin geht es um das Tanzen. Was hat Sie dazu inspiriert, gerade zu diesem Thema einen Manga zu machen?
Coffee-sensei: Als jugendlicher Manga-Leser habe ich mir immer gewünscht, dass es einen Streetdance-Manga gibt. Es ärgerte mich, dass es kein Werk gab, welches man annähernd erfolgreich hätte nennen können. Letztendlich dachte ich, dass es wirklich zu schwierig sei, realistischen Streetdance in einem Manga darzustellen. Aber als ich mit circa 28 / 29 Jahren ein neues Werk zeichnen musste, schwebte mir für Themen, bei denen ich meine eigenen Erfahrungen einfließen lassen konnte, ein Tanz-Titel vor und hatte die Eingebung: „Wenn nicht jetzt, wann dann?" So stellte ich mich der Herausforderung.
MP: Sie selbst tanzen ebenfalls. Wann und wie haben Sie damit begonnen? Am Anfang wird Wanda gefragt, warum Sie tanzt: Was würden Sie an ihrer Stelle antworten?
Coffee-sensei: Ich wollte schon immer andere Dinge tun als andere Leute. Da auf dem Land, wo ich gelebt habe, damals kaum einer tanzte, fing ich an, mir DVDs anzusehen. Später ging ich in Studios und kam nach Osaka, um es zu lernen. Ich tanzte lange in den Stilen Locking und Popping. In der Mittelschule war ich der Einzige, der tanzte, in der Oberstufe waren wir zu dritt. Deshalb würde mein damaliges Ich die Frage an ihrer Stelle wahrscheinlich mit „Weil es kein anderer macht“ beantworten. Heute würde ich wohl sagen: „Weil es Spaß macht“.
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MP: Könnten Sie uns Ihre Recherche zu Wandance schildern? Schauen Sie sich alle Tänze, die Sie im Manga zeigen, vorher an? Tanzen Sie diese eventuell auch selbst?
Coffee-sensei: Als Tänzer habe ich mich in einigen Stilen versucht, sodass ich die grundlegenden Schritte und die Atmosphäre gut kenne. Bei tiefergehenden Abschnitten zu Taktgefühl und den Tänzer-Episoden frage ich des Öfteren Tänzerinnen und Tänzer und zeichne es dann. Insbesondere in den Stilen Jazz, Krumping, Voguing und Waacking habe ich wenig Erfahrungen und möchte dazu zukünftig mehr recherchieren. Am Anfang habe ich aufgenommene Videos oder Fotos von Tänzerinnen und Tänzern zur Recherche herangezogen. Später habe ich angefangen, selbst Posen aufzunehmen und diese zu skizzieren. Speziell bei den Tanzszenen von männlichen Charakteren verwende ich diesen Ansatz.
MP: Wie wählen Sie die Musik aus, die Sie in die Handlung einbinden? Im ersten Band finden beispielsweise Songs von Bruno Mars, Ed Sheeran und Shawn Mendes Erwähnung – allesamt westliche Interpreten. Inwiefern verbinden Sie Popmusik aus Übersee mit Streetdance?
Coffee-sensei: Zu Beginn habe ich darauf geachtet, Lieder auszuwählen, die leicht zu tanzen und bekannt sind. Ich wählte die Songs aus einer selbsterstellten Liste von Liedern, die beliebt waren und von verschiedenen Studios in Choreografie-Videos auf YouTube verwendet wurden, aus. Ich dachte, wenn ich unvermittelt Hardcore-Lieder auswähle, könnten die normalen Leser vielleicht keinen Zugang dazu finden. In letzter Zeit wähle ich Lieder, die bei Tänzern beliebt sind, ohne mir allzu viele Gedanken zu machen. Zum Glück gibt es eine ganze Reihe von Lesern, die Playlists mit Liedern aus dem Werk auf Spotify oder Apple Music erstellen und sie beim Lesen hören. Aber manchmal klagen sie, dass die von mir ausgewählten Songs nicht auf Spotify zu finden sind.
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MP: Würden Sie uns und unserer Leserschaft erklären, wie ein normaler Arbeitsalltag, beziehungsweise ein „normaler“ Monat, bei Ihnen aussieht? Welche Materialien benutzen Sie in den einzelnen Produktionsschritten für Ihre Arbeit an Wandance?
Coffee-sensei: Die Deadline ist in der Regel am 10. oder 11. eines jeden Monats.
- Bis zum 15. herum zeichne mit einem Frixion-Kugelschreiber kleine Storyboards in ein kleines Notizbuch.
- Bis zum 20. herum fertige ich auf meinem Wacom MobileStudio Pro 13 mit CLIP STUDIO die Reinzeichnung des Storyboards an, die sich mein Redakteur anschaut.
- Bis zum 27. herum zeichne ich mit einem normalen 2B-Druckbleistift Skizzen auf Konzeptpapier von ART COLOR und mache Aufnahmen von meinen Posen und so weiter für die Tanzszenen.
In den verbleibenden Tagen ziehe ich die Konturen nach und mache den Feinschliff. Wenn ich im Coworking-Space zeichne, dann benutze ich mein Wacom MobileStudio Pro 13, zuhause arbeite ich an meinem PC und Wacom Cintiq 16 FHD. Ich wechsle meinen Arbeitsort, je nachdem, wo ich mich gerade inspirierter fühle.
MP: Haben Sie Vorbilder, die Sie bei Ihrer Arbeit als Mangaka inspirieren? Gibt es vielleicht auch andere Werke, etwa Manga, Aufführungen oder Filme, aus denen Sie neue Impulse für Wandance gewinnen?
Coffee-sensei: Da gibt es viele. Zur Zeit des ersten Kapitels von Wandance habe ich mit meinem Redakteur die erste Folge der damals populären US-amerikanischen Serie Glee geschaut und als Referenz genutzt.
Ich bin tief beeindruckt von Scatman, wie er sein Stottern in Entertainment umgewandelt hat. Das ist aber eher mein persönliches Empfinden. Deswegen weiß ich nicht, ob es in Zukunft als Tanz dabei sein wird, obwohl Scatman bereits im Werk vorkommt. (lacht)
Als Tänzer mag ich den Stil von Les Twins sehr. Die Kombinationen und Körper, die nur Zwillinge erreichen können, ihre herausragende Musikalität und Originalität. Ich glaube, anstelle von Hip-Hop könnte man sagen, sie haben vielmehr ein eigenes Genre namens Les Twins kreiert.
Was die Darstellung der Tanzszenen anbelangt, so habe ich mich in der Anfangszeit häufig an dem Oneshot DAMAISM orientiert, einem Manga über Kendama*. Er ist stylish mit groben Linien gezeichnet und ich lese ihn von Zeit zu Zeit immer wieder.
Darüber hinaus habe ich für die Darstellung der Tanzszenen auch das Buch „Körper zeichnen für Concept Artists“** herangezogen. Dieses Buch wurde von einem Künstler geschrieben, der wie ich ohne jegliche Kenntnisse im Zeichnen und der Malerei zum Profi wurde. Er schrieb das Buch, nachdem er das Zeichnen gründlich erlernt hatte. Weil unsere Ausgangssituationen ähnlich waren, war es für mich leicht verständlich.
* Anmerkung der Redaktion: Kendama ist ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem eine an einer Schnur hängende Kugel aufgefangen werden muss.
** Im Original: Concept Artist no tame no Jintai Drawing – コンセプトアーティストのための人体ドローイング
MP: Sie sind bereits einige Jahre als Mangaka aktiv. Sie erhalten sicher viele Zuschriften. Gibt es womöglich einen Leser-Kommentar, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist und Sie gegebenenfalls bei Ihrer Arbeit beeinflusst hat?
Coffee-sensei: Das hatte ich noch nicht. Aber seit ich mit diesem Manga begonnen habe, bekomme ich aus irgendeinem Grund oft Nachrichten mit der Frage „Ich möchte Mangaka werden, was sollte ich am besten tun?“
Ich hatte auch noch nie Prominente, die angegeben haben, meine Leser zu sein. Aber über Wandance haben viele Musiker, Künstler und so weiter von überall her berichtet. Das freut mich sehr.
Es gab sogar einen B-Boying-Tänzer, der tatsächlich Kabe-chans Bewegung mit verbundenen Augen tanzte und mir ein Video davon geschickt hat. Ich war sehr beeindruckt, dass etwas, was ich für fiktiv hielt, auch wirklich umgesetzt werden konnte. Ich finde insbesondere die Ambitionen der B-Boying-Leute, Dinge zu versuchen, die unmöglich erscheinen, großartig.
Mich rührte auch, als mir Tänzerinnen und Tänzer während der Recherche erzählt haben, dass sie durch diesen Manga Methoden gelernt haben, wie man Dinge im Unterricht gut erklärt. Oder dass der Manga Leuten tatsächlich Mut gemacht hat, als sie nach ihrem Schulabschluss mit der Entscheidung ihrer zukünftigen beruflichen Laufbahn zu kämpfen hatten.
MP: Haben Sie zum Abschluss noch ein paar Worte an Ihre deutsche Leserschaft?
Coffee-sensei: Ich denke, dass dieser Manga wahrscheinlich einige kulturell einzigartigen Aspekte der japanischen Tanzszene enthält und es Unterschiede zur deutschen Tanzkultur gibt. Aber ich würde mich freuen, wenn ihr auch diese Unterschiede genießt, während ihr den Manga lest. Es ist nur meine persönliche Wahrnehmung, aber wenn ich mir deutsche Filme ansehe, habe ich oft das Gefühl, dass die Figuren den Japanern charakterlich sehr ähnlich sind. Deshalb würde ich mich freuen, wenn die Charaktere bei euch viele Sympathiepunkte sammeln könnten!
MP: Vielen Dank für das Interview.
Coffee-sensei: Vielen Dank.