Interview mit papertoons – der Weg zum eigenen Verlag und das erste Programm
Passend zu dem kürzlich gegründeten Verlag papertoons durften wir mit den zwei Geschäftsführern, Lea Heidenreich und Michael Schuster, ein Interview führen. Dabei erzählen die beiden unter anderem, wie sie von Manga Cult zu papertoons gekommen sind und weshalb sie sich für Webtoons entschieden haben. Auch erste Details zu den geplanten Veröffentlichungen zu Beginn des nächsten Jahres sind Thema.
Nachfolgend werden wir Lea Heidenreich mit Lea, Michael Schuster mit Micha und uns selbst mit MP abkürzen.
MP: Hallo Lea, hallo Micha. Schön, dass ihr Zeit für uns gefunden habt und euch die Verlagswelt nicht verloren hat.
Micha: Hi Maximilian! Schön, dass auch du dir immer noch Zeit für uns nimmst bzw. dass die Mangawelt uns noch nicht vergessen hat.
MP: papertoons: Wie kam es dazu? Wann begann die Planung, die Idee dahinter? Und wann war für euch klar: „Okay, ab jetzt geht es los, das machen wir?“
Lea: Micha und ich haben vom ersten Tag an bei Manga Cult wahnsinnig gut zusammengearbeitet. Wir haben sehr ähnliche Vorstellungen davon, was ein erfolgreiches Programm ausmacht. Natürlich haben wir also immer wieder mal darüber fantasiert, wie es wohl wäre, etwas ganz Eigenes aufzubauen. Konkret angefangen zu planen haben wir aber tatsächlich erst im November 2021, nachdem wir bei Manga Cult weg sind.
Micha: Und die Idee dahinter? Zum einen hatten wir ja bereits bewiesen, dass wir Manga können, und daher wollten wir etwas Neues probieren. Außerdem ist der Markt mittlerweile doch recht voll geworden. Gleichzeitig zeigt der Erfolg von Webtoons wie Solo Leveling ja, wie viel Potential an dieser Stelle noch ist. Und wir wollten natürlich auch keine direkte Konkurrenz zu Manga Cult aufbauen – dann hätten wir ja bleiben können.
MP: Wieso der Name papertoons? Einfach weil ihr den Fokus auf Webtoons im Printbereich legen möchtet oder steckt vielleicht noch mehr dahinter?
Micha: Nein, das hast du so schon richtig erkannt. Da steckt nicht mehr dahinter. Wir waren auf der Suche nach einem Namen, der eben genau das schafft: auf den ersten Blick jedem klarmachen, um was es eigentlich geht. Scheint ja zu funktionieren.
Lea: Wir hatten eine lange Liste mit Titelideen, von denen auch viele Koreanisch waren – aber Webtoons sind nun mal mehr als nur Manhwa, deshalb war es uns wichtig, einen Namen zu finden, der alle möglichen Titel repräsentieren kann. Papertoons blieb einfach hängen.
MP: Gibt es eine „Bedeutung“ hinter eurem Logo beziehungsweise wieso habt ihr euch für dieses Design und diese Farbgebung entschieden?
Micha: Eine Bedeutung haben die Farben nicht. Natürlich haben wir uns nach Farben umgesehen, die andere Verlage so noch nicht verwenden, was gar nicht so einfach war, aber die Hauptintention war, dass es bunt wird. Es gibt deshalb noch einige andere Farbvarianten des Logos, die wir gleichwertig verwenden werden.
MP: „Wo“ möchtet ihr mit dem Verlag hin? Welche Ziele verfolgt ihr?
Lea: Das wichtigste Ziel wird definitiv immer sein, coole Titel nach Deutschland zu holen. Wir sind beide selber Manga- und Webtoon-Fans und werden es immer bleiben, und es macht einfach wahnsinnigen Spaß dabei zu sein, wenn der Markt ein bisschen umgekrempelt wird, so wie es jetzt gerade dank der Webtoons passiert.
Micha: Wir wollen einfach, dass der Verlag sich selbst und uns trägt. Dafür braucht es natürlich gute Titel und dementsprechendes Wachstum. Unser Ziel ist es also, die Webtoons endgültig in Deutschland ankommen und Schritt für Schritt wachsen zu lassen. Wenn wir es dabei schaffen, an die anderen, etablierten Verlage ranzukommen, was Marktanteile angeht, umso besser.
MP: Noch habt ihr kein Programm vorgestellt und das Frühjahr 2023 ist auch nicht mehr so weit entfernt: Wisst ihr denn bereits, wann ihr die ersten Titel vorstellt und wie eure momentane Programmplanung aussieht? (Monate, Release-Rhythmus, Output)
Lea: Wir gehen davon aus, dass wir die ersten Lizenzen in den kommenden Wochen und Monaten vorstellen können. Wir planen, ein bisschen aus der traditionellen Programmplanung auszubrechen und schon im Januar mit den ersten Titeln im Handel zu sein. Es wird also zwei Phasen der Ankündigung geben: Zuerst vier Titel, die im Launch zum Jahresanfang erscheinen, und dann ein „richtiges“ Programm, das ab April starten wird.
Micha: Erscheinen werden unsere Titel zweimonatlich – das ist zum einen natürlich der Produktion geschuldet, denn die meisten Ausgaben werden wesentlich dicker sein als der durchschnittliche Manga, zum anderen aber vor allem der Tatsache, dass ein vollfarbiger Webtoon natürlich relativ teuer ist. Da wäre ein monatlicher Release sicher zu heftig.
MP: Könnt ihr bereits etwas zur Aufmachung der Bände sagen? (Größe, Papier, Preis)
Micha: Ja, das können wir, da wir da letztendlich beim aktuellen „Standard“ für Manhwa bleiben: Größeres Format auf leicht mattem Papier und zu 16 Euro á 250 – 300 Seiten.
MP: Hat euch die Welt der Manga im geschäftlichen Sinne verloren oder besteht Hoffnung, dass diese auch bei papertoons einen Platz finden? Wie sieht es mit Romanen aus, auf denen Webtoons nicht selten überhaupt erst basieren?
Micha: Wir werden uns zunächst definitiv auf Webtoons spezialisieren, aber da ja auch in Japan so langsam alles etwas digitaler wird, würden wir definitiv nicht sagen, dass es niemals Manga bei papertoons geben wird. Wir sind jedenfalls weiterhin in Kontakt mit unseren ganzen Partnern in Japan, denn die finden auch spannend, was wir uns vorgenommen haben.
Lea: Light Novels sind ja leider nach wie vor eine etwas schwierige Sache in Deutschland. Aber auch die schließen wir nicht aus – es wird sicher Titel geben, bei denen der Roman als Zusatz Sinn macht. Das entscheiden wir aber wirklich von Titel zu Titel.
MP: Verschiedene Webtoons erhalten auch in Südkorea eine Printfassung – längst aber nicht alle. Wie sieht es da bei euch aus: Werdet ihr (vorerst) nur Titel veröffentlichen, die schon ein gedrucktes Äquivalent haben oder verfügt ihr über die Ressourcen, auch bislang digital-exklusive Inhalte für den deutschsprachigen Markt als Print-Release aufzubereiten?
Micha: Wir werden für viele Titel unsere eigenen Layouts herstellen – zum Glück haben wir in der Zeit mit Manga Cult genug Erfahrung und Kontakte gesammelt, um das umsetzen zu können. Wenn es natürlich schon eine koreanische Printversion gibt, werden wir darauf zurückgreifen. Es ist bei der Auswahl unserer Lizenzen aber absolut kein Kriterium.
MP: Auf eurer Webseite versprecht ihr „Webtoons aus Korea und dem Rest der Welt“. Wie sieht es da mit Projekten aus deutschsprachiger Hand aus – seid ihr da schon in Gesprächen? Wie steht es um Eigenproduktionen?
Lea: Wir sind noch nicht in Gesprächen, aber wir hoffen, dass wir in Zukunft auch mit deutschsprachigen Künstler*innen zusammenarbeiten können. Das liegt mir persönlich sehr am Herzen. Wir beobachten ohnehin, dass bei Webtoons das Herkunftsland eine viel geringere Rolle für den internationalen Erfolg spielt, als es lange Zeit bei Manga der Fall war. Dass wir uns also auch international nach Titeln umsehen, war für uns daher von Anfang an klar.
MP: Kann man euch in Zukunft auch Lizenzwünsche zukommen lassen oder seid ihr fürs Erste bedient? Wie können euch Fans am besten kontaktieren?
Micha: Klar! Wir haben zwar schon lange Listen mit Titeln, die wir gerne bringen würden, aber Wünsche und Vorschläge hören wir uns nach wie vor jederzeit und gerne an. Man kann uns E-Mails schicken oder auf Social Media schreiben.
Lea: Natürlich können wir aber nicht jede Wunschlizenz bringen, und in der Regel können wir auch keine konkreten Aussagen zu Wünschen machen. Es fließen so viele Faktoren in die Entscheidung, welche Titel man bringt, mit ein … Aber wir versprechen, dass wir die Wünsche unserer Leser immer gut im Blick haben werden.
MP: Bei Manga Cult habt ihr euch zuvor sehr für nischigere Titel eingesetzt. Nun sprecht ihr von „den angesagtesten neuen Webtoons“. Wird man bei euch nun also eher den Hang zum Mainstream vorfinden?
Micha: Papertoons wird kein Manga Cult 2.0. Wir wollen natürlich auch nicht den absoluten Einheitsbrei machen, das ist klar, und daher versuchen wir eine gute Mischung zwischen Verkäuflichkeit und Besonderheit zu finden. Man sollte aber, vor allem jetzt zum Start, nicht auf die krassesten Geheimtipps hoffen.
Lea: In jedem gesunden Verlag tragen die Titel, die besonders gut laufen, die Geheimtipps und Prestigeprojekte mit. Die Balance muss man aber schon wahren, wenn man will, dass der Verlag langfristig Bestand hat. Also wird es bei uns beides geben.
MP: Gibt es Genre, auf die ihr euch erstmal hauptsächlich konzentrieren wollt oder wird euer Programm eher ein bunter Mix?
Micha: Es wird ein recht bunter Mix, allerdings nicht willkürlich. Wir werden eine recht ausgewogene Mischung aus Action/Fantasy, Romance/Fantasy und Boys Love bringen. Innerhalb dieser drei Genres wollen wir aber, wie gesagt, so abwechslungsreich bleiben, wie möglich.
MP: Darf man sich auch Hoffnung auf explizitere Titel machen?
Lea: Das kommt auf den Titel an. Gerade im Boys-Love-Bereich wird es ganz sicher explizit werden. Wir werden nicht die Moralpolizei spielen und haben nicht vor, willkürlich Szenen zu zensieren, aber wir unterliegen natürlich schon dem deutschen Gesetz.
MP: Bei euch steht im Mittelpunkt, dass die Webtoons gedruckt veröffentlicht werden. Heißt das, dass für die nahe Zukunft keine digitalen Versionen geplant sind? Da euer Fokus auf Webtoons liegt: Könntet ihr euch hier sogar eine eigene Plattform vorstellen oder gibt es dazu vielleicht bereits konkrete Pläne?
Micha: Das mit der digitalen Veröffentlichung ist bei Webtoons allein schon aufgrund der Rechtelage echt schwierig. Grundsätzlich wird es so sein: Wenn das Digitalrecht zu einem Titel offen ist, dann werden wir auch einen digitalen Band verkaufen – praktisch als Service für alle, die das gerne hätten. Wenn wir aber nur die Printlizenz für einen Titel bekommen, wäre das jetzt für uns kein Grund, diesen dann gar nicht erst zu machen.
Lea: Eine eigene Plattform wäre natürlich eine tolle Sache, aber eben aufgrund der Rechtelage und auch der Tatsache, dass es schon sehr viele große Plattformen gibt … nein, da gibt es keine Pläne.
MP: Letztens hattet ihr ja bereits eine Stelle als Mediengestalter ausgeschrieben. Wie groß ist euer Team aktuell?
Lea: Aktuell arbeiten wir größtenteils mit einem Team von externen Layoutern, Übersetzern und Lektoren zusammen, von denen uns viele auch schon bei Manga Cult zur Seite standen. Wir haben vor Kurzem tatsächlich jemanden gesucht, der sich langfristig betrachtet intern um die Herstellung kümmern kann, sind da aber noch in Gesprächen. Ansonsten wird unser Personal genauso Schritt für Schritt wachsen wie unser Programm.
MP: Vielen Dank für eure Zeit.
Micha: Vielen Dank für das Interesse und die guten Fragen! Es ist wirklich schön, wieder in der Szene zu sein, und wir freuen uns jetzt schon auf unsere ersten Messen.
Lea: Und falls noch Fragen geblieben sind, stehen wir euch bei Twitter und Co. jederzeit zur Verfügung! :)