Viele Manga- und Anime-Fans haben sicherlich schon einmal von der Ghibli-Produktion Wie der Wind sich hebt gehört. Der 2013 veröffentlichte Animationsfilm geht auf einen Manga von Hayao Miyazaki zurück. Dieser wiederum basiert lose auf Tatsuo Horis Roman Der Wind erhebt sich. Die Novelle ist seit Kurzem erstmals auf Deutsch erhältlich. Wir haben sie gelesen und berichten euch im Folgenden von unseren Eindrücken.
Die rund 80 Seiten umfassende Kurzgeschichte ist im vergangenen August als Hardcover-Ausgabe im Mitteldeutschen Verlag erschienen. Der Release ist mit 21,6 cm × 14 cm geringfügig größer als bekannte Manga-Großformate. Übersetzt ist aus dem Japanischen von Sabine Mangold. Für die deutschsprachige Ausgabe sind 16,00 € zu bezahlen, eine E-Book-Fassung wird nicht angeboten.
Inhaltsbeschreibung
Nach einer längeren Phase der Schwäche stimmt Setsuko zu, sich in einem Sanatorium zu erholen. Dabei wird sie von ihrem Verlobten begleitet. Im Laufe des Aufenthalts verschlimmert sich die Lungenkrankheit der jungen Frau. Für den namenlosen Ich-Erzähler ist das Anlass, die gemeinsame Zeit, weitestgehend abgeschottet von der Außenwelt, mit besonderer Intensität wahrzunehmen.
Um die eigenen Empfindungen für die Ewigkeit festzuhalten, und damit das Gefühl des gemeinsamen Glücks zu konservieren, beginnt der Protagonist mit dem Schreiben einer autobiografisch gefärbten Geschichte. Dabei lässt er sich von seiner besonderen Zuneigung zu Setsuko und der Natur rund um das Sanatorium am japanischen Bergmassiv Yatsugatake inspirieren. Der Wind erhebt sich erzählt von einer platonischen Liebe, über der sich allmählich der Tod abzeichnet …
Erzählweise
Im Gegensatz zu Light Novels ist der vorliegende Kurzroman merklich anspruchsvoller geschrieben. Einerseits ist das auf die Entstehungszeit zwischen 1936 und 1938, andererseits auf den Charakter der Veröffentlichung selbst zurückzuführen. Das Arrangement von Wort und Inhalt hat einen merklich künstlerischen Anspruch. Zahlreiche Satzeinschübe gehören zum Stil. Der Zeitgeist des Originalwerks von Tatsuo Hori überträgt sich dank der Übersetzung von Sabine Mangold bis in das Hier und Jetzt.
Der Autor, 1953 selbst an Tuberkulose verstorben, verarbeitet in diesem Werk persönliche Erfahrungen. Den Schmerz, einen geliebten Menschen auf dem letzten Weg zu begleiten, schildert er wohl nicht zuletzt aufgrund dessen auffallend realitätsnah. Durch Rückgriff auf die Ich-Perspektive und den Tagebuch-Aufbau wird ein Gefühl von Nähe entwickelt. Auch darüber hinaus beweist Tatsuo Hori ein feines Gespür für Formulierungen. Repetitive Muster sind hier als gewollter Teil zu verstehen.
Fazit
Bereits auf den ersten Seiten wird klar, dass es sich bei Der Wind erhebt sich nicht um Trivialliteratur handelt. Der Inhalt ist lyrisch verpackt, im Ausdruck aber gleichzeitig nicht verschlossen. Somit dürfte auch ein jüngeres Publikum, das an Literatur dieser Art interessiert ist, Anschluss finden. Die Novelle lädt gelegentlich zum Sinnieren ein. Aus den 80 Seiten wird durch diese Metaebene abseits der reinen Handlung ein überraschend ergiebiges Lesevergnügen. Insgesamt: Ein Buch, das perfekt für bedeckte Tage geeignet ist, um in sich zu kehren.
Wichtig zu verstehen ist, dass Der Wind erhebt sich keine direkte Vorlage für den eingangs erwähnten Ghibli-Film ist, auch wenn Setsuko zweifelsohne als Vorlage für Naoko diente. Gerade dadurch stellt die Novelle unserer Meinung nach allerdings eine wertvolle Ergänzung dar. Über die deutschsprachige Erstausgabe aus dem Mitteldeutschen Verlag freuen wir uns entsprechend sehr.
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Mit 16,00 € ist die Produktion bei dem erklärten Umfang zwar keinesfalls günstig, die gebotene Aufmachung und das Nischen-Dasein wiegen das unserer Meinung nach aber angemessen auf. Dem ausgesuchten Liebhaberkreis innerhalb der Manga-Fangemeinschaft dürfte es der Einzelband wert sein.
Der Mitteldeutsche Verlag hat diesen Artikel freundlicherweise mit einem Belegexemplar unterstützt.
