Interview mit Dr. Pepperco – Mangaka von „Leb wohl, mein Rosengarten“
Zum Deutschland-Start von Leb wohl, mein Rosengarten (jap.: Sayonara Rose Garden) durften wir mit Dr. Pepperco ein Interview über die Entstehung des Werkes und die Arbeit als Mangaka führen.
Wir möchten uns sowohl bei Crunchyroll für die Gelegenheit als auch bei dem japanischen Verlag Mag Garden, der das Interview genehmigt hat, herzlich bedanken. Unser großer Dank für die Beantwortung der Fragen und die damit verbundene Zeit gilt zudem auch Mangaka Dr. Pepperco selbst. Nachfolgend werden wir uns selbst mit MP abkürzen.
MP: Hallo Dr. Pepperco und vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen.
Dr. Pepperco-sensei: Ich fühle mich durch diese Gelegenheit geehrt. Vielen Dank!
MP: Würden Sie uns erzählen, wie Sie dazu gekommen sind, als Mangaka zu arbeiten? War das schon immer Ihr Traum?
Dr. Pepperco-sensei: Bis ich ungefähr zehn Jahre alt war, hatte ich nur Kritzeleien gezeichnet. Ich glaube, es war in den Sommerferien, als ich zu viel freie Zeit hatte und mir in einem Geschäft für Künstlerbedarf Manuskriptpapier, Zeichenfeder und Rasterfolie gekauft habe und einen 20-seitigen Manga über einen Kindheitsfreund zeichnete.
Es war ein sinnloser Comedy-Manga mit einer lächerlichen Handlung. Aber während ich zeichnete, kamen mir immer wieder neue Ideen, und ich hatte viel Spaß dabei. Ich erinnere mich, dass mein Kindheitsfreund sehr darüber gelacht hat, als ich ihm den fertigen Entwurf zeigte.
Ich spürte die Freude am Zeichnen und gleichzeitig auch die Freude über die Reaktionen meines Lesers. Es ist eine schöne Erinnerung, die bei mir den Spaß am Manga zeichnen geweckt hat. Dieser Freund liest immer noch meine Manga und gibt mir gewissenhaft Feedback. Er ist ein guter Kerl. (lacht)
MP: Sie haben bereits einige Girls-Love-Werke gezeichnet. Erinnern Sie sich noch, wie Sie das erste Mal mit dem Genre in Berührung gekommen sind? Würden Sie uns davon berichten?
Dr. Pepperco-sensei: Ich war 16 Jahre alt, als ich zum ersten Mal mit einem Werk in Berührung kam, das von einer Romanze zwischen Frauen handelte. Es war Die Rose von Unter den Linden von Kaoru Kurimoto.* Ursprünglich begann ich das Buch zu lesen, weil ich Krimis liebe und mich das faszinierende Rätsel anzog, aber als ich weiterlas, fühlte ich emotional mit den Charakteren und war ganz vertieft in die Geschichte.
Das war meine erste Berührung mit Yuri**. Ich habe das Gefühl, dass es wie die Prägung eines Kükens noch immer die Grundlage für meine Vorlieben dieser Art ist.
*Anm. der Redaktion: Originaltitel Untaa den Linden no Bara (ウンター・デン・リンデンの薔薇)
**Anm. der Redaktion: Yuri ist ein anderer Begriff für das Girls-Love-Genre.
MP: Wie ist Leb wohl, mein Rosengarten entstanden? Woher haben Sie die Ideen für Ihre Geschichte bezogen? Haben Ihre Charaktere Vorbilder?
Dr. Pepperco-sensei: Ich sagte mal: „Ich möchte die Uniformen der viktorianischen Dienstmädchen zeichnen, weil ich sie mag“. So ist das Ganze aus einer lockeren Plauderei heraus entstanden. (lacht)
Als ich jedoch unter anderem die Historie der Frauen in der Meiji-Zeit recherchierte, um das Handlungsprinzip von Hanako auszuarbeiten, erfuhr ich von dem Leid und der Ungerechtigkeit des Umfelds, in dem die Frauen damals leben mussten. Während ich die Bücher in der Bibliothek las, entrüstet war und fast weinte, nahm Hanako als Neue Frau* Gestalt an.
Alice entstand aus meinem Empfinden, … dass ich mir Sorgen machen würde, wäre sie zu sehr eine „ideale Dame“ wie Jane, der ältesten Tochter der Bennets in Stolz und Vorurteil**, geworden. Setzt sie sich nicht unter Druck? Geht es ihr gut? Ich habe mir einfach Sorgen gemacht. (lacht)
Ich hatte den Gedanken, was wäre, wenn es eine junge Frau gäbe, die schön, intelligent, gutherzig und sanftmütig ist und wie eine „ideale Dame“ wirkt, aber dem Ansehen und der Familie willen ihre Geheimnisse verbirgt und die Rolle der „idealen Dame“ spielen muss? Während so meine Fantasie mit mir durchgegangen ist, wurde Alice erschaffen.
*Anm. der Redaktion: Der Begriff „Neue Frau“ steht für das Bild einer eigenständigen Frau im 19. und 20. Jahrhundert.
**Anm. der Redaktion: Stolz und Vorurteil (engl.: Pride and Prejudice) ist ein bekannter Roman der britischen Autorin Jane Austen aus dem Jahr 1813, in dem unter anderem das Frauenbild der damaligen Zeit thematisiert wird.
MP: Im Nachwort von Band 01 schreiben Sie, dass Sie sich unter anderem für das viktorianische Zeitalter interessieren. Was fasziniert Sie persönlich an dieser Zeit?
Dr. Pepperco-sensei: Mein Interesse für das viktorianische Zeitalter begann schon in jungen Jahren, als ich mich in Sherlock Holmes und die schicken Produktdesigns der damaligen Zeit verliebte.
Ich war fasziniert von der Feinheit und Tiefgründigkeit der Architektur und den Verzierungen der damaligen Zeit und interessierte mich auch für die Mode. Schließlich wurde ich mir der Tragik um die erzwungene Schönheit der Frauen durch das tägliche Tragen eines Korsetts bewusst, welches die Form ihrer inneren Organe veränderte. Ich hinterfragte die Bedingungen, denen die Frauen damals ausgesetzt waren, und begann, mich für die Historie zu interessieren, die sich mit dem Aufkommen der Suffragetten* allmählich veränderte … So veränderte sich die Ausrichtung meines Interesses stufenweise.
Ich finde die Kluft zwischen dem rauen Gefüge der menschlichen Beziehungen und der eleganten Schönheit der Designs, welche die Umgebungen schmücken, interessant.
*Anm. der Redaktion: Als „Suffragetten“ wurden Frauen einer britischen Frauenbewegung bezeichnet, welche zum Anfang des 20. Jahrhunderts das Frauenwahlrecht forderten.
MP: Passend zum viktorianischen England sieht man in Ihrem Manga viele historische Schauplätze und Bauten im Hintergrund. Welche Referenzen haben Sie zum Zeichnen herangezogen?
Dr. Pepperco-sensei: Ganz zu schweigen von den Fotos, die ich auf meinen eigenen Reisen nach Großbritannien gemacht habe, sammle ich seit meiner Schulzeit fleißig Referenzen als Hobby. Bildbände mit den Stadtbildern der damaligen Zeit sowie Bücher über Schmuck und Mode haben mir sehr geholfen.
Der Harrods*-Katalog enthielt alles Mögliche. Wenn ich also Schwierigkeiten beim Zeichnen hatte, brauchte ich nur den dicken Harrods-Katalog aufschlagen.
Besonders gut gefallen hat mir das Buch von Peter Hinks über viktorianischen Schmuck. Ich wünschte, ich hätte mehr darauf Bezug nehmen können, aber es ist wirklich schwer, Schmuck zu zeichnen (lacht). Daher bedauere ich, dass ich es kaum nutzen konnte.
*Anm. der Redaktion: Harrods ist ein traditionsreiches Warenhaus in London.
MP: Lassen Sie uns noch einen Moment bei der Darstellung bleiben. Was hat Ihnen beim Zeichnen von Leb wohl, mein Rosengarten am meisten Spaß gemacht – und was war für Sie besonders herausfordernd?
Dr. Pepperco-sensei: Seit meinem Debüt als Mangaka habe ich von Anfang bis Ende nur am Computer gezeichnet, aber mit Leb wohl, mein Rosengarten habe ich angefangen, analog mit einer Zeichenfeder und Tusche zu arbeiten. Das kratzende Geräusch der Zeichenfederspitze beim Zeichnen zu hören, war sehr angenehm und beruhigend.
Besonders die Rüschen und Haare haben es mir angetan, da ist das Geräusch der Zeichenfederspitze auch geschmeidig. Das hat am meisten Spaß gemacht.
Mühe hat mir das Sammeln des Materials gemacht. Als ich zum Beispiel Elizas Brief gezeichnet habe, recherchierte ich nach Briefmarken und Poststempeln aus der damaligen Zeit. Da es schwierig war, die richtigen Briefmarken und Stempel zu finden, bat ich meinen Redakteur die Sammlung der Post zu überprüfen. Ich dachte mir immer wieder, könnte ich eine Zeitreise in jene Zeit machen, würde ich alle Materialien sofort sammeln können …! (lacht)
Das Werk ist zwar unter meinem Namen veröffentlicht worden, aber ich glaube, dass Leb wohl, mein Rosengarten eigentlich eher ein Werk ist, das in guter Zusammenarbeit mit meinem zuständigen Redakteur entstanden ist.
MP: Alice und Hanako haben beide eine besondere Beziehung zur Literatur. Im Manga werden daher auch viele literarische Werke erwähnt. Wie sieht das bei Ihnen aus? Was verbinden Sie mit Literatur? Was ist Ihr Lieblingsbuch – und warum?
Dr. Pepperco-sensei: Ich fragte mich, was Menschen dazu bringt, weiterzumachen oder sie motiviert mit Wut, Traurigkeit, Hilflosigkeit und Einsamkeit gegenüber der Gesellschaft und sich selbst zu leben. Ich denke für mich könnten es die Geschichten sein, die die Menschen erzählen - die Literatur. Ich wollte eine Geschichte über zwei Frauen erzählen, deren Beziehung verbunden mit der Literatur beginnt. Dies wurde der gedankliche Rahmen für Leb wohl, mein Rosengarten.
Ich habe viele, wirklich viele, literarische Lieblingswerke. Eines, das mich in den letzten Jahren tief beeindruckt hat, ist Royal Blue von Casey McQuiston.
Die Charaktere sind alle faszinierend, es ist lustig, spannend und voller Emotionen, die mein Herz ganz erfüllten. Und als jemand, der sich in der Gesellschaft machtlos fühlt, dachte ich mir, wie schön eine solche Welt wäre! Es war ein starkes Buch, das mir das Gefühl gab, als hätte man mir einen Teil seiner Kraft gegeben.
MP: In Leb wohl, mein Rosengarten thematisieren Sie die Rolle der Frau und das Verständnis von Homosexualität als Sünde. Inwiefern würden Sie sagen, zeigt Ihre Geschichte Parallelen zu unserer heutigen Welt?
Dr. Pepperco-sensei: Obwohl Homosexualität in Japan weder damals noch heute als Sünde gesehen wird, ist sie rechtlich noch immer nicht anerkannt. Ich habe das Gefühl, dass konservative Anschauungen, einschließlich der Existenz von Menschen, die dem Feminismus ablehnend gegenüberstehen, heute genauso tief verwurzelt sind wie vor 100 Jahren. Es gibt Vieles, was mich an einer solchen Gesellschaft stört, aber ich denke trotzdem, dass einige Aspekte viel besser sind als damals. Ich respektiere diejenigen, die versucht haben, sich gegen eine solche Politik und Gesellschaft zu wehren und ihre Rechte zu erkämpfen. Ich wünschte, ich könnte so sein wie sie.
MP: Sie haben in der Vergangenheit schon Manga verschiedener Genres gezeichnet. Wenn wir einen Blick auf die Zukunft werfen, welche Geschichte würden Sie gerne einmal zeichnen?
Dr. Pepperco-sensei: Was ich gerne versuchen würde, ist eine Detektivgeschichte …, wenn mir ein origineller Trick einfällt, vielleicht? Ich glaube allerdings nicht, dass mir da etwas einfällt ... (lacht)
Ich würde gerne einmal ein Duo aus einer Detektivin und ihrer Assistentin zeichnen.
MP: Haben Sie zum Abschluss noch ein paar Worte für Ihre deutschsprachigen Fans?
Dr. Pepperco-sensei: Ich bin mehrere Male über einen Zeitraum von etwa einem Monat allein durch Deutschland gereist.
Ich mag es, entspannt und mit ausreichend Zeit, als würde ich dort leben, zu reisen. Ich habe mich mehr und mehr in Deutschland verliebt, je länger ich dortblieb, mit verschiedenen Menschen interagierte und von ihnen unterstützt wurde. Ich habe davon geträumt, dass mein Manga eines Tages in Deutschland erscheinen würde. Ich bin unglaublich glücklich, dass dieser Traum mit diesem Werk in Erfüllung gegangen ist!
Ich würde mich sehr freuen, wenn alle in Deutschland Spaß mit Leb wohl, mein Rosengarten haben.
MP: Vielen Dank für das Interview, Dr. Pepperco.
Dr. Pepperco-sensei: Vielen Dank!