Interview: Manga-Assistentin ameno_kameko über ihren Alltag
Nachdem wir in der Vergangenheit bereits Interviews mit einigen Mangaka geführt haben, möchten wir uns heute den Job der Assistentin näher ansehen. Hierfür wird ameno_kameko mit uns über ihre Arbeit in Japan und ihre Erfahrungen als deutsche Assistentin in Japan reden. Wenn ihr mehr über sie und ihren Alltag erfahren möchtet, empfehlen wir auch vor allem ihren Twitter-Account, auf dem sie regelmäßig über ihre Erlebnisse berichtet.
Nachfolgend werden wir uns mit MP abkürzen, während ameno_kameko mit Kameko angesprochen wird. Viel Spaß mit dem Interview!
MP: Hallo Kameko und danke dir, dass du dir die Zeit für das kleine Interview mit uns nimmst!
Kameko: Halli hallo, auch von mir vielen lieben Dank! Ich freue mich sehr!
MP: Wie genau muss man sich die Arbeit einer Mangaka-Assistentin denn vorstellen? Wobei unterstützt du den Sensei?
Kameko: Das ist von Arbeitsstelle zu Arbeitsstelle tatsächlich sehr unterschiedlich. Häufig zeichnen wir Assistenten Hintergründe (manchmal auch Effekte wie Speedlines usw.), übernehmen das Rastern mit Rasterfolie (analog oder digital), das Ausbessern mit Korrekturweiß und das Füllen von Schwarzflächen. Bei einem meiner Arbeitgeber war auch das Zeichnen des Mobu, also der – ich sag mal – „Statisten“ Aufgabe. Je nach Sensei ist das Arbeiten aber sehr unterschiedlich. Bei manchen Stellen gibt es sehr exakte Vorgaben, an die man sich genau halten muss. Andere Sensei lassen einem da eher freie Hand, ganz nach dem Motto „Hauptsache es sieht gut aus“.
MP: Hast du eine bestimmte Aufgabe bei der Assistenz, z. B. eine Spezialität, welche dir besonders liegt?
Kameko: Bei meiner neuen Arbeitsstelle, die ich auch trotz meines vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland weiterführen kann, zeichne ich vor allem die Hintergründe. Das macht mir auch am meisten Spaß und ich lerne jedes Mal echt viel dabei. Bei meiner anderen Arbeitgeberin, die erste Stelle, die ich angetreten habe, habe ich, wie die anderen Assistenten auch, jedes Mal unterschiedliche Aufgaben erhalten, je nachdem was so angefallen ist – außer das Zeichnen der Hintergründe, da meine Linienqualität beim Tuschen noch nicht ausreichend war, als ich dort angefangen hatte. Beide Stellen ergänzen sich im Nachhinein also wunderbar!
MP: Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Kameko: Der Arbeitsbeginn ist in meinem Fall bisher im Vergleich zu herkömmlichen Arbeitsstellen eher spät und je nach Stelle unterschiedlich gewesen. Aktuell beginnt mein Arbeitstag um 12 Uhr mittags (japanische Zeit). Der früheste Arbeitsbeginn, den ich erlebt hatte, war gegen 10 Uhr. Man kommt immer etwas früher, um seinen Arbeitsplatz vorzubereiten, Materialien auszupacken etc., damit es dann pünktlich losgehen kann. Als erstes erhält man die zu bearbeitenden Seiten mit Anweisungen von Sensei, dann kann es auch schon losgehen. Zeichnet man Hintergünde oder Statisten, spricht man in der Zwischenzeit auch die eigene Vorzeichnung ab. Sind die Seiten entsprechend bearbeitet, gibt man sie Sensei zum Prüfen zurück. Manchmal gibt es doch noch die ein oder andere Sache zu korrigieren. Ist alles in Ordnung, erhält man neue Seiten und das Spiel beginnt von vorne. Beginnt die Arbeit am Vormittag, gibt es eine Mittagspause und Abendpause (bei mir war das immer jeweils so ca. eine Stunde). Beginnt sie erst am Nachmittag, gibt es entsprechend nur eine Abendpause. Abends sind wir anwesenden Assistenten (und je nach Stelle manchmal auch Sensei) zusammen essen gegangen (Sensei lädt ein). Seit letzter Woche arbeite ich wegen meiner vorläufigen Rückkehr nach Deutschland von Zuhause aus und kann mir meine Pause flexibel nehmen. Meine Arbeit endet Punkt 21 Uhr, andere Stellen haben um 22 Uhr abends geendet. Man sieht, es ist also von Sensei zu Sensei sehr unterschiedlich.
MP: In Japan hattest du gleich zwei Stellen, eine Stelle die analog stattfand und eine, die halb analog und halb digital war. Wie unterscheidet sich hier die Arbeit und die Arbeitsprozesse, an denen du beteiligt bist?
Kameko: Ich denke, der wichtigste Unterschied ist, dass man bei der analogen Stelle auf dem originalen Manuskript selbst arbeitet. Ich weiß noch, wie nervös ich beim ersten Mal war, schließlich gibt es hier kein STRG+Z, wenn man einen Fehler macht. Fehler lassen sich nur bedingt ausbessern. Und es kann nur eine Person zur gleichen Zeit an einer Seite arbeiten. Bei meiner halb analogen, halb digitalen Stelle wiederum zeichne ich die Hintergründe auf einem separaten Papier. Die Zeichnung wird anschließend eingescannt und digital in das Manuskript eingefügt. Ist eine Zeichnung völlig gescheitert, kann man diese theoretisch ohne Probleme einfach nochmal neu fertigen und mehrere Assistenten können an ein und derselben Seite gleichzeitig arbeiten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass das Ausbessern mit Korrekturweiß und das Rastern digital stattfindet. Gerade auch das Rastern unterscheidet sich sehr und ist in meinen Augen bei einem analogen Manga vergleichsweise um einiges aufwendiger und zeitintensiver. Dafür macht es unglaublich Spaß und es ist auch ein ganz besonderes Gefühl, die fertige Seite im wirklichen Raum als Ganzes vor sich zu haben.
MP: Was vermutlich für viele die erste Hürde darstellt: Die Sprachbarriere. Wie gehst du damit um?
Kameko: Meine allerwichtigste Regel: Nachfragen. :) Besser einmal zu viel als einmal zu wenig. Bisher hatten meine Arbeitgeber immer Verständnis, schließlich wissen sie, dass ich keine Muttersprachlerin bin. Manchmal kommt es auch vor, dass Sensei oder die anderen Assistenten mich nicht verstehen bzw. verstanden haben. Dann habe ich versucht, nicht irritiert zu sein, sondern einfach das Gesagte nochmals auf eine andere Weise auszudrücken. Geduld ist, denke ich, der Schlüssel. Geduld und Dranbleiben. Und der Wille, stets auch sprachlich viel dazuzulernen.
MP: Auch wenn man eher nicht über Finanzielles redet: Lässt es sich von der Arbeit als Assistentin leben?
Kameko: Als Anfänger verdient man zwar noch nicht so viel, aber als Profiassistent mit mehrjähriger Berufserfahrung und sehr guten Skills kann man bei einer guten Arbeitsstelle (auch wenn man nicht reich wird) schon ein recht gutes Gehalt bekommen. Dennoch können auch Anfänger prinzipiell davon leben, auch wenn ihr Stundenlohn vergleichsweise eher niedrig ist. Es kommt natürlich auch immer auf den eigenen Lebensstil (und den Wohnort (^.~)) an.
Generell haben allerdings, meiner Erfahrung nach, viele Assistenten mehrere Stellen gleichzeitig. Gerade wenn man für Mangaka arbeitet, deren Manga in einem Monatsmagazin erscheinen. Denn dann ist die Anzahl der Arbeitstage oftmals eher gering (vielleicht so fünf bis zehn Tage pro Monat). Daher hatten und haben viele Assistenten, die ich getroffen habe, zwei bis drei Stellen. Das ist aber gar nicht so schlecht, denn es besteht immer das Risiko, dass eine Serie plötzlich eingestellt wird und somit die Arbeit wegfällt, das habe ich selbst erlebt. Arbeitet man für mehrere Mangaka, steht man dann nicht plötzlich völlig ohne Arbeit da.
MP: Wie genau bist du an deinen Job als Assistentin gekommen?
Kameko: Meinen ersten Job habe ich auf einer Website namens Ganmo mit Stellenanzeigen für Mangaka-Assistenten gefunden. Ich hatte kurz zuvor den entsprechenden Manga für mich entdeckt und war von Anfang an ein großer Fan. Als ich dann die entsprechende Stellenanzeige gelesen hatte, dachte ich, mein Herz springt mir gleich aus der Brust! Und obwohl ich noch lange nicht gut genug war, hab ich dennoch all meinen Mut zusammengenommen und mich einfach beworben. Trotz meiner fehlenden Erfahrung hat Sensei sich bereit erklärt, mich auszubilden und mich als Anfänger dort arbeiten zu lassen – ich bin ihr immer noch so dankbar!
(Zwei weitere, allerdings nur kurzfristige, Jobs habe ich über dieselbe Website gefunden). Meine jetzige Stelle wiederum wurde mir über einen Redakteur vermittelt, bei dessen Verlag ich eigene Projekte vorgezeigt habe. Der Vorteil hierbei war, dass der entsprechende Manga einfach perfekt zu meinen eigenen Projekten passt und Sensei nicht nur eine tolle Mangaka und so liebenswürdige Person, sondern gleichzeitig eine super Ausbilderin ist. Ich vermute, die Redakteure haben mir diese Stelle bewusst herausgesucht.
MP: Ist das Arbeitsverhältnis eher locker, sodass du auch mal „Verbesserungsvorschläge“ oder Kritik äußern kannst?
Kameko: Hm … bisher hatte ich ehrlich gesagt nie das Bedürfnis, Verbesserungsvorschläge zu geben, beide Senseis machen ihre Sache in meinen Augen verdammt gut! :) Das Arbeitsverhältnis meiner jetzigen Stelle ist allerdings in der Tat ziemlich locker. Wir reden immer ganz frei über Gott und die Welt und mir kommt es so vor, als ob ich alles fragen kann. Dennoch weiß ich nicht, ob ich Kritik äußern würde (vor allem ungefragt), selbst wenn ich mal welche hätte. Ich glaube, dazu bin ich noch nicht in der Position. (Noch habe ich ja weder debütiert, noch als Profi-Mangaka gearbeitet. :))
MP: Kannst du auch Ideen für Geschehnisse im Manga einbringen?
Kameko: Bisher eher weniger, das Inhaltliche des Mangas kam und kommt bei der Arbeit in meinem Fall eher nicht so zur Sprache. Aber es kam schonmal vor, dass ich zu einem Charakter befragt wurde, ein frisch eingeführter Charakter, an den ich von der ersten Sekunde an mein Herz verloren hatte. Da die Charakterentwicklung noch nicht abgeschlossen war, wollte Sensei gerne wissen, was ich an ihm so mag und spannend finde. In einem anderen Fall habe ich bei einem zukünftigen Projekt mit meinem geschichtlichen und kulturellen Wissen geholfen beziehungsweise helfe auch weiterhin, ohne jedoch selbst genau zu wissen, worum es in dem Manga gehen wird (das ist nämlich super geheim).
MP: Wann kann man mit deinem eigenen Manga rechnen?
Kameko: Hoffentlich sehr bald! :) Ich arbeite sehr hart an meinem Debüt und hoffe, dass ich nach meiner Rückkehr nach Japan nächstes Jahr veröffentlichen kann. Das wäre ein Traum! Glücklicherweise stehe ich bereits mit dem zuvor angesprochenen Verlag weiterhin in Austausch. Und meine Sensei unterstützt mich ebenfalls sehr und gibt mir viele Ratschläge. Definitiv werde ich euch alle per Twitter auf dem Laufenden halten :)
MP: Hast du zum Abschluss noch einen Rat, den du anstrebenden Mangaka-Assistenten mitgeben möchtest?
Kameko: Lasst euch nicht von Vorstellungen, wie dass man als Assistent perfekt Zeichnen oder perfekt Japanisch können muss, einschüchtern. Die Stellen und Arbeitgeber sind so vielseitig! Und auch, wenn manche Mangaka in der Tat erfahrene Assistenten mit sehr guten Skills suchen, gibt es auch genügend Stellen, die für Anfänger ausgeschrieben sind. Das allerwichtigste sind eure Motivation und euer Durchhaltevermögen. Und dass ihr euch auf Japanisch ausreichend verständigen könnt. Perfekt müssen eure Sprachkenntnisse dafür, meiner Erfahrung nach, nicht sein. Wenn ihr motiviert seid, Freude an der Arbeit habt, euch nicht unterkriegen lasst, selbst wenn es mal nicht so läuft, und bereit seid, immer Neues dazuzulernen, dann steht euch in meinen Augen nichts im Weg!
MP: Vielen Dank für das Interview!
Kameko: Ich danke euch! :)