Interview mit Hiroshi Koujina, dem Regisseur von Hunter x Hunter (2011)
Anmerkung: Bitte beachtet, dass das Interview bereits im Februar 2019 geführt wurde.
Passend zur Ausstrahlung auf ProSieben MAXX und dem baldigen Release des vierten Volumes, durften wir ein Interview mit dem Kopf hinter dem Hunter x Hunter-Anime führen.
Vielen Dank an dieser Stelle an KSM Anime, die das ganze in die Wege geleitet und organisiert haben, an Nippon TV, dem japanischen Lizenzgeber des Anime, und natürlich an Herrn Koujina selbst. Nachfolgend werden wir uns mit MP abkürzen, während Herr Hiroshi Koujina mit Koujina abgekürzt wird.
Volume 4 von Hunter x Hunter (2011) erscheint offiziell mit schickem Gon-Metallanhänger als Extra am 28. Februar 2019 im Handel. Bestellbar ist es hier auf Anime Planet.
MP: Hallo Herr Koujina. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein kurzes Interview mit uns nehmen.
Koujina: Vielen Dank, mich freut es auch sehr.
MP: Erinnern Sie sich noch worauf Sie während der Arbeit an Hunter x Hunter besonderen Wert legten?
Koujina: Wir können den Manga zwar immer wieder von vorne lesen, allerdings ist die Betrachtung des projizierten Bildes doch eher passiv. Mit diesem Gedanken haben wir den Aufbau und die Struktur komplett neu konfiguriert, damit diese für jeden klar verständlich sind. Dieses Werk enthält insbesondere viele Eigennamen, die alleine nur durch das Zuhören nicht übermittelt werden können. Deshalb ermöglichen wir die einfache Übertragung dieser Bilder, indem Schriftzeichen oder andere Effekte auf den Bildschirm hinzugefügt werden.
MP: Als Sie mit der Arbeit an Hunter x Hunter (2011) begannen, womit fingen Sie an?
Koujina: Ich habe dies bereits oben kurz erwähnt, aber ich wollte das Szenario für Leute (insbesondere Kinder), die das Originalwerk nicht kennen und es zum ersten mal schauen, sehr leicht verständlich machen. Das gleiche gilt auch für das Charakterdesign. Es wurde so konzipiert, damit es bei vielen Zuschauer eine gewisse Vertrautheit weckt.
MP: Neben dem überaus erfolgreichen Anime zu Hunter x Hunter waren Sie auch mit der Umsetzung zahlreicher anderer Werke wie Rainbow: Die Sieben von Zelle Sechs betraut. Haben Sie einen Favoriten unter Ihren Arbeiten?
Koujina: Natürlich bin ich von diesen beiden Werken auch persönlich sehr angetan. Ein weiteres Exemplar wäre z. B. auch Kiba, welches ein Originalwerk ist und eine starke, aber auch einsame Heldenfigur zeigt, die ich selbst immer darstellen wollte. Bitte schaut es euch an.
MP: Gibt es ein Franchise, welches Sie gerne mal betreuen würden?
Koujina: Ich liebe Pferde, inbesondere Pferderennen mag ich sehr. Den Manga Taiyou no Makibao (Anmerkung: Nie außerhalb Japans erschienen) würde ich unbedingt als Anime umsetzen wollen. Und auch wenn dies sich als durchaus schwierig gestalten würde, wäre Haruki Murakamis Kafka am Strand auch sehr interessant als Anime zu adaptieren.
MP: Waren Ihnen die Mangavorlage von Yoshihiro Togashi oder die erste Anime-Adaption von Hunter x Hunter bereits bekannt?
Koujina: Ehrlich gesagt kannte ich weder den Manga noch den Anime aus den 1990er Jahren. Die Existenz dieser beiden Werke war mir nicht wirklich bewusst. So konnte ich mich komplett neu auf dieses Werk einstellen, was vielleicht ganz gut war. Hätte ich bereits im Vorfeld den Manga gelesen, hätte sich das ganze doch etwas schwieriger gestaltet. lacht
MP: Verfolgen Sie bestimmte Rituale bei Ihrer Arbeit?
Koujina: Tägliche Rituale habe ich eigentlich nicht. Falls meine Kreativität mal ausgeschöpft ist, sehe ich mir meinen Lieblingsfilm Amadeus an. Das ist alles. Wenn ich kreativ arbeite, kommt es nämlich sehr oft vor, dass ich unbewusst ungeduldig werde. Da beruhigt mich das Anschauen dieses Films schon sehr.
MP: Wie kamen Sie zu ihrer Arbeit in der Animeindustrie?
Koujina: Zu meiner Zeit in der Oberschule bewunderte ich meinen Senpai Hiroshi Watanabe, der als Animator arbeitete, sehr. Dass dieser dann wiederum unter dem von ihm respektierten Animator Toyoo Ashida arbeiten durfte, spornte mich zusätzlich an. Natürlich war ich als Kind auch gut im Zeichnen und wurde von meinem Umfeld dafür auch sehr gelobt dafür, was mich sehr freudig stimmte. Von da an wusste ich, dass ich mit dem Zeichnen mein Geld verdienen wollte.
MP: Erhalten Sie zur Ihrer Arbeit viel Rückmeldung? Und wenn ja, wie gehen Sie mit diesen um?
Koujina: Die Stimmen der Fans ermutigen uns in unserer Arbeit sehr und diese Energie wird auch auf die Produktionen übertragen. So etwas freut uns natürlich unheimlich. Allerdings darf ich nicht zu sehr auf diese Stimmen hören, sonst verschwimmen deren Ansichten mit denen, die ich im Sinne hatte, zu sehr. Da ich ein Typ Mensch bin, der sehr leicht von anderen beeinflusst wird, versuche ich das alles ein wenig lockerer zu betrachten.
MP: Könnten Sie sich vorstellen, sofern es mal weiter geht, auch den neuen Teil von Hunter x Hunter zu leiten? Gibt es etwas, dass Sie dort anders machen würden?
Koujina: Falls es mir angeboten wird, würde ich natürlich liebend gerne weitermachen. Dennoch würde es mich interessieren, wie ein jüngerer Regisseur an diese Arbeit herangehen würde. Da sich die Animationen mit der Zeit immer weiterentwickeln, könnte es sein, dass in Zukunft vermehrt 3D eingesetzt wird.
MP: Schauen Sie privat ebenfalls Anime? Versuchen Sie dadurch vielleicht auf eigene Ideen für ihre Projekte zu kommen?
Koujina: Grundsätzlich schaue ich mir in der Regel keine Anime an, was bedauerlich ist, besonders wenn diese interessant sind. lacht
Auch wenn ich mir keine Anime anschaue, denke ich über die Art, wie diese gemacht wurden, nach, wie z. B. über das Szenario oder die Inszenierung. Deshalb schaue ich in meiner Freizeit oft Actionfilme. Diese Denkweise kann man auf viele Dinge beziehen, nicht nur auf Anime.
MP: Gibt es etwas, dass Ihnen bei Hunter x Hunter sehr leicht gefallen ist bei der Umsetzung? Oder ein besonderes Ereignis während der Arbeiten, das Ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Koujina: Im Manga taucht der Charakter Kite bereits zu Beginn auf, während sein Auftritt aus verschiedenen Gründen in unserer Umsetzung viel später kam. Seinen Auftritt einzubauen, war besonders hart. Reibungslos lief das ganze mit Sicherheit nicht ab. Wenn ich zu sehr darüber nachdenke, kommen zu viele schmerzhafte Erinnerungen wieder hoch. lacht
Das Team hat sehr hart daran gearbeitet und jeder hat bis zum Schluss seinen Teil dazu beigetragen.
MP: Inzwischen sind Sie ja der Chef von Studio Live. Können Sie vielleicht kurz beschreiben, wie bei Ihnen so ein normaler Arbeitsalltag aussieht?
Koujina: Die japanische Animationsindustrie leidet derzeit unter großem Personalmangel, weshalb es absolut notwendig ist, junge Leute auszubilden. Als Dozent unterrichte ich selbst drei mal die Woche angehende Animatoren. Zur Zeit betreue ich eine Animation, die für das Kino produziert wird. Des weiteren bin ich mit Animationsskizzen für Karakuri Circus beschäftigt, denke über neue Pläne für Charaktere nach, kümmere mich als Chef natürlich um die Arbeit der anderen, überprüfe sie und betreue auch unser Team innerhalb der Firma.
Ich höre mir die Probleme an und versuche, eine Lösung für diese zu finden. Dafür berechne ich auch kein Geld. lacht
MP: Was hat Ihnen an Hunter x Hunter besonders gefallen? Vielleicht eine bestimmte Szene aus dem Anime oder ein bestimmter Charakter?
Koujina: Am meisten gefällt mir Meruems letzter Auftritt in Folge 135. Es war sehr schwierig diese Szene umzusetzen, da sie fast ausschließlich durch Worte vorangetrieben wird und es wirklich schwierig war, dies animationstechnisch umzusetzen. Auch das Opening und Ending waren von ihrer Machart sehr speziell, dass es einem schon wie ein fertiger Film vorkam. Was die Charaktere betrifft, habe ich sehr viele davon sehr gern, aber der größte Sympathieträger wäre für mich Killua, der wahrscheinlich auch mein Favorit ist.
MP: Haben Sie abschließend noch ein paar Worte an die deutschen Hunter x Hunter-Fans?
Koujina: Viele Fans aus aller Welt hängen an diesem Manga, darunter auch bestimmt viele in Deutschland. Deswegen kommt es mir so vor, als ob ich diese Fans vernachlässigt hätte und ich entschuldige mich, falls ich euch verärgert habe. In dieser Zeitspanne von vier Jahren ist sehr viel Energie in dieses Projekt hineingeflossen. Falls euch dieses Projekt auch nur ein wenig Spaß gemacht hat, würde mich das schon sehr freuen. Ich bin noch nie in Deutschland gewesen, aber falls sich die Gelegenheit ergeben sollte, würde ich sehr gerne die Stimmen der deutschen Fans hören.
MP: Vielen Dank für das ausführliche Interview Herr Koujina.