Interview mit altraverse – erstes Halbjahr 2023, „Keine Cheats für die Liebe“-DVD und Eigenproduktionen
Bei unserem Besuch in Hamburg zum DOYAK-Special-Event hatten wir die Möglichkeit, altraverse-Verlagsleiter Joachim Kaps einige Fragen zu stellen. Neben einem Rückblick auf das erste Halbjahr 2023 waren auch die Reaktionen zu der Synchronisation der Keine Cheats für die Liebe-DVD und der Ausbau der Eigenproduktionen Thema.
Vorangestellt möchten wir uns gerne bei Joachim für die Beantwortung der Fragen sowie beim gesamten Team von altraverse für die Zeit, die sich für uns genommen wurde, bedanken. Das Interview fand vor Ort im Verlag statt und wurde danach von uns verschriftlicht. Nachfolgend werden wir Joachim mit Jo und uns selbst mit MP abkürzen.
MP: Hallo Joachim und danke, dass du dir heute die Zeit für uns nimmst.
Jo: Sehr gerne.
MP: Fangen wir allgemein an: Wie lief denn das letzte Halbjahr für euch? Wie zufrieden seid ihr mit dem Ergebnis?
Jo: Wir sind mit diesem Jahr, also mit dem Start des Jahres, extrem zufrieden. Der Markt ist gerade in einer speziellen Phase, diese ganzen Boom-Raketen haben etwas nachgelassen. Ich glaube, es wird sich jetzt entscheiden, wer ein Konzept hat. Und wenn ich auf die Media-
Control-Daten gucke, stehen wir da gerade ganz gut im Wettbewerb. In Summe aller Verlage hat Manga nach den ersten 26 Wochen +/- 0 über den Markt hinweg gemacht, aber wir haben immer noch ein gutes Wachstum, also bin ich sehr zufrieden. Zumal wir mit der Leipziger Buchmesse und der DoKomi auch noch zwei tolle Events hinter uns gebracht haben. Mehr kann ich mir eigentlich nicht wünschen.
MP: Kannst du uns vielleicht verraten, welche Serien am besten gelaufen sind und welche sich etwas schwergetan haben?
Jo: Wir waren von dem extrem guten Start von Elden Ring überrascht, was die neuen Titel angeht. Und wir sind super happy über den Erfolg von GACHIAKUTA, weil der uns sehr am Herzen lag. Das sind aber, wie gesagt, Titel, die nicht aus der Backlist kommen.
Wir waren jetzt gerade auf der DoKomi krass überrascht, wie schnell das mit Wet Sand, Kiela, Let’s Cast Off ging. Das hat einfach super Spaß gemacht, aber da haben wir halt erst drei Tage Verkaufserfahrung. *lach* Insgesamt war das Jahr gar nicht so krass von anderen Titeln bestimmt als sonst. Wir haben unsere Ongoing-Bestseller, wie BJ Alex, Solo Leveling, immer noch Meine Wiedergeburt als Schleim und als kleines Sahnehäubchen auf dem Kuchen gab es dann halt gesteigerte [Mein*Star] -Verkäufe. Da die aber auch erst seit April spürbar sind, haben sie jetzt noch nicht Solo Leveling überholt, aber … kann ja noch kommen!
MP: Gibt es im Nachhinein etwas, was ihr gern anders gemacht hättet oder vielleicht sogar etwas bereut?
Jo: Ich kann jetzt erstmal nur für mich sprechen, ich weiß nicht, ob ich das für alle 30 Mitarbeiter beantworten kann. Ich zähle nicht zu der Kategorie Menschen, die besonders viel bereuen, weil ich der Meinung bin, dass ich die Vergangenheit nicht ändern kann, sondern nur die Zukunft. Wir schauen schon darauf, was klappt und was nicht klappt, aber bereuen würde ich nichts. Selbst wenn wir Dinge starten, die sich vielleicht nicht so gut entwickeln, wie wir dachten, würde ich niemals bereuen, es versucht zu haben. Man kann vielleicht nicht mit allem erfolgreich sein, aber gerade in diesem Jahr gibt es da relativ wenig.
Das Einzige, was mich krass an uns selbst nervt, ist, dass wir es immer noch nicht schaffen, mit allen Produkten in der Pünktlichkeit zu erscheinen, wie wir uns das wünschen. Weil uns immer wieder von irgendeiner Seite irgendwas in die Beine schlägt und wir dann halt wieder mal Boxen verschieben müssen oder Ähnliches. Ich denke, wir kriegen das im zweiten Halbjahr so langsam in den Griff. Aber abgesehen davon, habe ich tatsächlich wenig zu meckern, was 2023 angeht.
MP: Ihr habt gerade in diesem Jahr sehr viele Titel, die eine Anime-Produktion erhalten. Kannst du hier vielleicht verraten, inwiefern sich diese auf die Verkäufe ausgewirkt haben?
Jo: Zum Teil haben wir das sogar kürzlich für unsere Händlervorschau ausgewertet. Ich habe also noch relativ stark die Zahlen im Kopf. Am extremsten war [Mein*Star], wo wir von vor auf nach Anime ein Plus von 956 % verzeichnen. Das könnte jetzt auch heißen, dass es vorher sehr klein war – Prozentzahlen sind natürlich auch immer relativ zu sehen … *lach* Nein, für diesen Titel hat sich das Schicksal krass geändert.
Ein bisschen geringer ist der Impact bei Dead Mount Death Play, da haben wir so um die 144 %, also etwa verdoppelt. Irgendwo zwischen 60 % und 196 % liegen dann auch Raeliana und die anderen. Also selbst von den Titeln, wo der Anime vielleicht gar nicht für die Community sichtbar ein Riesenhit war, haben wir Benefit. Weil es immer Leute gibt, die dadurch darauf aufmerksam werden, weil sie es vorher nicht kannten. Ich bin ja sowieso der Meinung, dass unser gesamtes Programm fantastisch ist und die Leute es nur kennen müssen und es dann automatisch kaufen werden. *lach* Und das passiert gerade tatsächlich bei vielen Sachen. Ich mache mir jetzt im Juli auch große Hoffnungen für Meine ganz besondere Hochzeit, weil ich finde, dass es ein extrem schöner Anime für romantische Menschen wie mich geworden ist. Mal gucken, ob alle das so sehen.
MP: Ihr habt mittlerweile euer Programm bis November bekanntgegeben. Band 16 von Super Lovers, welcher in Japan bereits im September 2022 erschien, scheint nicht eingeplant zu sein. Auch die Special Editions zu der Reihe erscheinen bei euch generell nicht. Ansonsten seid ihr vergleichsweise schnell mit den deutschsprachigen Ausgaben, gibt es hier einen besonderen Grund, warum dieser Band hierzulande bisher nicht angekündigt ist und auch keine Collectors Editions erscheinen?
Jo: Es gibt einen total simplen Grund, was das Timing angeht: die Autorin. Wir dürfen generell frühestens ein Jahr nach Erscheinen der japanischen Ausgabe den Band machen, das gilt aber für alle Länder. Das ist nicht schön, aber man kriegt vorher einfach keinen Vertrag – niemand kriegt den. Unsere Programme sind ja immer für vier Monate geplant und in diesem Fall war das Timing dann einfach unglücklich zwischen der Verfügbarkeit des Bandes und dem, was im Programm sonst geplant war. Denn wir schließen gerade BJ Alex ab und starten Let’s Cast Off. Wir hätten den Band ab Oktober bringen können, aber im Oktober und November waren die Programmplätze schon voll. Und bevor meine Mitarbeiter Augenringe kriegen, können wir auch noch zwei Monate länger warten, wenn wir eh schon ein Jahr warten müssen. Das ist der einzige Hintergrund.
MP: Nach mehreren Verschiebungen erschien im April der lang ersehnte letzte Band zu Keine Cheats für die Liebe. In der Fan-Community war besonders die deutsche Umsetzung beziehungsweise die Vertonung der DVD ein Thema. Kannst du uns deine Sicht und vielleicht einige Hintergründe – insbesondere auch vor dem Hintergrund der Verschiebungen – schildern?
Jo: Ihr seid tatsächlich die ersten, bei denen ich jetzt etwas dazu sage. Die ganze Diskussion um diese Synchro halte ich, ich ganz persönlich – und da spreche ich jetzt vielleicht gar nicht für alle im Verlag, sondern nur für mich ganz persönlich – für eine ziemlich unglückliche Debatte. Ausgelöst durch vier oder fünf Leute, die gefühlt einen halben Tag nach Release dieser DVD überall die Info verteilt haben, dass ihnen die Synchro nicht gefällt. Ich habe just heute Morgen, witzigerweise, gerade wieder etliche Kommentare auf Twitter und Instagram mit „Ich weiß gar nicht, was die wollen, die ist doch eigentlich ganz ok.“ gesehen.
Ich bin immer noch der Meinung: Wahrscheinlich ist es nicht die beste Synchronisation, die jemals jemand gemacht hat, ich halte sie aber tatsächlich bei Weitem auch nicht für so schlecht, wie Einzelne behauptet haben. Und ich fand es nicht fair, dass ein paar Leute unser Material genommen haben, sich fünf Sachen aus anderthalb Stunden rausgesucht haben, die ihnen nicht gepasst haben, sie aneinandergeschnitten und auf Social Media gestellt haben. Ganz viele Leute, die an dieser Debatte teilgenommen haben, konnten zu dem Zeitpunkt, als dieser Mini-Shitstorm losging, noch gar nicht das ganze Ding geguckt haben, weil wir es gerade erst ausgeliefert hatten.
Ich bin generell der Meinung, dass für alle Verlage gilt, dass sie gut beraten sind, wenn sowas passiert, nicht anzufangen mit Leuten darüber zu debattieren, die gar nicht debattieren wollen. Fakt ist, du wirst mit ein bisschen Recherche im Internet mittlerweile relativ viele Leute finden, die sagen: „Ich finde die Synchro völlig ok und ich versteh die ganze Debatte nicht.“ Und das ist eigentlich die einzige Antwort, die ich darauf geben kann. Wir können nicht bei allem, was wir tun, alles so machen, dass es jedem Einzelnen gefällt … möchte ich ehrlich gesagt noch nicht mal. Und ja, in dem Fall hat es halt bestimmten Leuten, die sehr laut geworden sind, nicht gefallen. Für meine Begriffe heißt das aber noch nicht zwingend, dass sie recht haben.
Wir haben bei der Synchro sogar zusätzlichen Aufwand und Kosten in Kauf genommen, ob man uns das jetzt glaubt oder nicht. Das Studio, das die Synchro produziert hat, hat sehr viel Erfahrung mit Hörspielen, aber noch nicht so viel Erfahrung mit Anime. Wir fanden es aus verschiedenen Gründen aber gut, das mit ihnen zu machen. Das sind alles professionelle Leute und Sprecher. Insofern sollten vielleicht alle, die da „Buh, altraverse wollte Geld sparen“ gesagt haben, mal ihre Hausaufgaben machen und in Ruhe recherchieren, bevor sie irgendwelchen Käse verbreiten.
Ich halte wirklich manche Argumente, die da gefallen sind, für dramatisch und manche wären sogar justiziabel gewesen. Das sollten sich Leute vielleicht mal überlegen, wenn sie solche falschen Fakten, wie zum Beispiel „Oh die wollten Geld sparen.“ verbreiten. Das Internet ist ja kein rechtsfreier Raum. Ich habe mir das aber geschenkt, sie wegen Geschäftsschädigung zu verklagen. Aber wenn es schlimmer werden würde, würde ich tatsächlich irgendwann mal darüber nachdenken. Denn ich finde, wir müssen irgendwann mal wieder dazu zurückkommen, dass wir sachlich über Dinge reden.
Also kurzum: Die Synchro hat sogar mehr gekostet, weil wir mit der ersten Fassung selbst zunächst nicht ganz zufrieden waren und etliche Teile nachsynchronisiert haben. Wir haben fast doppelt so viel reingesteckt, als wir ursprünglich wollten. Und das war auch nicht billiger als andere Studios, das kann ich ganz sicher sagen. Dass da nun Leute mit an Bord waren, die das so synchronisiert haben, wie es manche Leute im Anime-Bereich vielleicht anders erwartet haben … Ja, das mag so sein. Aber dafür ist manches, was im Anime-Hardcore-Bereich bei den Leuten beliebt ist, wiederum für ein breiteres Publikum manchmal gar nicht so leicht nachzuvollziehen.
Ich denke, wir haben daraus gelernt. Wir würden es wahrscheinlich das nächste Mal leicht anders machen, aber auch da gilt meine Regel von vorhin: Ich bin nicht Marty McFly, ich kann das nicht ungeschehen machen. Es ist jetzt so wie es ist. Ich freue mich aber darüber, denn die Copies, und das war das zweite Absurde an der Diskussion, waren nach einer Woche komplett abgekauft. Und niemand hat es zurückgeschickt, das ist mir auch wichtig. Also muss es da draußen ja Leute geben, die damit zufrieden waren, wie wir das gemacht haben und über die freue ich mich. Den anderen wünsche ich, dass sie auf dem Markt etwas anderes finden, das ihnen gefällt.
MP: Kommen wir zu einem anderen Thema: Zu Daydream Lover, einem eurer ersten Titel als Verlag, und Barakamon sind mittlerweile weitere Bände in Japan erschienen (bei nur Daydream Lover als digitale Ausgabe). Die Fans der jeweiligen Reihen fragen sich, ob ihr diese in Zukunft auch plant, zu veröffentlichen.
Jo: Das ist im Falle von Daydream Lover deutlich unwahrscheinlicher als im Falle von Barakamon. Das hat vor allem mit den Rechteinhabern zu tun, weil es manchmal einfach daran hängt, ob diese Sachen so verfügbar sind oder nicht und wie man sie dann in Deutschland verwerten will. Wenn es eben nur digitale Rechte gibt und ich auf den Zustand des deutschen E-Manga-Marktes gucke, den ich nun wirklich seit TOKYOPOP-Zeiten sehr intensiv verfolge und schaue, wie da die Verkaufszahlen sind … Man kann das schon machen, aber ob besonders viele Leute am Ende Freude daran haben, sei mal dahingestellt. Die E-Book-Verkäufe liegen auf dem deutschen Markt nach wie vor Lichtjahre hinter den Printverkäufen zurück.
Was ganz oft bei Verträgen nicht geht, ist, aus dem digitalen Produkt ein Buch zu machen. Manchmal gibt es gar nicht genug dafür her, manchmal schließen das wirklich irgendwelche Verträge aus und niemand hat Lust, das nur für ein Land nochmal alles mit den Autoren nachzuverhandeln. Das heißt, da stehen manchmal einfach technische Dinge dazwischen. Ich kann mir vorstellen, dass wir für Barakamon mit Square Enix eine Lösung finden können, bei Daydream Lover halte ich es für unwahrscheinlich. Vielleicht machen wir es irgendwann doch noch als Sammel-E-Book oder irgendwas … Es steckt aber kein böser Wille dahinter, das nicht zu machen. Eigentlich bemühen wir uns natürlich ohnehin darum, alle Reihen ordentlich und komplett zum Abschluss zu bringen. Dann hängt es manchmal aber wirklich daran, dass der japanische Markt hier und da andere Gesetzmäßigkeiten als der lokale Markt hat und man muss dann wirklich in Ruhe überlegen, was man übertragen kann und was nicht.
MP: Ihr habt kürzlich mit der Taschenbuchausgabe von Solo Leveling eine direkte Zusammenarbeit mit einem japanischen Künstler angekündigt. Kannst du an dieser Stelle vielleicht auch nochmal erläutern, wie es dazu gekommen ist und auch, ob ihr so etwas in Zukunft vielleicht öfter plant?
Jo: Wir wollten diese illustrierte Ausgabe von Solo Leveling von Beginn an machen. Es stand immer fest, dass es in einem zweiten Schritt eine zusätzliche Ausgabe geben soll, die sich in einer anderen Preisklasse abspielt und mehr Illustrationen haben wird. Dass der Roman in der ersten Version in dieser auffälligen Hardcover-Ausgabe erschienen ist, war dem Umstand geschuldet, dass wir damals der Meinung waren, dass die Verpackung von Solo Leveling – also dem Roman in Korea – einfach nicht zu unserer Light-Novel-Strategie passte. Deswegen haben wir für die Erstausgabe bei uns auch ganz bewusst einen anderen Weg gesucht als bei unseren Light Novels.
Es gibt genau eine einzige Illustration zum Solo Leveling -Roman in Korea … Die hätten wir vielleicht als Puzzle machen können, um acht Cover zu gestalten *lach*. Aber das stand damals nicht zur Option. Wir haben von vornherein gesagt, wir wollen zum richtigen Zeitpunkt eine Taschenbuchausgabe machen. Dass der Zeichner nun aus Japan kommt, ist ehrlich gesagt Zufall. Wir haben in verschiedenen Ländern nach jemandem gesucht, verschiedene Tests mit verschiedenen Zeichnern gefahren, um rauszukriegen, wie wir diese rechtlich einbinden und wie wir die richtige Person finden, mit der wir das umsetzen können. Ich glaube, wir haben sie nach langem Suchen gefunden. Was wir bisher an Artwork auf dem Tisch haben, finde ich wirklich sensationell gut. Aber wie gesagt: Dass es Japan ist, ist purer Zufall.
Mir ist wirklich völlig egal, ob am Schluss jemand in Mailand, Tokyo oder Brunsbüttel wohnt, solange die Person gute Dinge macht und wir ihr zutrauen, dass sie ein Projekt von vorne bis hinten durchzieht. In dem Fall war es so, dass Karen den Künstler irgendwann, ich glaube über Social Media, entdeckt, sich mit ihm verlinkt und ihn auch schon länger unter Beobachtung hatte. Wir haben dann irgendwann gesagt: „Hey, der macht cooles Zeug. Lass ihn doch mal fragen, ob er Bock hat.“ Er hatte von Anfang an große Lust dazu. Er fand gerade diese internationale Komponente, dass wir eine koreanische Novel mit einem japanischen Illustrator in Deutschland nochmal umverpacken, cool. Ich glaube auch jetzt, bei allem, was ich gesehen habe, ist das die richtige Person. Und vielleicht kann man mit ihm auf dem Weg nach vorne vielleicht sogar noch mehr machen, weil er echt krasse Illus macht.
MP: Daran angeschlossen: Könntet ihr euch in Zukunft vielleicht auch vorstellen, wie z. B. der französische Verlag ki-oon, einen ganzen Manga in Japan entstehen zu lassen?
Jo: Vorstellen kann ich mir immer nahezu alles. Vorausgesetzt, dass es nicht rassistisch, dumm oder sonst was ist. Es ist also denkbar. Ich habe sowas schon einmal in meinem Leben so halb gemacht, als wir bei TOKYOPOP Grimms Manga gemacht haben. Das war mit einer japanischen Künstlerin, die zu dem Zeitpunkt allerdings in Düsseldorf lebte. Es spricht heutzutage nichts dagegen. Wir haben die Kommunikationsmöglichkeiten dafür. Warum soll man das also nicht machen? Wir gehen nicht nach Blutgruppe oder Nationalität, sondern eher danach, ob wir glauben, Dinge passen zusammen. Es gab auch schon zwei, drei Projekte, wo wir ähnliche Ideen hatten. Aus ganz unterschiedlichen Gründen haben sich diese aber wieder zerschlagen. Man sieht ja immer nur einen kleinen Teil dessen, was uns zwischendurch so durch den Kopf geht. Also ja, kann passieren. Wäre wahrscheinlich auch ganz lustig. Das müsste dann aber ein spezielles Projekt sein. Ich glaube, es macht keinen Sinn, das bei einem Projekt zu machen, was ich genauso gut als Lizenz in Japan einkaufen kann … Falls wir nach Grimms Manga nochmal die Bremer Stadtmusikanten als lange Manga-Action-Reihe auflegen würden, dann wäre es schon sehr cool, das mit japanischen Autoren zu machen, um diesen Clash of Culture zu haben.
MP: Man könnte es direkt an Rooster Fighter anschließen, als Spin-off. Der Hahn ist ja schon da. *lach*
Jo: Wir geben uns sehr viel Mühe, den altraverse-Zoo schrittweise zu vergrößern. *lach* Ich finde Rooster Fighter – schön, dass ich das an dieser Stelle sagen darf – ist ein fantastisches Beispiel, was für großartige Manga dabei entstehen können, wenn man mit Tieren Action-Serien macht.
MP: Ihr baut nach wie vor fleißig eure Eigenproduktionen aus. Ist hier auch in Zukunft geplant, noch weitere neue Mangaka in eurem Haus begrüßen zu dürfen?
Jo: Wenn sie gut sind! Eigenproduktionen sind eine tiefe Leidenschaft des Verlagsleiters, weil ich es schon immer wichtig fand, da aktiv zu sein. Ich benutze ungern den Begriff „fördern“. Denn ich glaube, dass altraverse on the long run strategisch durch diese Autoren sehr im Vorteil sein wird. Und fördern klingt immer so, als würde ich Spendengelder verteilen, aber das sind schon Projekte, die darauf angelegt sind, dass wir zusammen auf Dauer damit Geld verdienen. Wir werden das ausbauen, wenn wir Leute finden, die zwei Kriterien erfüllen. Sie müssen den Level unserer Produktion, den wir mittlerweile erreicht haben und auf den ich echt stolz bin, halten können. Wir würden also nicht erweitern, nur um des Erweiterns Willen. Außerdem müssen sie in das mentale Setup von altraverse und seinen Autoren passen, das ist fast genauso wichtig. Das hat gerade erst auch noch einmal die DoKomi gezeigt. Es ist toll, wenn wir Conventions haben und die Leute zusammenkommen.
Es gibt eine ganz tolle Interaktion unter unseren Autoren. Und ich müsste bei jedem, der da jetzt ins Boot will, sicher sein, dass er das Boot nicht zum Kentern bringt. Das heißt, es müssten eigentlich beide Dinge erfüllt sein. Da sind wir aktuell sehr gesegnet, weil sich alle mögen, alle gegenseitig helfen, alle gegenseitig Tipps geben und sich miteinander weiterentwickeln. Da gibt es ja viele sichtbare Beispiele, wie den Podcast zwischen Sozan und Racami. Hinter den Kulissen geben sie sich auch technische Tipps. Wenn einer nicht weiterweiß, kann er jederzeit die anderen anrufen. Das müssen wir aufrechterhalten. Das ist genau wie beim Verlag selbst, denn wahrscheinlich gibt es irgendwann eine bestimmte Maximalgröße, damit es noch funktioniert. Wenn am Schluss 600 Redakteure 1200 Zeichner betreuen würden, ist es nicht mehr ganz so intim wie jetzt. Wir werden versuchen, die Balance zu halten.
Zum MANGA DAY gibt es die Weltpremiere eines weiteren neuen Stoffs, wo ich irre gespannt bin, wie die Leute es finden: Children of Grimm. Wir haben da eine sehr ungewöhnliche Technik gespielt, indem wir bisher gar nicht darüber geredet haben, was wir da machen. *lach* Ich persönlich finde es krass gut. Gut, muss ich als Verleger sagen … Nee, müsste ich gar nicht sagen. Wenn ich es nicht gut finde, würde ich es nicht sagen. Ich bin wirklich gespannt, wie die Reaktionen sein werden, wenn der MANGA DAY-Titel kommt und man reinlesen kann. Was daran so spannend ist, ist, dass wir versuchen, einen Manga wie in den guten alten Zeiten zu machen. Ein klassischer Mix aus Action, Komik und extrem guter Grafik … Ich halte Blackii für eine begnadete Zeichnerin. Um mal an das anzuknüpfen, was wir gerade aus Japan gar nicht mehr kriegen: diese klassischen „Kleiner Junge wird ein Held“-Geschichten. Ich freue mich sehr darüber, dass das bald kommt. Es gibt darüber hinaus tatsächlich auch schon andere Projekte, aber über die rede ich heute noch nicht.
MP: Apropos Eigenproduktionen: Zu Bound sind bei Anne Luise P. zuletzt zwei Audiobooks zu dem Werk auf Englisch erschienen – könntet ihr euch so etwas auch als zukünftiges Extra auf Deutsch vorstellen?
Jo: Ja, entweder als Extra oder als eigenes Segment, das wissen wir gerade noch nicht. Wir planen, zum Jahreswechsel Audioaktivitäten zu beginnen, aber zunächst mit einem anderen Titel. Da arbeiten wir hinter den Kulissen auch schon eine ganze Weile dran. Wir wollten aber erstmal in Ruhe lernen, wie wir das ordentlich machen … Da sind wir vielleicht wieder bei der Synchro – also wie wir das für uns ordentlich machen, damit wir es gut finden. Das werden wir sicher demnächst auch breiter ausrollen, um was es da geht. Wir wollen das aber auch auf eine Art machen, die ein bisschen anders ist, als jetzt nur irgendwas auf Spotify zu knallen und zu gucken, was passiert. Da bin ich ganz gespannt drauf. Wenn das erstmal steht, wird ab 2024 wahrscheinlich das Thema Audio schrittweise eine stärkere Rolle spielen. Weil wir alle glauben, dass, obwohl wir ein Bildermedium sind, es eine Verbindung zwischen Audio und Manga geben kann, die über Podcasts hinaus geht.
MP: Gestern, am 05. Juli, gab es das Special Event zu Wet Sand mit Künstlerin DOYAK in Hamburg, das augenscheinlich viel Anklang fand. Wie seid ihr auf die Idee gekommen? Und wie habt ihr den Nachmittag empfunden?
Jo: Ich bin immer noch komplett illuminiert. Meistens, wenn wir Ideen haben, habe ich erstmal Angst vor uns, dass wir irgendwas machen könnten, dass am Ende nicht funktioniert. Dass uns nicht egal ist, ob es funktioniert oder nicht, ist vielleicht unsere Stärke. Bis eine Stunde vorher saß ich hier zitternd, wie beim Abitur und dachte: „Bitte, bitte, lass es gut werden!“ Es war wirklich richtig, richtig, richtig gut. Das ist auch das Gefühl, was mir die Leute, die hier waren, gespiegelt haben. Dass sie alle Spaß hatten, dass es ihnen gefallen hat. Entstanden ist das Ganze darüber, dass wir immer schon ein bisschen neidisch nach Tokyo auf diese ganzen Café-Events geguckt haben. Dann sagte DOYAK irgendwann, in der Vorbereitung ihrer Reise, den Satz: „Ich würde übrigens gerne auch nochmal nach Hamburg kommen und mir das Büro angucken.“ Am selben Nachmittag lief ich dann dem Manager des Cafés bei uns im Haus über den Weg und hab ihn direkt gefragt: „Habt ihr eventuell Lust, so eine Kooperation zusammen zu machen?“ Das war wirklich mehr so im Vorbeigehen. Nach dem ich wusste, dass er generell Lust dazu hat, haben wir angefangen, zu planen und ich bereue es keine Sekunde.
Wir haben hier aber auch das Glück, dass man im eigenen Haus eine Location hat, die sich so gut dafür eignet. Das ist natürlich ein Geschenk. Wir sind Do7 unglaublich dankbar, dass sie uns das haben machen lassen und so unglaublich kooperativ bei der Vorbereitung waren. Die hatten gestern auch alle selbst Spaß. Schon wieder eine gewisse Gefahr, dass wir das nicht nur einmal machen. Ich kann mich noch erinnern, wie wir vor drei Jahren nur einmal #altralive machen wollten, weil die Leipziger Buchmesse ausgefallen ist und die Leute dann gesagt haben: „Ach, ist doch ganz nett. Macht doch mal öfter!“ Das kann hier auch passieren, mal gucken.
MP: Könnt ihr sagen, auf welchen Messen ihr dieses Jahr noch anzutreffen seid?
Jo: Wir werden, nach jetzigem Stand, auf jeden Fall AnimagiC und Connichi spielen. Wir werden eventuell auch die Frankfurter Buchmesse spielen. Das ist für die Community aber vielleicht nicht so spannend. Wir merken einfach, dass der Buchhandel hohen Informations- und Beratungsbedarf zu dem ganzen Manga-Boom der letzten zwei Jahre hat. Daher habe ich zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder darüber nachgedacht, dass es vielleicht sinnvoll sein könnte, in Frankfurt einen Stand zu machen. In den Jahren davor war das nicht so spannend, weil die Frankfurter Messe sich dem Thema immer so ein bisschen entzogen hat, finde ich. Wie gesagt, das wäre dann aber eher ein Stand für Händler.
Mit den beiden anderen Cons haben wir ja noch mehr als genug zu tun. Yoko Taro kommt und wir sind sehr aufgeregt. Die Connichi ist nun zum ersten Mal in meiner Geburtsstadt. Ich habe ja immer noch die Theorie, es ist nach Wiesbaden verlegt worden, weil ich da geboren bin. *lach* Das wird auch spannend, weil es ein neuer Ort ist, den man erstmal kennenlernen und schauen muss, was man da machen kann. Wir spielen das jetzt auch nicht so riesig wie die DoKomi, wo wir sicheres Gelände haben und wissen, was wir machen können, sondern werden vor allem mit einigen der lokalen Autoren aufschlagen. Wenn wir danach schlauer sind und die Location mal gesehen haben, schauen wir, was wir im zweiten und dritten Jahr machen können.
MP: Welcher Titel aus dem kommenden Programm ist denn dein Favorit?
Jo: Ach, das sind immer ganz schwere Fragen, weil man immer das Gefühl hat, egal, was man sagt, man tut irgendwas anderem unrecht. Rein von der optischen Wucht, obwohl die Geschichte auch gut ist, haut mich After God ziemlich vom Sofa. Da sind Dinge drin … Ich mag es, wenn Sachen mich nach all den Jahren visuell noch überraschen. Das war zuletzt bei Der Sommer, in dem Hikaru starb so, wo es Bilder gab, wo ich gedacht hab: „Boah, dass die nach 25 Jahren Manga immer noch etwas in dir auslösen können … Ist schon spannend.“ Das gibt es bei After God tatsächlich auch. Ich finde auch die ganze Verpackung, die Shogakukan in Japan für After God gemacht hat, einfach großartig und am liebsten würde ich mir von den Covern eine Fototapete machen. Das ist schon ein heimlicher Liebling in dem Programm.
MP: Hast du zum Abschluss noch etwas, was du den Lesern gern mitgeben würdest?
Jo: Meinen Ausdruck unglaublicher Dankbarkeit nach den letzten Jahren. Diese Community hat uns immer so viel Rückendeckung gegeben. Auch durch die schwere Zeit hindurch, die nicht immer nur lustig war. Das klingt jetzt fast ein bisschen religiös, aber es erfüllt mich wirklich mit tiefer Dankbarkeit. Vor allem, weil wir das Glück haben, in einem Bereich arbeiten zu dürfen, wo Leute uns unglaublich viel zurückgeben. Es wissen ja alle, dass sie uns jederzeit mit ihren Wünschen konfrontieren können – manche können wir erfüllen, manche nicht. Wir werden uns auf jeden Fall weiterhin bemühen.
MP: Vielen Dank für das Interview!