Interview mit Yukiru Sugisaki – Mangaka von „D.N. Angel“
Passend zum Release der Pearls Edition von D.N. Angel durften wir ein Interview mit Mangaka Yukiru Sugisaki führen. Dabei waren unter anderem Inspirationen für das Setting und die Fortsetzung der Reihe nach Band 15 Thema.
Wir möchten uns sowohl bei Carlsen Manga! für die Gelegenheit als auch bei dem japanischen Verlag KADOKAWA, der das Interview genehmigt hat, herzlich bedanken. Unser großer Dank für die Beantwortung der Fragen und die damit verbundene Zeit gilt zudem auch Mangaka Yukiru Sugisaki selbst. Nachfolgend werden wir Yukiru Sugisaki mit Sugisaki-sensei ansprechen und uns selbst mit MP abkürzen.
MP: Hallo Sugisaki-sensei. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview mit uns nehmen!
MP: Wie sind Sie damals auf die Geschichte von Daisuke, Dark und den anderen gekommen?
Sugisaki-sensei: Der Auslöser war eine beeindruckende Szene, die ich in dem Musical Das Phantom der Oper gesehen habe, in der das Phantom auftaucht. Von da an wollte ich eine Geschichte über einen Phantomdieb zeichnen, der durch den Nachthimmel fliegt. Zu der Zeit, als die Serie begann, war es üblich, dass ein Mädchen die Hauptfigur in einem Shoujo-Manga ist. Daher erschien mir ein Setting, in dem sich ein Junge als Protagonist in einen Phantomdieb verwandelt, originell. Außerdem gab es nicht viele Shoujo-Manga, die romantische Gefühle aus der Sicht eines Jungen erzählten. Ich denke, ich habe es gezeichnet, in der Hoffnung, dass die Leser:innen es gerne lesen würden. (Nach seiner Verwandlung sah Dark zunächst aus, als wäre er 14 Jahre alt, so wie Daisuke. Aber der damals zuständige Redakteur schlug vor, das Alter von Dark anzuheben, was zu dem heutigen Aussehen führte.)
MP: Das Stadtbild in D.N. Angel wirkt sehr europäisch, während die Charaktere eher in einer japanischen Welt leben. Wie haben Sie die Welt erschaffen und gab es Inspirationen für Schauplätze (für gewisse Orte oder Szenen)?
Sugisaki-sensei: Da ich europäische Stadtbilder schön finde und sehr liebe, habe ich beschlossen, sie als Schauplatz für die Abenteuer des Phantomdiebes zu zeichnen. Europa ist wirklich schön mit seinen Museen und allem, sodass es meine Fantasie beflügelte. Ich glaube, ich wollte das Doppelleben von Daisuke darstellen, der zwischen einer fantasievollen Welt des Phantomdiebes, die zwar in Japan ist, aber nicht wirklich japanisch wirkt, und einem realistischen Schulalltag hin und her wechselt. Auch die Schule habe ich mit Dingen wie elektronischen Schlüsseln ausgestattet, die es damals nicht gab.
MP: Dark ist ein Meisterdieb, der Artefakte raubt. Wie haben Sie sich die Objekte und deren Namen ausgedacht? Sind Sie selbst Kunst-Fan?
Sugisaki-sensei: Echte Kunstwerke sind teuer und schwer zu bekommen (lach), aber ich sammle einige Gemälde von Künstlern, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Natürlich schaue ich mir auch gerne Kunstwerke an. Ich habe die Kunstwerke so gewählt, dass man sie sich anhand der Namen leicht vorstellen kann, denn viele Objekte im Manga sind zwar Kunstwerke, haben aber auch einen Willen. Zudem dachte ich, dass es schön wäre, wenn der Name die Gefühle widerspiegelt, die der Schöpfer des Kunstwerks in es hineingelegt hat.
MP: Hatten Sie das Ende bereits von Beginn an im Kopf? Oder haben Sie die Geschichte erst im Verlauf weiterentwickelt?
Sugisaki-sensei: Zu Beginn der Veröffentlichung war geplant, sie in drei Teilen abzuschließen, also legte ich alles bis zum Ende fest und begann mit der Veröffentlichung. Nachdem ich mit der Veröffentlichung begonnen hatte, konnte ich sie dank der Unterstützung wirklich vieler Leser so lange weiterzeichnen, dass mehr Zwischenepisoden und so weiter hinzukamen. Aber die thematische Achse der Geschichte ist Daisukes Entwicklung, und ich denke nicht, dass sie durch die dazwischen liegenden Episoden verschoben wurde.
MP: Sie haben Ihre Arbeit an D.N. Angel zweimal für längere Zeit unterbrochen und sich anderen Projekten zugewandt. Haben Sie während der langen Pause nach 2011 auch mal an D.N. Angel gedacht und daran gearbeitet?
Sugisaki-sensei: Die Existenz von DN war mir immer präsent, auch wenn ich andere Manga gezeichnet habe. Ich hielt an der Handlung bis zum Ende fest, egal wie oft ich den Arbeitsplatz wechselte. Als die Reihe wieder fortgesetzt wurde, habe ich die Konturen meiner alten Manga mehrmals nachgezeichnet, um die Gewohnheiten in meinen Arm zu hämmern. Denn es war eine gewisse Zeit vergangen, seit die Serie nicht mehr lief und ich passte meinen Stil so an, dass er so gut wie möglich mit dem Alten übereinstimmte (das war wirklich harte Arbeit).
MP: Wie kam es 2018 nach mehreren Jahren zur Wiederaufnahme der Veröffentlichung? War das von Ihnen so geplant? Wie hat es sich angefühlt, die Charaktere nach so langer Zeit wieder zu zeichnen? Worauf haben Sie dabei besonders geachtet, was fiel Ihnen nach so langer Zeit leicht beziehungsweise schwer?
Sugisaki-sensei: DN lief lange, daher gab es immer wieder Gespräche über das Ende der Reihe. Bei jeder dieser Gelegenheiten bemühte ich mich darum, in Richtung Fortsetzung zu experimentieren. Schließlich erhielt ich die Möglichkeit, die letzte Episode fortzuführen, und begann sie zu zeichnen. Ich habe besonders darauf geachtet, dass ich Daisukes Gefühle nachvollziehen konnte. Am Anfang hatte ich überschwängliche Begeisterung, aber es mangelte mir an Erfahrung. Mit der Zeit vergingen viele Jahre, und nun sah ich mich mit der Frage konfrontiert, ob ich trotz vorhandener Erfahrung meine Begeisterung aufrechterhalten könnte. Obwohl ich das Ende, das ich vor Jahrzehnten gezeichnet hatte, für ungeschickt hielt und verbessern wollte, musste ich den erwachsenen Teil von mir gewissermaßen zum Schweigen bringen. Ich beschloss, dass das Ende, das ich damals zeichnen wollte, das richtige ist. Darauf habe ich besonders geachtet.
Es gab nichts Besonderes, das mir leicht(?) fiel. Ich war wirklich froh, zum ersten Mal seit langer Zeit einen DN-Charakter zeichnen zu können. Das Schwierigste war, wie ich oben beschrieben habe, meine alten Zeichnungen so gut wie möglich zu reproduzieren. Ich dachte, wenn ich aktuelle Zeichnungen verwenden würde, wäre das nicht DN, und das war nicht akzeptabel. Der Zeichenstil von Manga unterliegt auch Modetrends, und in den letzten Jahren hat sich die Qualität der Zeichnungen in Manga immer weiter verbessert. Obwohl es viele solcher Werke gibt, finde ich persönlich, dass Zeichnungen, die zwar nicht perfekt sind, aber mit viel Hingabe gemacht wurden, ihren eigenen Charme haben. Doch zu versuchen, ein Bild so unbeholfen wie möglich zu zeichnen, ist etwas grundlegend anderes, daher war diese Anpassung wirklich schwierig. Manchmal war ich von der Leidenschaft meines alten Ichs überwältigt. In gewisser Weise war es eine Zeit, in der ich viel mit meinem früheren Ich gesprochen und gearbeitet habe.
MP: Sie zeichneten insgesamt über eine Zeitspanne von mehr als 20 Jahren an D.N. Angel. Was verbinden Sie heute mit dem Werk? Können Sie sich noch an Ihre Gedanken aus der Zeit, als Sie am letzten Kapitel gearbeitet haben, erinnern?
Sugisaki-sensei: Ich bin sehr glücklich, dass so viele Leser:innen das Werk lieben. Das finale Kapitel zu zeichnen war eine echte Herausforderung, aber ich habe das Gefühl, von den Leser:innen, die auf mich gewartet haben, und meinem Redakteur unterstützt worden zu sein und es gemeinsam durchgestanden zu haben.
MP: Gab es in Bezug auf Ihre lange Arbeit an D.N. Angel Stellen, Handlungsstränge oder Charaktere, die Sie zwischendurch – oder im Nachhinein – gerne anders gemacht hätten?
Sugisaki-sensei: Obwohl es lange lief, ist es im Grunde genommen ein schlichtes, standardmäßiges und einfaches Werk. Es gibt also keine Episoden, die ich im Nachhinein gerne geändert hätte. Persönlich denke ich jedoch, dass ich gerne Krad (und Hiwataris angespannte Beziehung zu ihm) mehr vertieft hätte. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich gerne mehr Phantomdieb-Szenen gezeichnet hätte.
MP: Vor einiger Zeit erschien die New Edition von D.N. Angel. Wie kam es zu dieser Neuausgabe? Haben Sie für den Release noch einmal Anpassungen gegenüber der Erstveröffentlichung vorgenommen? Worauf haben Sie dabei besonders geachtet? Und wie haben Sie die neuen Cover festgelegt?
Sugisaki-sensei: Es begann damit, dass der verantwortliche Redakteur sagte: „Lass uns DN zu Ende zeichnen.“ Von der Wiederaufnahme der Veröffentlichung über die gesamte Laufzeit bis zum Ende hat er mich begleitet. Ich denke, ohne diesen Aufruf hätte ich das finale Kapitel wohl nicht veröffentlichen können, und auch die Neuausgabe wäre nicht erschienen.
Was inhaltliche Anpassungen betrifft, so habe ich kaum etwas geändert. Es fühlte sich richtig an. Das Buchdesign wurde im Rahmen eines großen Wettbewerbs mit einem großartigen Design gestaltet. Ich habe auch Vorschläge von einem Designer erhalten und diese Ideen miteinbezogen, um Cover zu zeichnen, die an Kunstwerke erinnern. Das Titellogo für die alten Bücher habe ich entworfen, aber das neue Titellogo für die Neuausgabe wurde von dem Designer vorgeschlagen.
MP: Mit der deutschsprachigen D.N. Angel New Edition werden bald auch Fans hierzulande das erste Mal die Geschichte über Band 15 hinaus lesen können. Hatten Sie zu Beginn Ihrer Arbeit an D.N. Angel gedacht, dass die Reihe international so beliebt werden würde? Wie blicken Sie heute auf den Erfolg?
Sugisaki-sensei: Ich war selbst sehr überrascht. Ich hätte mir zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nie vorgestellt, dass es in so vielen Ländern herausgegeben werden würde. Ich freue mich sehr, dass auch die Neuausgabe veröffentlicht wird. Vielen Dank! Was den Erfolg des Werks angeht … nun, ich weiß es nicht genau. Ich hatte es wirklich nicht erwartet, und es fällt mir in vielerlei Hinsicht immer noch schwer, es zu glauben. Ich denke, der Anime hat auch wesentlich dazu beigetragen, dass die Menschen auf das Werk aufmerksam wurden. Außerdem habe ich im Ausland oft gehört, dass die Zwillingsheldinnen Riku und Risa süß seien.
MP: Während der langen Pause hofften viele Fans nach einem spannenden Cliffhanger auf die Fortsetzung der Geschichte. Haben diese Nachrichten Sie erreicht? Können Sie uns Ihre Gedanken dazu mitteilen?
Sugisaki-sensei: Ich habe wirklich viele Nachrichten, in denen sich die Fortsetzung sehnlichst gewünscht wurde, sowie anspornende Worte erhalten. Es war emotional sehr berührend. Trotz vieler nicht näher erläuterbarer Umstände war es dennoch eine emotionale Stütze für mich zu wissen, dass es Menschen gibt, die immer noch geduldig auf die Fortsetzung warten. Ich habe mich sehr über die vielen glücklichen Kommentare gefreut, als die Fortsetzung der Reihe ankündigt wurde. Es fühlte sich an, als würde ich sagen: „Es tut mir leid, dass ihr so lange warten musstet“
MP: Haben Sie zum Abschluss noch ein paar Worte an Ihre deutschsprachigen Fans?
Sugisaki-sensei: Wirklich vielen Dank, dass Ihr D.N. Angel so lange geliebt und unterstützt habt! Ohne Eure Liebe hätte ich dieses Werk nicht zu Ende zeichnen können. Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr D.N. Angel auch weiterhin mögt! (Wer weiß, vielleicht wird es ja neue Entwicklungen geben?!) Und es würde mich sehr freuen, wenn Ihr auch andere Sugisaki-Werke lesen würdet.
MP: Vielen Dank für das Interview, Sugisaki-sensei!