Interview mit Egmont Manga: Nachdrucke, Corona und Co.
Michael aus der Egmont-Redaktion stellt sich unseren Fragen zur Corona-Situation, der Nachdruckpolitik und vielen weiteren Themen.
Nachfolgend werden wir uns mit MP abkürzen.
MP: Hallo, Michael, und vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses kurze Interview mit uns nimmst. Magst du dich und deine Aufgabe bei Egmont Manga vielleicht kurz vorstellen, für alle, die dich nicht kennen?
Michael: Hallo, Maximilian, klar, gerne. Ich arbeite seit 2016 in der Manga-Redaktion des Egmont-Verlags und bin seit letztem Jahr für die Programmleitung zuständig. Zu meinen Aufgaben gehört es, Entscheidungen für oder gegen neue Titel zu treffen, ganz allgemeine Aufgaben wie unsere Kleinauflagen-Nachdrucke voranzutreiben und natürlich Interviews zu führen.
MP: Aktuell haben alle Verlage und Buchhandlungen mit den Nachwirkungen von Corona zu kämpfen. Wie genau geht ihr mit der Situation um und welche Vorkehrungen habt ihr als Verlag getroffen?
Michael: Wir sind relativ schnell ins Homeoffice gewechselt und haben uns anfangs erstmal an die vielen Videochats gewöhnen müssen und daran, nicht zusammen miteinander in einem Büro zu sitzen. Aktuell steigern wir die Bürozeiten wieder, natürlich immer mit einem Auge auf die Infektionszahlen. Überall im Verlag stehen Desinfektionsmittelspender und der Verlag hat sehr kleidsame Gesichtsmasken gestellt – mit Micky Maus drauf.
Wir konnten zum Glück weiter produzieren, weil eine ganze Menge Leute gute Arbeit geleistet hat: Übersetzer, freie Lektoren und Korrektoren, aber auch unsere Letterer, Drucker und die Auslieferung. Deswegen sind wir auch während des Lockdowns mit einem blauen Auge davongekommen.
Und seitdem erleben wir zusammen mit dem gesamten deutschen Manga-Markt einen enormen Aufschwung. Es wurde natürlich noch nicht alles verkauft, was während des Lockdowns liegen geblieben ist, aber unser Absatz entwickelt sich sehr positiv – großes Dankeschön auch noch mal an alle Fans und Händler, die das möglich machen.
MP: Da es gerne immer mal wieder gefragt wird: Warum druckt ihr bei einigen eurer Titel nur geringe Auflagen?
Michael: Wir passen unsere Druckauflagen der Verkaufserwartung an und daher gibt es geringere und höhere Auflagen. Es wäre fahrlässig von uns, Titel in hoher Auflage nachzudrucken, die sich nicht gut verkaufen werden. Auch wenn ich das gerne verschweigen würden, leider haben auch wir Serien im Programm, die schon bei einer sehr hohen Bandzahl sind, aber nur noch wenig Käufer finden. Das liegt u. a. auch daran, dass der Manga-Markt in den letzten Jahren einen rapiden Anstieg an neuen Serien erlebt hat. Deswegen verkaufen sich die weniger gut laufenden Serien im Vergleich zu früher leider noch ein bisschen schlechter, es gibt schlicht und einfach sehr viel Auswahl aktuell. Wenn wir dann merken, dass der Handel uns Bände zurückschickt, weil sie keine Käufer mehr dafür finden, senken wir in der Konsequenz die Auflage des Folgebandes.
Ich verstehe jeden Fan, der eine Serie nicht nachkaufen kann, die ihm gut gefällt. Aber wir haben eine Verantwortung für unser gesamtes Programm und für alle Serien und müssen daher die Auflagen so festlegen, dass sich alles gemeinsam finanzieren lässt. Und wer sich nicht allzu viel Zeit lässt mit dem Kauf neuer Bände, der wird auch seine Serie bis zum Ende kaufen und lesen können.
Denn eines ist klar: Wir veröffentlichen alle Serien bis zum letzten Band. Wer also eine Serie mit uns anfängt, kann sich sicher sein, dass wir auch den letzten Band noch veröffentlichen und verkaufen werden.
MP: Habt ihr euch schon bereits Gedanken gemacht, ob ihr vielleicht kleinere Auflagen nachdrucken möchtet und diese mit einer Preiserhöhung versehen würdet, wie z. B. Darwins Game?
Michael: Haben wir und auch bereits angestoßen. Wir schrecken nicht vor höheren Preisen zurück, aber wir haben eine Runde Kleinauflagen nachgedruckt, bei denen wir den Preis gleichhalten konnten, aber ein anderes Druckverfahren genutzt haben. Dabei müssen wir zwar auf Coververedelungen und Farbseiten verzichten, dafür können wir den Ursprungspreis halten. Darunter sind Bände wie Dolly Kill Kill, Band 01 und Bungo Stray Dogs, Bände 11 und 12. Insgesamt haben wir 40 Bände nachgedruckt. Das wird auch in Zukunft für uns eine Option sein.
MP: Könntet ihr euch auch Print on Demand vorstellen, für die eher weniger gut laufenden Titel?
Michael: Können wir uns vorstellen und das ist ein Thema, das wir aktiv verfolgen. Allerdings hat es bisher kein Verlag geschafft, dieses Verfahren sinnvoll einzusetzen. Die anfänglichen Investitionskosten sind nicht zu unterschätzen. Und auf der anderen Seite würde man PoD für Titel einsetzen, die sich ohnehin nicht sonderlich gut verkaufen. Nichtsdestotrotz wäre es ein Service für die Fans, den wir gerne anbieten würden und wir bleiben bei dem Thema definitiv am Ball.
MP: Einige eurer älteren Titel sind auch out of print, wie beispielsweise Ranma ½, Inu Yasha. Könntet ihr euch hier Nachdrucke vorstellen oder sogar eine Neuauflage? (Ist ja gerade im Trend, siehe Shaman King, Soul Eater Massiv, Fullmetal Alchemist Metal Edition etc.)
Michael: The Trend is your friend, richtig? Da du Inu Yasha ansprichst, das ist bei uns ja schon in zwei Auflagen erschienen, insofern, ja, wir können uns Neuauflagen dazu vorstellen und haben sie ja auch schon realisiert. Wenn man es genau nimmt, haben wir schon sehr früh angefangen, ältere Titel neu aufzulegen. Unsere Luxury Edition von Katekyo haben wir bereits Ende 2017 veröffentlicht und wie auch die weiteren Luxury Editions sieht so ein dicker Manga im Hardcover echt geil aus im Regal. Seitdem haben wir ein halbes Dutzend dieser Ausgaben gemacht, im August steht Chobits an, ein echter CLAMP-Klassiker, im Dezember folgt dann Kamikaze Kaito Jeanne von Arina Tanemura.
MP: Aktuell bringt ihr auch vermehrt Light Novel zu euren Titeln heraus. Wie schlagen sich diese zurzeit? Auch im Vergleich zu den eher bekannteren Titeln wie die Romane zu den Shinkai-Werken.
Michael: Wir sind damit sehr zufrieden. Nicht nur, dass wir viel Freude an der Arbeit mit Titeln wie You shine in the Moonlight haben, sie verkaufen sich auch noch gut. Auf Ich habe mein Leben für 10.000 Yen verkauft freuen wir uns ganz besonders: Ein guter Mix aus Drama, Liebesgeschichte mit einem Schuss Zukunftsmusik, der sehr grundsätzliche Fragen stellt.
MP: Habt ihr euch irgendwelche Ziele für 2020 gesteckt und wenn ja, konntet ihr diese bisher erreichen?
Michael: Ehrlicherweise hat die Covid-Krise einige unserer Ziele und Highlights 2020 über den Haufen geworfen. Wir hatten uns beispielsweise mega auf den Besuch von Kamome Shirahama auf der Buchmesse Leipzig gefreut. Und darauf unsere neuen Serien wie Kaguya-sama: Love is War und die Quintessential Quintuplets mit den Fans zu feiern. Letztere sind zum Glück trotzdem gut angelaufen und mit der Zeichnerin von Atelier of Witch Hat konnten wir vereinbaren, dass sie uns signierte Shikishis schickt – die wir bereits an Fans verlost haben.
Ansonsten nähert sich das Herbstprogramm mit großen Schritten und damit auch Chainsaw Man und More than a Doll. Außerdem haben wir endlich mal wieder ein bisschen Girls Love im Programm, mit Vampeerz, Kase-san und I married my best friend, to shut my parents up. Unser Ziel bleibt es dabei, unsere Begeisterung für unsere Titel mit den Leuten da draußen zu teilen, denn da ist einfach richtig gutes Zeug dabei.
MP: Bisher war immer wieder fehlende Kommunikation bei z. B. Zensuren im Manga oder Shopaktionen ein Thema. Wie plant ihr das in Zukunft zu bessern?
Michael: Wir kommunizieren sehr offensiv bei diesen Themen. Shopaktionen sind bei uns immer auf der Webseite des Shops zu finden, werden aber zusätzlich – seit uns die Beschwerden dazu erreicht haben – auch noch mal über unsere Social Media Kanäle gepostet, und zwar bevor die Aktion anfängt.
Der Begriff Manga-Zensur wird immer gerne etwas populistisch gebraucht und stößt bei mir auf wenig Gegenliebe. Bei Manga-Serien haben wir teilweise das Problem, dass wir auf Titel bieten, die in Japan noch nicht abgeschlossen sind. Daher lässt sich manchmal nicht abschätzen, wie sich die Geschichte entwickelt. Wenn jedoch in späteren Bänden Szenen auftauchen, die für uns Grenzen überschreiten, dann haben wir und werden wir uns auch in Zukunft die Freiheit nehmen, diese Szenen zu streichen. Das werden wir dann auch so kommunizieren.
MP: Auf welche Reihe seid ihr besonders stolz diese zu haben und warum?
Michael: Wir sind besonders stolz, dass wir ab Herbst bei uns Chainsaw Man veröffentlichen. Die Serie wird in der Shounen Jump erstveröffentlicht, DEM größten Manga-Magazin Japans und wir haben uns über die Zusage echt gefreut. Das ist mal wieder ein richtiger Shounen-Action-Hit, ziemlich düster, aber auch einfach gut erzählt und mit Zeichnungen, die über die Seiten hinauswachsen.
Wir sind aber auch stolz auf unser feines Boys-Love-Programm. Boys Love ist eines der innovativsten Genres in Japan, hier können und dürfen sich japanische Künstler noch ausprobieren und man ist manchmal echt überrascht, was die für abgefahrene Geschichten in wenigen Bänden erzählen. Und das gilt nicht nur für den Inhalt, zeichnerisch ist zum Beispiel Am Rande des Nachthimmels ein echtes Kleinod.
MP: Vielen Dank für das Interview!