Forderung nach Honorarerhöhungen: Manga- und Light-Novel-Übersetzende veröffentlichen offenen Brief
Sogenannte offene Briefe dienen dazu, gesellschafts- oder kulturpolitische Themen aufzugreifen beziehungsweise empfundene Missstände zu adressieren. Jüngst haben sich 66 Manga- und Light-Novel-Übersetzende aus dem deutschsprachigen Raum öffentlich an Verlage, Medien und Fans gewandt – Grund dafür sind die in Teilen existenzbedrohenden Honorare der freiberuflich tätigen Kräfte.
Der Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V. hat am Morgen des 09. Oktobers 2024 einen „offenen Brief zur Honorarsituation der Manga- und Light-Novel-Übersetzenden im deutschsprachigen Raum“ samt einer daran angeschlossenen Petition veröffentlicht. Darin fordern 66 Freelancer sechs zentrale Punkte zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen, die durch einen Dialog mit den Verlagen schrittweise erreicht werden sollen:
- Eine Erhöhung der Grundhonorare und die Abrechnung nach Normseiten gemäß dem
Vertrag zwischen VdÜ und Börsenverein. - Einen regelmäßigen Inflationsausgleich.
- Eine Staffelung der Honorare bei langjähriger Zusammenarbeit.
- Die Möglichkeit zur Nachverhandlung bei unverhältnismäßigem Mehraufwand (z. B.
Recherche für Manga mit historischem Setting) bzw. Aussicht auf Recherchepauschalen und Eilzuschläge. - Faire Tantiemenregelungen ohne Verrechnung mit dem Basishonorar: Wir verlangen
eine Beteiligung ab dem ersten verkauften Exemplar (in Anlehnung an die Gemeinsame Vergütungsregel des VdÜ; vgl. BGH-Urteile von 2009 und 2011). - Keine unbezahlte Arbeit: Auch die Beschaffung und die Vorbearbeitung des Arbeitsmaterials (Einscannen u. Nummerieren der Seiten), die Glossarführung sowie das Prüfen von Korrekturfahnen müssen angemessen vergütet werden.
Aufgrund der Teuerungen innerhalb der letzten Jahre werde die Übersetzungsarbeit von Jahr zu Jahr unwirtschaftlicher, die Honorare seien „in den letzten zwanzig Jahren kaum oder nur so geringfügig erhöht [worden], dass nicht einmal ein Inflationsausgleich erzielt wird“. Der „übliche kalkulatorische Stundensatz für freiberuflich Übersetzende“, der auch Steuern, Versicherungen, Betriebskosten und Vorsorge umfasst, wird in dem Schreiben auf 70 bis 120 Euro beziffert. Eine interne Umfrage habe durchschnittliche Stundenlöhne von 28,32 Euro für Manga und 29,09 Euro für Light Novels ergeben. Damit sei weder eine verlässliche Familienplanung noch eine adäquate Altersvorsorge möglich.
Laut den Freischaffenden wären im Mittel etwa fünf Manga-Bände pro Monat zu bearbeiten, um ein „existenzsicherndes Einkommen“ zu erreichen, bei vielen Herausgebern sogar sieben oder mehr. Die Folge: Um zu überleben, müssen immer mehr Manga und Light Novels in immer kürzerer Zeit ins Deutsche übertragen oder Nebentätigkeiten aufgenommen werden. Wochenendarbeit sei keine Ausnahme, mehrere freie Tage am Stück oder Urlaub kaum möglich – in Folge drohen Probleme der körperlichen und mentalen Gesundheit, etwa Burn-out.
Die niedrigen Honorare stehen aus Sicht der Freelancer im direkten Kontrast zur Marktentwicklung der vergangenen Jahre: Zuletzt hieß es etwa in einem Artikel des Tagesspiegels, dass der Umsatz mit Manga zwischen 2018 und 2022 von 38 Millionen Euro auf 106 Millionen Euro angestiegen sei – wobei das exakte Gewinnwachstum auf Seiten der Publisher, das etwa durch gestiegene Produktionskosten ebenfalls beeinträchtigt wurde, an dieser Stelle unbeachtet bleibt. Ein in der Online-Ausgabe der Tagesschau namentlich genannter Verlagsleiter erklärte allerdings anlässlich des MANGA DAY 2023, dass seiner Einschätzung nach „ein dauerhaftes Wachstum von 15 bis 20 Prozent im Jahr möglich ist“.
„Die jetzige Situation ist weder tragbar noch nachhaltig. Wir laden die Verlage ein, mit uns in den Dialog zu treten, damit wir die deutschsprachige Leserschaft auch in Zukunft mit vielen fantastischen Manga und Light Novels versorgen können“, erklären die Freischaffenden zum Abschluss ihrer Darstellungen. Es ginge hierbei nicht um „Bashing“, wie eine der Unterzeichnerinnen auf X (ehemals Twitter) noch einmal ergänzend betont.
Bislang – Stand: 10. Oktober 2024, 12 Uhr – hat sich kein Verlag öffentlich zu dem Schreiben geäußert.