Besprechung zu „Die Tage in der Buchhandlung Morisaki“ & „Die Abende in der Buchhandlung Morisaki“
Wir besprechen das Romandebüt des japanischen Schriftstellers Satoshi Yagisawa samt der dazugehörigen Fortsetzung: Die Tage in der Buchhandlung Morisaki und Die Abende in der Buchhandlung Morisaki.
Beide Titel sind im April 2023 beziehungsweise Oktober 2024 unter dem Insel-lmprint des Suhrkamp Verlags als Hardcover auf Deutsch erschienen. Für den Gesamtumfang von rund 190 Seiten und 250 Seiten sind 18,00 € beziehungsweise 20,00 € zu bezahlen. Das Hauptwerk wird mittlerweile auch als Taschenbuch zum Preis von 12,00 € angeboten. Darüber hinaus sind E-Book-Fassungen für 11,99 € beziehungsweise 16,99 € erhältlich.
Inhaltsbeschreibung
Als ihr Freund ihr eines Tages aus heiterem Himmel offenbart, demnächst eine andere Frau zu heiraten, bricht für Takako eine Welt zusammen. Der Mann, dem sie bis zu diesem Zeitpunkt am meisten vertraut hatte, hat sie über Jahre betrogen – obendrein mit einer gemeinsamen Kollegin. Für die junge Angestellte ist das alles zu viel. Sie kündigt ihre Anstellung und beschließt, für eine Weile in den ersten Stock des Antiquariats Morisaki ihres etwas verschrobenen Onkels Satoru zu ziehen.
Inmitten der vielen Bücherstapel und zwischen den vielen Läden von Jinbocho, dem weltgrößten Antiquariatsviertel, findet Takako schließlich die Ruhe, die es braucht, um über den erlittenen Schock hinwegzukommen. Auch die herzlichen Leute aus dem Viertel tragen dazu bei, ihre geschundene Seele zu heilen. Während ihres Aufenthalts trifft sie auf viele neue Menschen, die allesamt ihre eigenen Päckchen zu tragen haben – etwa Tante Momoko, die für mehrere Jahre spurlos verschwundene Ehefrau des Buchhändlers, oder den Büchernarr Wada.
© Satoshi Yagisawa 2010, 2011 | Illustration: © Elisa Menini
Takako wohnt vom Sommer bis zum Frühjahr des darauffolgenden Jahres über dem Verkaufsraum des Antiquariats, und selbst danach besucht sie das kleine Lädchen mit dem etwas muffigem Geruch regelmäßig. Wann immer nötig, packt sie selbst mit an – auch um ihren Onkel und Tante Momoko unterstützen, die in Die Abende in der Buchhandlung Morisaki vor einer schwierigen Lebensphase stehen …
Aufbau und Stil
Während Die Tage in der Buchhandlung Morisaki sich in zwei etwa gleich lange Hälften gliedert und der Text innerhalb dessen noch einmal mit zentriert platzierten Sternchen separiert ist, wurde die Fortsetzung ausschließlich durch größere Absätze geordnet. Eine reguläre Kapiteleinteilung gibt es nicht, so plätschern die einzelnen Erzählstränge vor sich hin. Große Zeitsprünge oder rapide Wechsel im örtlichen Setting sind nicht zu erwarten.
Sprachlich gestalten sich sowohl das Hauptwerk als auch die daran angeschlossene Fortsetzung, die etwa drei Jahre nach Takakos Trennung spielt, auffallend simpel. Wortwahl und Syntax fordern keinerlei Anstrengung, Autor Satoshi Yagisawa legt den Fokus offenbar ganz auf eine leichte Lektüre. Japanische Eigenworte wie bestimmte Epochen werden nicht durch eine Annotation eingeordnet, ein Glossar – das in diesem Fall allenfalls zur Sammlung ausführlicher Erläuterungen zu den (wenn auch überraschend wenigen) im Verlauf genannten Autoren hilfreich wäre – findet sich ebenfalls nicht.
Interessierte können mittels PDF-Leseproben in Die Tage in der Buchhandlung Morisaki und Die Abende in der Buchhandlung Morisaki reinblättern. Während Ersteres von Ute Enders übersetzt wurde, hat Charlotte Scheurer das Sequel ins Deutsche übertragen. Ausgangspunkt war jeweils die japanische Originalausgabe. Die exakte Güte der Übersetzung können wir an dieser Stelle nicht umfassend beurteilen. Grobe Mängel sind, zumindest bei der redaktionellen Bearbeitung, allerdings nicht aufgefallen – anders als vereinzelten Lokalisierungen, die die japanaffine Leserschaft bemerken dürfte.
Fazit
Man könnte meinen, dass bei dem Zweiteiler Bücher, oder Literatur, im Mittelpunkt stehen. Das ist bedauerlicherweise eine irrtümliche Hoffnung, die es von vornherein zu vergessen gilt: Die Tage in der Buchhandlung Morisaki und Die Abende in der Buchhandlung Morisaki thematisieren die ohnehin wenigen Werke und Autoren, die im Verlauf genannt werden, kaum. Nahezu gar nicht. Vielmehr liegt der Fokus auf Zwischenmenschlichkeiten, aus der Gefühlswelt von Protagonistin Takako.
Zu dem Slice-of-Life-Aspekt, der die genretechnische Grundlage bildet, gesellen sich Romance- und Drama-Einflüsse. Gerade Letztere sind der Grund, warum die beiden Bücher trotz ihres unaufgeregten Stils nicht zu den klassischen Feel-Good-Titeln zu rechnen sind. Obwohl grundsätzlich so etwas wie Plot identifiziert werden kann, weiß Satoshi Yagisawa diesen nicht so recht zu verwandeln. Insbesondere der erste Teil zeigt dahingehend große Schwächen.
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Trailer zur japanischen Realverfilmung von Die Tage in der Buchhandlung Morisaki (2010, Regie: Asako Hyuga)
Die Abende in der Buchhandlung Morisaki fällt dagegen durch merkliche Repetitionen der vorangegangenen Geschehnisse negativ auf. Einziger Vorteil: Das Sequel kann dadurch (fast) für sich allein stehen. Gesamtheitlich betrachtet hätte es ein einzelner, stellenweise reduzierter Roman wohl auch getan – Insbesondere weil die Hauptgeschichte zwar einzelne Handlungsstränge offenlässt, deren Weiterführung aber nicht schmackhaft macht. Unserem Empfinden nach war vor allem die im letzten Drittel dargestellte Aufregung rund um die Gesundheit der Tante Momoko zu konstruiert, zu erzwungen. Hier sollten offenbar auf die vielleicht simpelste Weise Emotionen generiert werden. Das ärgert.
Wer auf der Suche nach (trotz aller Tragik) leichter Lektüre ist, wird hier fündig. Entsprechend wenig einprägsam dürfte es das Lesen jedoch sein. Ob sich hier also die Hardcover-Fassung lohnt, sollte individuell abgewogen werden – im Zweifelsfall raten wir gegebenenfalls eher zu der kostengünstigeren Taschenbuch- oder E-Book-Ausgabe.
Disclosure: Der Suhrkamp Verlag hat für diesen Artikel – auf eigenen Antrieb – ein unverbindliches Belegexemplar von Die Abende in der Buchhandlung Morisaki zur Verfügung gestellt. Das vorangegangene Hauptwerk hat der verantwortliche Redakteur auf eigene Kosten bezogen.