„MANGA Plus“-Leser beeinflussen Entscheidung über Anime-Umsetzungen
Nachdem wir zuletzt im August 2021 über die Bezifferung der Nutzerzahlen von MANGA Plus berichteten, hat ein Redakteur kürzlich weitere Einblicke Shueishas Strategie mit dem kostenfreien Service gegeben.
In einem Blog-Eintrag vom 9. Januar 2022 hat Herr Momiyama, welcher Redakteur bei MANGA Plus und Shounen Jump+ ist, die Gründe für das direkte Betreuen des Online-Services durch die Redaktion von Shounen Jump+ erläutert. Dabei nennt er Vorteile, Herausforderungen und auch den Einfluss, welchen der kostenfreie Service und damit die internationalen Leser auf die Prozesse in Japan haben – MANGA Plus ist in Japan selbst nicht verfügbar.
Bei seinen Ausführungen verdeutlicht er, dass es sich bei dem Vorgehen, den Service direkt durch die Redaktion zu betreuen, um eine Seltenheit handelt. Normalerweise vergeben Verlage durch eine entsprechende Lizenzabteilung die Rechte an einem Werk zur Veröffentlichung und den Vertrieb im Ausland an lokale Verlage. Durch Lokalisierungen konnten bisher, so Momiyama, die Beliebtheit und der Umsatz von Manga-Werken deutlich gesteigert werden.
Die Hauptaufgabe der Redaktion sei unterdessen das Erschaffen von neuen und interessanten Manga-Serien. Dies passiert heute, neben dem gedruckten Shounen Jump-Magazin auch online über den eigenen kostenfreien Service von Shueisha, Shounen Jump +, welcher im September 2014 für den japanischen Heimatmarkt gegründet wurde.
Als ein Grund nennt Momiyama die Annahme, dass der Übersee-Markt bald deutlich zulegen und in Zukunft mit dem japanischen Markt gleichziehen werde. Es sei in der inländischen Manga-Industrie mittlerweile hinreichend bekannt, dass die weltweite Verbreitung wachse. Für Mangaka steige die Rate von Einkünften aus dem Ausland ständig und erheblich.
Er untermauert sein Argument mit mehreren Referenzen. Unter anderem ein Hinweis von Kodansha aus Dezember 2019, wonach der Anteil des Umsatzes aus dem Ausland 20 Prozent ausmache. Weiter führt er die Beliebtheit von One Piece und der Anzahl der im Umlauf befindlichen Bände der Shounen-Reihe, welche im letzten Jahr in Japan mehr als 400 Millionen Bände, und in Übersee 90 Millionen Bände überschritt. Auch habe er Gerüchte gehört, dass Shueisha 2021 den internationalen Umsatz fast verdoppelt habe. Besonders interessant ist die Benennung von Zahlen zum französischen Manga-Markt: Die Erstauflage von Band 1 der populären Reihe Monster #8 habe in Frankreich bei 250.000 Büchern gelegen. Das Werk Dandadan solle unter außergewöhnlichen Bedingungen nach Frankreich lizenziert worden sein.
Ferner erinnere ihn die derzeitige Situation an die Aufbruchsstimmung vor zehn Jahren, als man begann E-Books zu veröffentlichen, welche mittlerweile aus dem japanischen Manga-Markt nicht mehr wegzudenken sind.
Ein weiterer Grund für das direkte Betreuen der Redaktion von MANGA Plus sei die Tatsache, dass der ausländische Anime-Markt den inländischen bereits überholt habe, und dadurch Entscheidungen für Anime-Umsetzungen – und Fortsetzungen – von Manga mittlerweile unmittelbar von der Beliebtheit des Werkes in Übersee abhängig seien. Dabei wirke sich die Umsetzung eines Manga in einen Anime allerdings auch in Japan stark auf Beliebtheit und Umsatz aus.
Heutzutage kann die Chance, eine Anime-Umsetzung zu erhalten, gesteigert werden, wenn das Werk bei MANGA Plus in Umfragen beliebt sei, da man, unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen Faktoren, besonders Manga umsetzen möchte, welche auf dem lukrativen Übersee-Markt Potenzial haben. Dabei ist es insbesondere von Vorteil, dass Daten von Serien erhoben werden können, welche noch nicht außerhalb Japans lizenziert wurden. Aber auch zu bereits ins Ausland verkauften Reihen können entsprechende Daten verwertet werden.
Momiyama sieht die Hauptaufgabe eines jeden Redakteurs darin, neue und interessante Manga zu erschaffen. Neben den Fähigkeiten der Mangaka spielt für diese Aufgabe auch die Art der Veröffentlichung von Werken durch Magazine selbst eine wichtige Rolle. Der ganze Prozess ähnle dem Aufziehen eines Kindes. Dabei ist der Gedanke, dass ein Werk von einem Magazin erschaffen („geboren“) wird und gemeinsam mit den Lesern geformt („großgezogen“) wird.
Das Ziel von MANGA Plus sei, interessante Manga in der ganzen Welt verbreiten zu können. Dank dem technologischen Fortschritt kann die Redaktion von Shounen Jump+ nun also selbst weltweit (digital) neue Werke veröffentlichen. Und damit kann nicht mehr nur ein einzelnes Werk exportiert werden, sondern gar der ganze Shounen Jump-Mechanismus. Die internationalen Leser können jetzt also auch Manga mitformen. Bisher war eine Lokalisierung von japanischen Magazinen im Ausland nicht üblich, sodass diese Möglichkeiten wegfielen. Die Funktionen sind neben Leserumfragen als Grundlage für Serialisierungen auch das Investment in neue Talente und deren Betreuung. All das könne dank Services wie MANGA Plus jetzt weltweit passieren.
Mittlerweile ist MANGA Plus zu einer Größe auf dem internationalen Manga-Markt geworden. Laut Momiyama gab es sogar bereits einen Fall, bei dem zu einem Werk eine ausländische Realverfilmung angefragt wurde, welches zu dem Zeitpunkt nicht einmal in einem japanischen Band zusammengefasst war, aber weltweit bereits über den Online-Service veröffentlicht wurde.
Zusammenfassend sei man damit aber erst am Anfang. Der Redakteur macht sich besonders um fehlendes technisches Knowhow und Erfahrung, Manga weltweit in verschiedenen Sprachen anzubieten, Sorgen. Denn dies war, wie bereits eingangs erwähnt, bei Shueisha bisher nicht üblich. Dazu suche man nun Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken, unter anderem mit Jump Digital Lab, einem Projekt von Shueisha, das sich rund um digitale Verbreitung dreht. Wie dringend die Redaktion auf fähige Personen angewiesen ist, kann man wohl auch seinem anschließenden Aufruf nach Bewerbungen von Personen, welche entsprechende Erfahrungen und Motivation bei der internationalen Verbreitung haben, entnehmen.
Über MANGA Plus
Der kostenfreie Service MANGA Plus von Shueisha startete am 28. Januar 2019 als App und Webseite, um der Leserschaft aus Übersee zu ermöglichen, die Lieblingsmanga wöchentlich legal zum Erscheinungsdatum in Japan verfolgen zu können. Derzeit wird der Service in sieben Sprachen angeboten: Englisch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch, Russisch, Indonesisch und Thailändisch.
Auf der Webseite lassen sich beliebte Titel wie One Piece, My Hero Academia oder Spy x Family simultan mit dem japanischen Original-Release verfolgen. Der Service bietet außerdem die Möglichkeit, sich mit Fans auf der ganzen Welt über die jeweiligen Lieblingsmanga auszutauschen. Shueishas MANGA Plus tritt als kostenlose wie legale Plattform der Manga-Piraterie stark entgegen.