Besprechung zu Yukio Mishimas „Bekenntnisse einer Maske“
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Nachdem wir im vergangenen Jahr schon Yukio Mishimas Sonne und Stahl aus dem mitteldeutschen verlag besprochen haben, rücken wir nun weitere Werke von Japans wohl meistübersetztem Autor in den Mittelpunkt. Den Anfang macht Bekenntnisse einer Maske.
Bei dem vorliegenden Release von Herausgeber Kein & Aber handelt es sich um eine Neuübersetzung von Nora Bierich, das Werk erschien hierzulande erstmals 1964 unter dem Titel Geständnis einer Maske im Rohwolt Verlag. Neben der Hardcover-Fassung für 22,00 € ist eine Taschenbuchausgabe zum Preis von 14,00 € erhältlich. Letztere wartet mit einem intensiv roten Farbschnitt auf. Das E-Book kostet 12,99 €. Geboten wird jeweils ein Gesamtumfang von um die 220 Seiten, inklusive Glossar.
Inhaltsbeschreibung
Kochan behauptet beharrlich, sich an seine Geburt zu erinnern – sehr zum Leidwesen der Erwachsenen, die den Jungen nur belächeln oder gar für verrückt erklären. Schon als Kind bemerkt der Sonderling, dass ihn vor allem zwei Dinge faszinieren: die Ästhetik des Todes und der männliche Körper. Insbesondere die Kombination von beidem, wie sie etwa bei Darstellungen des Heiligen Sebastian zu finden ist, reizen den kränklichen Jungen.
Gleichzeitig, und das muss der älteste Sohn einer durchaus gehobenen Familie schon früh erkennen, zwingt ihn das gesellschaftliche Treiben, seine ureigene Natur zu verheimlichen, zu verleugnen. Allerdings hat diese selbst aufgesetzte Maske, die sich gleichermaßen nach innen und nach außen richtet, einen Preis: Sie führt in den folgenden Jahren zu einem bitterlichen Kampf zwischen sozial konstruierter „Normalität“ und Individualität. Und all das inmitten der (Vor-)Wehen des Zweiten Weltkriegs.
Immer wieder flüchtet Kochan gedanklich in eine Art Fantasiewelt, um zumindest kurzzeitig ein Gefühl innerer Balance zu erreichen. Ein Selbstbetrug. Als er im jungen Erwachsenenalter schließlich Sonoko, die ebenfalls aus einem gut situierten Haushalt stammt, kennenlernt, unternimmt Kochan einen letzten Versuch, „seiner“ Vorstellung von Normalität gerecht zu werden …
Aufbau & Stil
Der Roman ist in vier Kapitel unterschiedlicher Länge gegliedert. Perspektivisch wird sich auf zwei fließend ineinander übergehenden Ebenen bewegt. Einerseits werden die Geschehnisse hautnah aus der unmittelbaren Sichtweise von Kochan heraus vermittelt, andererseits reflektiert eben jener Protagonist die erzählten Ereignisse noch einmal aus einer (zeitlich) distanzierten Position.
Wenngleich Masturbation als „schlechte Gewohnheit“ umschrieben wird, scheint gesamtheitlich betrachtet kaum ein Blatt vor den Mund genommen. In dem semi-autobiografischen Roman formuliert der 1925 geborene Autor nicht nur seinen eigenen Bezug zur Homosexualität, sondern geht auch auf seine Vorlieben darüber hinaus ein – die Ästhetik des Todes, wie sie von anderen Werken Yukio Mishimas bestens bekannt ist, nimmt dabei einen besonderen Platz ein.
Der angelegte Stil zeichnet sich durch eine simple Sprache mit dynamischen Formulierungen aus. Yukio Mishima gelingt es, mit wenigen Worten große, lebendige Vorstellungen zu erwecken. Durch die personale Erzählperspektive wird dieser Effekt zusätzlich verstärkt.
An der von Nora Bierich angefertigten Übersetzung aus dem Japanischen sowie der redaktionellen Bearbeitung ist nichts auszusetzen, selbst orthografische Fehler sind über den gesamten Verlauf hinweg nicht aufgefallen. Interessierte finden an dieser Stelle *WERBUNG via Amazon eine Online-Leseprobe. Diese erlaubt es, einen Teil des ersten Kapitels kostenlos zu lesen.
Fazit
Bekenntnisse einer Maske ist im Gegensatz zu dem eingangs erwähnten Sonne und Stahl kein (wesentlich) politischer Roman, sondern ein Drama auf Individualebene. Zugleich ist das Werk, obwohl vereinzelt (an-)klagende Töne zu vernehmen sind, keine traditionelle Gesellschaftskritik. Auch auf ein Plädoyer für die Akzeptanz von Homosexualität – ein Begriff, der im Übrigen nicht einmal genannt wird – ist verzichtet.
Vielmehr ist die Erzählung ein erstaunlich freizügiger, und dadurch umso faszinierender, Report über die belastete Psyche eines jungen Mannes in einer historisch angespannten Zeit. Yukio Mishima besticht mit offenkundig autobiografisch gefärbten Schilderungen und einem greifbaren Schreibstil. Wer mit der Person des Autors vertraut ist, wird zahlreiche Überschneidungen mit Kochan identifizieren – angefangen bei dem Verständnis von Ästhetik. Der Verweis auf westliche Literaten, etwa den Marquis de Sade und Stefan Zweig, ist genauso typisch für den 1925 geborenen Künstler, der aufgrund seiner politischen Ausrichtung als umstritten gilt.
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Nach unserem Dafürhalten ist Bekenntnisse einer Maske in vielerlei Hinsicht eine spannende, das heißt interessante, Lektüre. Der Roman bietet verschiedene Ansätze, um sich in die Geschichte einzudenken, angefangen bei der Reflexion über gleichgeschlechtliche Neigungen. Das Buch glänzt nicht zuletzt durch die gebotene Inhaltsdichte – auf 220 Seiten wird reichlich Stoff für anschließendes Philosophieren angereicht. Wir empfehlen es allen, die sich für historische Stoffe aus dem Japan des 20. Jahrhunderts interessieren. Neueinsteiger finden hier einen niedrigschwelligen Zugang in das Schaffen von Yukio Mishima. Mit Blick auf die Aufmachung ist ganz nach der eigenen Präferenz zwischen Soft- und Hardcover zu wählen.
Abschließend bedanken wir uns bei Kein & Aber für das Zurverfügungstellen eines Belegexemplars zur Unterstützung unserer Arbeit.