Ersteindruck: anti alpha – ein unzensierter BL-Manga von Waku Okuda
Nachdem wir euch bereits den soften Einzelband Dann denk ich an dich von Komatsu vorstellten, haben wir uns direkt einen weiteren Titel von Egmont Manga angeschaut. Auch dieser ist dem Boys Love-Segment entstammend – allerdings auf ein deutlich erwachseneres Publikum ausgerichtet. Die Altersempfehlung von 18 Jahren ist für diesen Manga definitiv berechtigt. Im Folgenden Text dazu mehr.
Zunächst ist sich den physischen Eigenschaften des Buches zu widmen. Hier fällt der Spotlack des Covers, des Buchrückens und der Buchrückseite auf. Die roten Stellen, ob Schriftzug oder die ineinander geschlungenen Zungen der beiden Protagonisten, sind durch diesen edel hervorgehoben. Ansonsten ist das schwarze Cover angenehm matt gehalten. Aber Vorsicht: Fingerabdrücke sind direkt sichtbar.
Der Einzelband beinhaltet eine Geschichte, welche sich auf die gesamten 178 Seiten erstreckt – dieser ist somit kein Kurzgeschichtenband. Entsprechend ist das Motiv der Hochglanz-Farbseite gewählt. Jenes zeigt die beiden Protagonisten des Bandes mit Blick auf deren entblößte Brust- und Bauchmuskelatur. Auf der Rückseite dieser Abbildung ist leider kein weiterer Aufdruck zu erwarten.
Dennoch liegt anti alpha im Preisvergleich mit 7,50 Euro (D) durchaus im normalen Preissegment von deutschsprachigen Boys Love-Manga.
Wie die Namensgebung vielleicht bereits erahnen lässt, handelt es sich beim vorliegenden Manga um einen sogenannten Omegaverse-Titel. In dieser fiktiven Welt gibt es sogenannte Alphas, Betas und Omegas. Während die Alphas der Welt dominante, wilde und attraktive Männer sind, ist ein Omega eher das Gegenteil von dieser Beschreibung: klein, schmächtig und den Alphas hoffnungslos untergeordnet.
Das ist die natürliche Ordnung des Settings. Zusätzlich sind in der von Waku Okuda erdachten Situation die pubertierenden Männer gemäß ihrem Typus verschiedenen Bildungseinrichtungen zugewiesen. Die Handlung setzt an einer Alpha-Schule ein. Dort sind die beiden Teenager Sena und Kamishiro bittere Rivalen. Der weißhaarige Kamishiro kann seinem Konkurrenten nicht verzeihen, dass dieser das Match mit seinem Kindheitsfreund Shion wenig ernst nimmt. Ein Match meint hierbei einen Partner, der durch genetische Tests ermittelt wurde.
Allerdings scheint die Abneigung gegenüber Sena noch eine weitere, viel tiefer zu verortende Ursache zu haben. Als Sena schließlich von Kamashiro beim Sex erwischt wird und dessen intensive Pheromone auf den Beobachter einzuwirken beginnen, bröckelt die Fassade des Musterschülers schnell. Eine ungewollte Lust überfällt den ansonsten als beherrscht bekannten Teenager plötzlich.
Als Sena diese Veränderung bemerkt, regt sich bei dem dominanten Schönling aus gutem Hause ein besonderes Interesse an Kamashiro …
Nachdem bereits die innovative Handlung durchaus bei uns Anklang fand, möchten wir uns nun dem Zeichenstil widmen. Auch dieses Taschenbuch von Waku Okuda (u. A. No Color Baby) brilliert erneut durch saubere Linienführung. Somit erscheint der Manga gut strukturiert. Große Zeichnungen sind ausgiebig vorhanden und betonen die Zeichenkunst zusätzlich.
Zudem gefällt das maskuline Charakterdesign von Sena sehr. Die dunklen und gestylten Haare, die Gesichtsform sowie der Körperbau sind äußerst ansprechend. Kamashiro dagegen ist eher lüstern dargestellt. Beide Charaktere ergänzen sich auch optisch hervorragend – insbesondere aufgrund der Haarfarben.
Außerdem erwähnenswert ist der Härtegrad der Erotik. So ist erfreulich, dass der vorliegende Manga komplett frei von Zensur ist. Keine Stelle des Körpers, auch nicht die primären Geschlechtsorgane beider Protagonisten, ist durch weißte Flächen oder andere bekannte Methoden unkenntlich gemacht. Die Altersempfehlung ab 18 Jahren ist durchaus gerechtfertigt.
Genauestens ist abgebildet, wie beide ihrer körperlichen Lust nachgehen. Dabei bedient Waku Okuda verschiedene Vorlieben und gestaltet das Vergnügen von Sena und Kamishiro, sowie weiterer Figuren, ansehnlich. Jedoch nur, wenn explizite Inhalte durch die Leserschaft ebenso ausdrücklich verlangt werden.
Obwohl die vorliegende Geschichte sicherlich sehr sexualisiert verläuft, bleibt unbedingt zu erwähnen, dass den Gefühlen beider Figuren ausreichend Raum zur Entwicklung gegeben ist. Bereits ab dem zweiten Kapitel ist ein dahin gerichtetes Umdenken zu bemerken. Der Manga schafft den Spagat zwischen Emotion und körperlichen Begierden gelungen darzustellen.
Sowohl das Bedürfnis nach einer glaubwürdigen Handlung als auch nach einer gehörigen Portion Erotik wird durch diesen Einzelband befriedigt. Es ist allerdings schade, dass die Gruppe der Betas in der Erzählung keinerlei Relevanz hat. Dafür erwies sich die Idee des Matchings als durchaus interessant, wenn auch bereits aus diversen Romance-Titeln wie, z. B. Love & Lies, bekannt.
Ebenfalls ist zudem die Auflösung des Geheimnisses, ein erster Plottwist, von Kamashiro, das wir nicht vorwegnehmen möchten. Diese Idee erscheint uns durchaus originell und gefällt somit. Zwar mögen dessen Hintergründe eher bekannter Natur sein, doch ist die Umsetzung geglückt. Auch für Einsteiger in das Segment des Omegaverse ist der Titel geeignet, da das Worldbuilding sehr verständlich ist und bleibt.
Als Fazit möchten wir daher zusammenfassen: Der Einzelband besticht vor allem durch die aufreizenden Szenen. Diese sind ästhetisch wie pikant-unanständig dargestellt. Dennoch ist die Geschichte keineswegs ohne dahinterstehende Handlung. Neben der allgemeinen Charakter-Entwicklung, weiß die Darlegung der Emotionen von Okudas Figuren zu gefallen.
Mit dem abschließenden Epilog ist die Handlung rund abgeschlossen. Ein Gefühl von innerlicher Leere und dem Bedürfnis nach einer – oftmals wohl nie erscheinenden – Fortsetzung bleibt aus. Meine persönlichen Erwartungen an meinen ersten Omegaverse-Titel wurden erfreulicherweise übertroffen. Nun möchte ich mehr – gerne ebenso anrüchig! Denn anti alpha ist ein erneuter Beweis, dass auch erotische Werke vielschichtig sein können. Natürlich ist es letztlich an der Leserschaft zu entscheiden, wie viel Frivolität erwünscht ist.
Der Verlag ist für die Verfügbarmachung des gänzlich unzensierten Materials auf jeden Fall erneut abschließend zu loben.
Final ist zusätzlich ein Dankeschön an die Redaktion von Egmont Manga zu richten. Diese stellte uns bereits vor offiziellem Release am 5. August ein Exemplar zur Verfügung, sodass wir den Band für euch unter die Lupe nehmen konnten. Eine Leseprobe ist zurzeit leider nur in der aktuellen Ausgabe des Boys Love-MANGAzins verfügbar. Die Verlagsvorschau ist kostenlos bei diversen Händlern erhältlich.