Besprechung zu Suehiro Maruos „Der lachende Vampir“ – Band 01
Im vergangenen Monat haben wir unsere Besprechung zu Midori – Das Kamelienmädchen vorgelegt. Parallel ist bei Reprodukt Band 01 der Der lachende Vampir-Neuausgabe erschienen. Auch diesen Titel von Mangaka Suehiro Maruo haben wir interessiert gelesen, unsere Eindrücke dazu legen wir im Folgenden dar.
Der Auftaktband ist 2003 schon einmal auf Deutsch erschienen, die Veröffentlichung wurde danach jedoch nicht fortgesetzt. Seit Anfang Mai ist Band 01 in einer zweiten, überarbeiteten Auflage wieder erhältlich. Für November ist das langerwartete Finale des Zweiteilers angekündigt. Der lachende Vampir wird wie Midori – Das Kamelienmädchen als großformatiges Flexcover angeboten. In dem fast 240 Seiten starken Gesamtumfang sind mehrere Farbseiten in Rot-Schwarz-Weiß und ein Nachwort der deutschen Japanologin und Kunstwissenschaftlerin Jaqueline Berndt enthalten. Preislich liegt der Titel bei 24,00 €, eine E-Book-Fassung ist nicht angekündigt.
Weil bislang nur vergleichsweise wenige Läden überhaupt Reprodukt-Titel führen, kann es gegebenenfalls nötig sein, eine gesonderte Bestellung aufzugeben – mit der ISBN-Nummer 978-3-95640-328-6 sollte das bei größeren Geschäften und Buchhandelsketten in der Regel aber ohne Probleme gelingen. Alternativ empfiehlt es sich, eine Bestellung über den verlagseigenen Online-Shop aufzugeben. Das unterstützt den kleinen Independent-Publisher.
Inhaltsbeschreibung
Aufgrund ihres monströsen Aussehens wurde eine namenlose Frau in einer Zeit von Krise und Leid als Onibaba, als Dämon, verurteilt und gelyncht – im Strick tat sie ihren letzten Atemzug, doch sie blieb nach dieser Hinrichtung nicht tot. Als Vampir wiedererwacht, „lebt“ sie inzwischen seit fast 130 Jahren. Ihr jetziges Dasein ist von einem unstillbaren Blutdurst geprägt. Verkleidet als Medium lungert sie herum, dabei wird sie auf den jungen Mori aufmerksam.
Der Mittelschüler lauscht ihren Erzählungen gespannt. Schließlich wird er durch sie selbst in ein Wesen der Nacht verwandelt, als solches soll Mori ihr fortan zu neuen Opfern verhelfen. Getrieben von seinem eigenen Verlangen nach Blut folgt er der Anweisung. Dadurch lernt er schrittweise seinen neuen Körper kennen. Als Vampir verfügt Mori zwar über gesteigerte Kräfte, muss aber Einschränkungen in seinem alltäglichen Leben hinnehmen. Beispielsweise ist Kontakt zu Sonnenlicht nun unerträglich für ihn geworden.
Während sich Moris Bewusstsein zunehmend verändert, suchen weitere mysteriöse Ereignisse die Stadt heim. Von Brandstiftung über Mord bis hin zu Prostitution Minderjähriger und den Umgang mit bewusstseinsverändernden Substanzen – einige von Moris Mitschülern verbergen ebenfalls düstere Geheimnisse. Inmitten all dieser unsagbaren Gräueltaten entwickelt sich zwischen dem jungen Vampir und seiner etwa gleichaltrigen Klassenkameradin Luna eine dramatische Liebesgeschichte …
Visualisierung
Die Zeichnungen weisen starke Schwarz-Weiß-Kontraste auf. Diese sind sehr charakteristisch für Suehiro Maruo und verfügen somit über einen hohen Wiedererkennungswert – wer einmal ein Werk von dem 1956 Geborenen gelesen hat, kann sicher sein, dass sich der Stil, vor allem in Verbindung mit den grotesken Inhalten, eingebrannt hat. Die Optik ist einerseits realitätsnah angelegt, andererseits höchst eigentümlich. Gerade jene Ambivalenz schafft einen gewissen Reiz.
Brust und Glied sind nicht detailliert ausgearbeitet, aber doch deutlich zu erkennen. Das Arrangement ist durch den Kontext zwangsläufig sexualisiert, aber nicht erotisch – das ist auch nicht die Intention. Im Mittelpunkt jener Szenen stehen überwiegend Minderjährige, auf einige könnte Der lachende Vampir daher befremdlich wirken. In Kombination mit den Darstellungen (tödlicher) Gewalt wird dieser Eindruck zusätzlich verstärkt. Damit ist ein schaurig-bedrückender Flair geschaffen, der sich durch alle Kapitel zieht.
WARAU KYUKETSUKI © 2000 SUEHIRO MARUO / AKITA PUBLISHING CO., LTD.
Der Release ist wegen der Altersempfehlung von ab 18 Jahren eingeschweißt. Selbst wenn der Manga also im Handel des Vertrauens verfügbar ist, kann vor dem Kauf in der Regel nicht reingeblättert werden. Auf der offiziellen Verlagswebseite stehen neben den oben gezeigten ein paar weitere Innenseiten zur freien Ansicht bereit.
Über Suehiro Maruo
Suehiro Maruo (Jahrgang 1956) brach frühzeitig die Schule ab und hielt sich zunächst mit Ladendiebstählen über Wasser. Als Achtzehnjähriger entdeckte er sein Interesse fürs Zeichnen, das er sich selbst beibrachte. Seine frühesten Arbeiten, die er bei dem Magazin “Weekly Shonen Jump” des japanischen Verlagshauses Shueisha einreichte, wurden prompt abgelehnt, denn seine düsteren, phantastischen Geschichten wollten nicht in die Welt des kommerziellen Mainstream passen. Erst fünf Jahre später wagte er einen neuen Versuch, diesmal mit erotischen Manga, unablässig auf der Suche nach künstlerischen Freiheit. In der Tradition japanischer Holzschnittarbeiten des 19. Jahrhunderts schrieb und zeichnete er Geschichten über Axtmörder, Abtreibungen, Vergewaltigungen und Inzest – dargereicht mit gerade so viel graphischem Detail wie es die Zensur der siebziger Jahre erlaubte.
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Aber Maruo ist kein typischer Zeichner von Sex und Gewalt, er gilt heute als einer der bekanntesten Manga-Zeichner, der sich in seinen Arbeiten auch immer wieder mit dem frühen Nachkriegsjapan beschäftigt. Viele seiner Geschichten wurden zunächst in dem alternativen Magazin “Garo” veröffentlicht, bevor sie als Buch erschienen, und seine Arbeiten sind von einer Eleganz und Perfektion, deren Pendant vielleicht am ehesten in den Zeichnungen eines Charles Burns zu finden ist. Seine Themen umfassen ein weit größeres Spektrum als bei erotischen Manga üblich, seine Bücher werden in aufwändiger Ausstattung veröffentlicht und seine Lithographien verkaufen sich zu hohen Preisen. Zu Suehiro Maruos bekanntesten Arbeiten gehören “Midori – Shojo Tsubaki” und “Planet of the Japs”.
Mit “Warau Kyuketsuki – Der lachende Vampir”, vorabgedruckt im “Young Champion”-Magazin und als Buch bei Akita Shoten veröffentlicht, erschien der erste Manga von Suehiro Maruo bei Reprodukt. (© Reprodukt GmbH)
Fazit
Es ist eine Bereicherung für den deutschsprachigen Manga-Markt, dass Der lachende Vampir endlich wieder verfügbar ist – wenn auch sicherlich nicht für jede:n. Das Werk richtet sich explizit an ein ausgesuchtes Publikum, das auf der Suche nach etwas Unkonventionellem ist. Wer sich für eine Horrorgeschichte rund um tabuisierte Szenarien mit einem Hauch von Fantasy interessiert, wird hier fündig.
Genreerfahrene Leser:innen sollten aber nicht zwangsläufig ein Novum in der Comickunst erwarten, einzelne Teilaspekte sind durchaus bereits von anderen Titeln bekannt. Die große Stärke des Mangas liegt vor allem in der atmosphärischen Inszenierung, erzähltechnisch und visuell. Der lachende Vampir ist keinesfalls leichte Kost und sollte von Zartbesaiteten tendenziell gemieden werden.
Gewalt und Sexualität fließen in der Reihe nahtlos ineinander, dies ist das zentrale Markenzeichen von Suehiro Maruo, der das Ero-Guro-Segment damit wie kein anderer geprägt hat. Der Mangaka bewegt sich in seinen Erzählungen mit der Abbildung von Gräuel jeglicher Art scheinbar uneingeschränkt. Kunstfreiheit wird an dieser Stelle großgeschrieben. Es schockiert und besticht zugleich.
Im Gegensatz zu Midori – Das Kamelienmädchen wird die Leserschaft nicht zu Interpretationen genötigt, die vorliegende Geschichte ist deutlich zugänglicher. Dadurch kann der Horroraspekt effektiv wirken. Unserer Meinung nach ist der Zweiteiler, soweit wir das vom Auftakt ausgehend beurteilen können, ein guter Titel, um sich mit den außergewöhnlichen Arbeiten des Mangakas vertraut zu machen.
Abschließend bedanken wir uns herzlich bei Reprodukt für die unverbindliche Zurverfügungstellung eines Belegexemplars.