Interview mit Yuki Shirono: Sauerkraut und Sojasauce und die Inspiration dahinter
Wir präsentieren ein Interview mit der Autorin von Sauerkraut und Sojasauce, Yuki Shirono. Der Comic-Essay erschien kürzlichst im Mahoroba-Verlag. Weitere Informationen dazu findet ihr hier. Wir wünschen viel Spaß mit dem Interview! Nachfolgend werden wir uns mit MP und Shirono-sensei mit Shirono abkürzen.
MP: Hallo Shirono-san und vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen für das kleine Interview mit uns.
Shirono: Ich habe zu danken! Über die Einladung habe ich mich sehr gefreut.
MP: Sie leben inzwischen in Deutschland, wie genau kam es dazu? Haben Sie sich schnell an die andere Kultur und neue Sprache gewöhnt?
Shirono: Als ich in Japan studiert habe, lernte ich meinen deutschen Mann kennen, der als Auslandsstudent an meiner Uni studierte. 2015, nach meinem Studium, haben wir geheiratet und ich bin nach Hamburg gezogen.
Davor hätte ich nie daran gedacht, ins Ausland zu ziehen. Ich dachte immer, dass ich in Japan am besten weiter Manga zeichnen kann. Aber nachdem ich nach Deutschland gezogen bin und viele neuen Leute und Kulturen kennengelernt habe, sind mir viel mehr gute Ideen für meinen Comic gekommen. Es war natürlich nicht einfach, eine neue Sprache zu lernen und mich einer komplett neuen Situation anzupassen, aber mein Leben in Deutschland gefällt mir sehr.
Jetzt wohne ich auf dem bayerischen Land und die Sprache und die Kultur hier sind natürlich sehr anders als in Hamburg. Aber es macht mir Spaß, immer wieder neue Sachen kennenlernen und erfahren zu dürfen.
MP: Wollten Sie schon immer professionelle Mangaka werden? Wie sind Sie dazu gekommen?
Shirono: Es war schon seit meiner Kindheit mein Traum, Mangaka zu werden. Das Zeichnen und mir Geschichten auszudenken waren immer meine große Leidenschaft. Natürlich bin ich auch mit vielen Manga und Anime groß geworden, also war es für mich fast selbstverständlich, dass ich angefangen habe, selbst Manga zu zeichnen.
Als ich noch studiert habe, habe ich mein Manga bei der Redaktion der Comic-Zeitschrift „Monthly Afternoon“ eingereicht und die fanden ihn wohl nicht so schlecht. Seitdem zeichne ich Manga eben beruflich und nicht mehr nur als Hobby.
MP: Sie arbeiten als japanische Mangaka, aber von Deutschland aus. Wie lässt sich beides unter einen Hut bringen? Vor allem die Kommunikation mit ihrem Redakteur wird durch die Zeitverschiebung vermutlich komplizierter sein? Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Shirono: Ich zeichne inzwischen alles digital. Insofern bin ich recht frei bei der Wahl meines “Arbeitsplatzes”. Als ich meine Comic-Serie „Atari no Kitchen!” gezeichnet habe, war es aber doch ein bisschen schwierig, da ich für die Recherche nicht direkt ähnliche Handlungsorte wie die in meinem Comic oder Interviewpartner in Japan besuchen konnte. Da brauchte ich schon manchmal ein bisschen Input von meinem Redakteur oder meiner Familie, die in Japan leben.
Die 7 bzw. 8 Stunden Zeitverschiebung sind natürlich auch nicht ideal, da es in Japan schon 16:00 oder 17:00 Uhr ist, wenn ich in Deutschland z.B. um 9:00 anfange zu arbeiten. Ich müsste also eigentlich die Arbeit für den nächsten Tag schon am Tag davor fertig machen und abschicken, aber das wirklich zu schaffen ist ganz schön schwierig…
Da mein Redakteur allerdings auch eher spät arbeitet, weil viele andere Mangakas auch oft bis abends oder nachts arbeiten, haben wir glücklicherweise immerhin mit dem Telefonieren kein Problem.
MP: Auch Ihr Werk „Atari no Kitchen” hat mit dem Kochen zu tun. Wie unterscheidet sich dieses zu „Sauerkraut und Sojasauce“?
Shirono: Atari no Kitchen ist ein Fiction-Comic und die Geschichte geht darum, dass eine sehr schüchterne, introvertierte Köchin im Kochen eine Möglichkeit findet, mit ihren Mitmenschen zu kommunizieren, da sie sich mit sozialen Situationen eher schwertut. Die Geschichte hat also nichts mit Deutschland zu tun und geht auch eher um zwischenmenschliche Kommunikation. In diesem Comic habe ich oft
Geschichten erzählt, in denen es um japanische Gerichte geht, die ich in Deutschland nicht selber kochen kann und vermisse.
Sauerkraut und Sojasauce ist dagegen ein Essay-Comic und handelt davon, wie ich in Deutschland japanische Gerichte mit deutschen Zutaten nachkoche. Es hat wirklich viel Spaß gemacht, eine Comedy mit meinen eigenen Rezepten zu zeichnen.
MP: Was ist Ihr persönliches Lieblingsessen? (Bitte ein Deutsches und ein japanisches Gericht) Und welches Gericht aus Sauerkraut und Sojasauce ist Ihr persönlicher Favorit?
Shirono: Das japanische Gericht, das ich am meisten vermisse, ist Sashimi mit ganz frischem Fisch und Muscheln. Dazu perfekt wäre ein kühler Sake!
Hier in Deutschland mag ich zum Beispiel hausgemachte Maultaschen oder Käsespätzle mit Röstzwiebeln aus Schwaben, frische Weißwurst mit süßem Senf aus Bayern und vor allem ganz einfachen Kartoffelsalat mit Zwiebeln, Öl und Essig. Wie ich auch im Comic geschrieben habe, liebe ich deutsche Kartoffeln sehr!
Von den Gerichten in meinem Buch kann ich wirklich alles empfehlen, aber ich persönlich mache oft das Chirashi-Sushi zuhause. Es ist erstaunlich, wie gut Sushi auch ohne Fisch schmeckt.
MP: Wie lang saßen sie an einem Kapitel von Sauerkraut und Sojasauce, also inklusive das Gericht kochen und dem Zeichnen?
Shirono: Von Sauerkraut und Sojasauce wurde immer eine Episode pro Woche im Internet in Japan veröffentlicht und ich habe damals gleichzeitig auch Atari no Kitchen gezeichnet – also zusätzlich eine 32-seitige Episode, die jeden Monat veröffentlicht wurde. Also hatte ich ungefähr 3 Tage pro Woche Zeit für eine Episode von Sauerkraut und Sojasauce. Wenn das Rezept also nicht auf Anhieb gut geschmeckt hat, wurde es oft knapp mit dem Abgabetermin - z.B. die Episode über die „Shrimp-Senbei“ war sehr aufwendig. Aber das war es auf jeden Fall wert!
MP: Was unterscheidet Sauerkraut und Sojasauce aus Ihrer Sicht von anderen Werken?
© 2019 Yuki Shirono / Kodansha Ltd. © Mahoroba Verlag
Shirono: Comics über das Kochen oder Essen wie „Atari no Kitchen” gehen oft um „normales” japanisches oder ausländisches Essen. Außerdem ist die Fusionsküche mit japanischen Gerichten in Japan nicht sehr beliebt, da man manchmal ein negatives Bild von solch „abgewandeltem” japanischen Essen hat. Dass ich als eine Japanerin sehr positiv über die Fusionsküche von japanischen Gerichten mit
deutschen Zutaten zeichne, und dadurch die beiden Esskulturen vereinen konnte, ist aus meiner Sicht die Besonderheit an meinem Comic. Außerdem sind die Rezepte zum Teil recht anspruchsvoll und dann aber auch wieder einfach und kurios. Zum Beispiel habe ich vorher noch nie von Weißwurst-Sushi gehört. Das erscheint mir doch recht außergewöhnlich. Haha.
MP: Lesen Sie privat auch Manga? Haben Sie irgendwelche Vorbilder oder Idole?
Shirono: Natürlich! Sehr gerne sogar! Ich habe so viele Vorbilder, dass ich hier nicht alle nennen kann. Aber für meine Comedy-Comics wie Sauerkraut und Sojasauce habe ich wahrscheinlich am meisten Einfluss von Chibi Maruko-chan (von Momoko Sakura) oder Atashin’chi (von Eiko Kera) bekommen.
Was mich überhaupt zur Comic-Zeitschrift „Monthly Afternoon” gebracht hat, war Mushishi (von Yuki Urushibara – ein großes Idol von mir). Der Stil mit den Omnibus-Geschichten und auch der Rhythmus des Textes in diesem Manga haben meine Episoden-Comics wie Atari no Kitchen stark beeinflusst, obwohl mein Stil schon sehr anders aussieht. Zeichnerisch bin ich absolut begeistert vom Stil von Ryo Ikuemi.
MP: Der japanische und der deutsche Titel des Werkes scheinen sich im Wortlaut zu unterscheiden – wie kam es zu dieser Entscheidung? (Der japanische Title lautet Hakumai kara wa Nigerarenu: Doitsu de Tsukuru Nihonshoku, Itsumo nani ka ga Sorowanai)
Shirono: Den deutschen Titel wollte ich so gestalten, dass die Leser auf den ersten Blick den Reiz lustiger, ungewöhnlicher Kombinationen von japanischen und deutschen Zutaten erkennen. Die Kombination von „Sauerkraut” mit „Sojasauce” fand ich einfach witzig und schön, weil es nicht komplett wie ein Stereotyp der deutschen/japanischen Küche klingt und trotzdem richtig deutsch/japanisch ist.
MP: Sie haben auch bereits ein normales Kochbuch in Deutschland veröffentlicht. Was hat Ihnen dabei mehr Spaß bereitet? Das normale Kochbuch oder einen Manga- / Comic-Essay über das Kochen?
Shirono: Das ist schwierig zu vergleichen, weil der Entstehungsprozess beider Bücher auf so unterschiedliche Weise Spaß gemacht hat. Das normale Kochbuch habe ich mit dem Fotografen Hiroshi Toyoda gemacht. Die Ideen anderer Leute in meine Arbeit einfließen zu lassen, war für mich eine sehr neue, interessante Erfahrung. Manga sind dagegen nur „mein eigenes” Werk und es ist natürlich auch sehr schön, dass ich über alle Gerichte zeichnen kann, die ich persönlich mag und vermisse.
MP: Welches japanische Gericht konnten Sie bislang noch nicht mit deutschen Zutaten nachkochen – und woran liegt es?
Shirono: Was ich hier noch nicht mit anderen Zutaten ersetzen konnte und sehr vermisse, ist „Hiya-yakko”(Kalter Tofu).
Das ist ein sehr einfaches Gericht, nur mit kaltem Seidentofu, Sojasauce und Gewürzen wie Ingwer oder Lauchzwiebeln. Aber dazu braucht man sehr frischen, weichen Seidentofu. Für andere Gerichte nehme ich auch gerne Tofu aus normalen Supermärkten, aber für Hiya-yakko brauche ich Tofu, der richtig nach Soja schmeckt und das ist leider nicht so einfach zu finden.
„Hiya-yakko” ist also für mich ein besonderes Gericht, das ich nur machen kann, wenn ich im japanischen Feinkostladen oder Asia Markt sehr guten Tofu finde. Aber heute wird Tofu scheinbar auch z.B. in Berlin frisch gemacht. Vielleicht wird er bald so beliebt, dass man auch frischen Seidentofu in normalen Supermärkten bekommen kann - hoffe ich!
MP: Deutschland unterscheidet sich nicht nur hinsichtlich der Zutatenverfügbarkeit, sondern sicherlich auch in Hinblick auf die Ausstattung der Küchen, oder? Was fiel Ihnen auf und wie gehen Sie damit um?
Shirono: Als ich nach Deutschland kam, hatte ich oft mit der Handhabung der Messer Probleme. Ich habe oft kleinere oder lange, gerade Messer gesehen, die fast keinen Höhenunterschied zwischen dem Messer und dem Griff hatten. Immer als ich etwas geschnitten habe, habe ich meine Finger am Schneidebrett angestoßen und ich konnte damit kaum etwas fein schneiden. Auch die Arbeitsplatten und die Schränke sind oft zu hoch für mich. Mein Mann hat mir dann aber japanische Messer zum Geburtstag geschenkt und wir haben eine kleine Leiter für die Küche gekauft.
Aber dass fast alle Küchen einen großen Ofen und eine Spülmaschine haben, was in Japan sehr selten ist, finde ich super praktisch!
MP: Das Kochen oder das Zeichnen, was ist Ihre größere Leidenschaft?
Shirono: Ich mag beides, aber das Zeichnen ist und bleibt immer meine größte Leidenschaft.
MP: Das erste Feedback der deutschen Fans scheint sehr positiv zu sein – wie war das Feedback von japanischen Lesern zu diesem Werk?
Shirono: Es ist ein wenig ironisch, aber für die japanischen Leser ist es schwierig, die Gerichte im Comic in Japan nachzumachen, weil deutsche Zutaten nicht so leicht zu bekommen sind. Aber zum Glück fanden viele Leser die Fusionsküche interessant und die Charaktere im Comic sehr lustig. Am meisten hat es mich gefreut, dass Leser mir bei einem Interview-Event in Japan gesagt haben, dass sie die deutsche Esskultur so interessant fanden.
MP: Vielen Dank, dass Sie sich für dieses Interview die Zeit mit uns genommen haben, Shirono-san.
Shirono: Vielen lieben Dank. Es hat viel Spaß gemacht!