Besprechung zu Yukio Mishimas „Leben zu verkaufen“
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Nachdem wir zuletzt über die kommende Der Seemann, der die See verriet-Neuübersetzung Der Held der See und von unseren Leseeindrücken zu Der Goldene Pavillon und Bekenntnisse einer Maske berichtet haben, setzen wir nun unsere Artikelreihe zu Autor Yukio Mishima fort. Im Folgenden rücken wir Leben zu verkaufen in den Mittelpunkt.
Bei dem vorliegenden Release von Herausgeber Kein & Aber handelt es sich um die deutschsprachige Erstübersetzung von Nora Bierich. Neben der Hardcover-Fassung für 22,00 € ist eine Taschenbuchausgabe zum Preis von 14,00 € erhältlich. Letztere wartet mit einem intensiv roten Farbschnitt auf. Das E-Book kostet 13,99 €. Geboten wird ein Gesamtumfang von um die 240 Seiten.
Inhaltsbeschreibung
Nach einem gescheiterten Suizid ist Hanio auch weiterhin seines Lebens überdrüssig. Einen zweiten Selbstmordversuch lehnt er zwar ab, dennoch ist er fest entschlossen, zu sterben. Aus diesem Grund schaltet der 27-Jährige eine folgenreiche Zeitungsannonce: „Leben zu verkaufen. Verfügen Sie frei über mich. Ich bin männlich, 27 Jahre alt und kann Geheimnisse wahren.“
Wenig später erhält er einen Auftrag. Für ein Honorar von 50.000 Yen soll er mit der Geliebten eines gefährlichen Gangsters schlafen. Hanio ist weder attraktiven Frauen noch Sex abgeneigt, obendrein seiner Existenz leid, und stimmt ohne zu zögern zu. Nachdem diese Begegnung ganz anders als erwartet verläuft und einen überraschenden Ausgang findet, kann der ehemalige Werbetexter seinen Auftrag abschließen, ohne umzukommen.
Hanio steht damit wieder am Anfang: Noch immer möchte er seinem Dasein ein Ende setzen – ganz ohne selbst den (imaginären) Abzug zu drücken. Schnell beschließt er, seine Dienste, und damit sein Leben, ein zweites Mal zum Verkauf anzubieten. Tatsächlich dauert es nicht lange, bis er in den nächsten mysteriösen Fall verwickelt wird. Der Beginn turbulenter Eskapaden …
Aufbau & Stil
Die rund 240 Seiten sind in 55 kurze Kapitel unterteilt. Inhaltlich gliedert sich die Geschichte in mehrere, aufeinander aufbauende Handlungsbögen, die dem Werk einen episodischen Charakter verleihen. Sprachlich ist Leben zu verkaufen weitestgehend simpel gestrickt. Lediglich einige wenige Begrifflichkeiten – von „Shinjuku“ über „Tokonoma“ bis hin zu „Shangri-La“ – hätten für ein vollumfassenderes Verständnis jener, die nicht oder nicht ausreichend mit dem japanischen Kulturkreis vertraut sind, am Seitenende annotiert oder im Zuge eines Glossars für das deutschsprachige Publikum erläutert werden sollen.
Erzählt wird aus einer neutralen Perspektive. Dialoge finden nur in überschaubarem Maße Verwendung. Im Gegensatz zu Der Goldene Pavillon und Sonne und Stahl verzichtet Yukio Mishima hier auf innere Monologe und ausschweifende Erläuterungen. Entsprechend dynamisch gestaltet sich der Erzählverlauf. Gleichzeitig büßt Protagonist Hanio dadurch an Charaktertiefe ein – etwa lassen seine teils konservativen Äußerungen Begründungen vermissen. Dieser Umstand mischt sich mit willkürlich anmutenden Stelldicheins, denen nicht selten sexistische Beurteilungen vorangehen. Charakterlich mit Sicherheit nicht als Sympathiebolzen par excellence entworfen, besticht die Hauptfigur doch, nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung, durch die ihr angelegte Nonchalance.
Stilistisch begeistert der Roman insbesondere durch seine reichlich individuelle Themenzusammenstellung, die keiner festen Logik zu folgen scheint und damit fortlaufend zu überraschen weiß. Nicht weniger lobenswert ist die Übersetzung von Nora Bierich. Interessierte finden an dieser Stelle eine Online-Leseprobe *WERBUNG.
Fazit
Leben zu verkaufen ist im Grunde genommen kurzweilige Unterhaltungsliteratur. Was anfangs wie das Drama eines suizidalen Autors anmutet, entpuppt sich schnell als eine Art (Spionage-)Krimi mit übernatürlichen und reichlich obskuren Elementen. Von Beginn an glänzt die Erzählung durch ihr hohes Tempo, Schwächen im Plot werden auf diese Weise geschickt kaschiert. Durch stetig neue Impulse werden kontinuierlich neue Schwerpunkte gesetzt.
Auf innere Monologe oder sonstige Ausführungen ist weitestgehend verzichtet. Das trägt ebenfalls in gewissem Maße zum Gelingen der vorliegenden Geschichte bei. Neben der Ästhetik des Todes ist die Ablehnung der Moderne ein typisches Motiv Yukio Mishimas. Auch darüber hinaus schimmern die eigenen Weltanschauungen des 1925 geborenen Autors durch.
Gleichwohl handelt es sich hierbei um kein allzu typisches Werk von dem (vorwiegend) nationalistisch geprägten Künstler. Deswegen ist es allerdings nicht zwingend weniger lesenswert – im Gegenteil. Mit Blick auf Der Goldene Pavillon und Bekenntnisse einer Maske, die ebenfalls bei Kein & Aber auf Deutsch erschienen sind, mag der Roman in Sachen Gesellschaftskritik, Zeitgeschichte und Tiefenpsychologie nicht mithalten können, dafür wartet Leben zu verkaufen mit verschiedenen anderen Vorzügen auf.
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Mishima: A Life in Four Chapters (1985) ORIGINAL TRAILER [HD 1080p]
Unserer Einschätzung nach steht der Plot prinzipiell einem sehr breiten Publikum gegenüber offen – im Gegensatz zu den beiden zuvor genannten Arbeiten ist es hier außerdem nicht unbedingt nötig beziehungsweise anzuraten, die Autorenbiografie zu studieren, obgleich sich dadurch spannende Zusatzeinblicke ergeben. Leben zu verkaufen lässt sich problemlos „oberflächlich“ lesen, wodurch die Publikation auch jenen zu empfehlen ist, die bislang primär Light Novels gewohnt sind.
Bedingt durch das erklärte Setting bestehen gewisse Überschneidungen mit Sugaru Miakis Ich habe mein Leben für 10.000 Yen pro Jahr verkauft. Fans von Letzterem möchten wir die Lektüre daher im Besonderen nahelegen. Drama, Fantasy, Krimi und Erotik – wen diese Kombination nicht abschreckt, sollte sich Hanios wahrlich wildem Trip nicht entziehen.
Abschließend bedanken wir uns bei Kein & Aber für das Zurverfügungstellen eines Belegexemplars zur Unterstützung unserer Arbeit.