Besprechung zu Yukio Mishimas „Der Goldene Pavillon“
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Nachdem wir zuletzt über die kommende Der Seemann, der die See verriet-Neuübersetzung Der Held der See berichtet haben, setzen wir nun unsere Artikelreihe zu Autor Yukio Mishima fort. Im Rahmen einer Besprechung rücken wir dabei Der Goldene Pavillon in den Mittelpunkt.
Bei dem vorliegenden Release von Herausgeber Kein & Aber handelt es sich um eine Neuübersetzung von Ursula Gräfe, das Werk erschien hierzulande erstmals 1961 unter dem Titel Der Tempelbrand im List Verlag. Neben der Hardcover-Fassung für 22,00 € ist eine Taschenbuchausgabe zum Preis von 15,00 € erhältlich. Letztere wartet mit einem intensiv roten Farbschnitt auf. Das E-Book kostet 13,99 €. Geboten wird ein Gesamtumfang von um die 330 Seiten, inklusive Nachwort und Glossar.
Inhaltsbeschreibung
Nach dem Tod seines Vaters wird Mizoguchi Novize im Goldenen Pavillon. Schon immer hat ihn das im 14. Jahrhundert erbaute Gebäude mit all seinen Stockwerken und der teils mit Blattgold überzogenen Fassade fasziniert. Von der Kindheit an wurde ihm immer wieder von seiner unübertreffbaren Schönheit vorgeschwärmt – eine Vorstellung, die sich Jahre später tief verinnerlicht hat. Für den schwächlichen und obendrein stotternden Jugendlichen ist das zugleich ein großer Kontrast zu seiner eigenen Person.
Obwohl für Essen und Ausbildung gesorgt ist und Mizoguchi gar in den Kreis der Kandidaten für die Nachfolge des Abts rückt, ist der Student unzufrieden. Den genauen Grund dafür kann er nicht einmal benennen. Einerseits möchte er – nach eigener Darstellung – gar nicht verstanden werden, andererseits treibt ihn ein gewisses Geltungsbedürfnis an. Dabei scheut er nicht, Normen auszureizen, Regeln zu verletzen und seinen gesicherten Platz im Leben zu riskieren.
Im Verlauf der Zeit verschärfen sich diese Zustände. Für Mizoguchi wird der Goldene Tempel zu einem stetigen Begleiter seiner Gedanken. Selbst der Auslebung seiner Sexualität scheint der Holzbau im Weg zu stehen. Getrieben von der eigenen Obsession, gibt es für den jungen Mann schließlich nur noch eine Option …
Aufbau & Stil
Der Release gliedert sich in ungefähr 310 Seiten Hauptwerk, 15 Seiten Nachwort und fünf Seiten Glossar. Dabei ist die eigentliche Handlung in zehn Kapitel unterteilt, die wiederum durch Absätze und Sternchen strukturiert sind. Letztere symbolisieren zum Beispiel Gedankensprünge oder Wechsel in Zeit und Ort.
Im Gegensatz zu Bekenntnisse einer Maske ist Der Goldene Pavillon merklich komplexer abgefasst. Obwohl die Wortwahl keine Verständnisschwierigkeiten aufwirft, sorgt der Satzbau durch seine zahlreichen Einschübe und Verschachtelungen für eine konstant hohe Herausforderung – wenngleich nicht auf dem Niveau von Seiko Ito.
Die gesamten Aufzeichnungen, deren genaues Entstehungsdatum und Empfänger unbekannt verbleiben, sind aus der Ich-Perspektive von Protagonist Mizoguchi verfasst. Stilistisch bilden die langkettigen Beschreibungen einen interessanten Gegensatz zu Mizoguchis abgehackter Sprechweise. Die flüssig ineinandergleitenden Formulierungen lassen den Sprachfehler gar regelmäßig vergessen – so sehr, dass Yukio Mishima fortlaufend an diesen Umstand erinnern muss, um die Charakterwahrnehmung in ihren Bahnen zu halten.
An der Neuübersetzung der studierten Japanologin Ursula Gräfe ist nichts auszusetzen. Vor allem die hybride Herangehensweise bei der Lokalisierung der einzelnen Stockwerke des Goldenen Pavillons überzeugt. Interessierte finden an dieser Stelle *WERBUNG via Amazon eine Online-Leseprobe. Diese erlaubt es, einen Teil des ersten Kapitels kostenlos zu lesen.
Fazit
Der Goldene Pavillon gilt als eine der Prestigearbeiten von Yukio Mishima. Schon während der Lektüre ist klar, wieso. Auf den rund 310 Seiten wird eine Verdichtung aus Coming of Age und Psychogramm mit zahlreichen Bezügen in Richtung Zen-Buddhismus und Philosophie vorgelegt. Inhaltlich ist die Erzählung grob an den realen Tempelbrand von 1950 angelegt, in Verbindung mit den Beschreibungen der Kriegszustände und dem Klosteralltag ist das Ganze zugleich als historischer Stoff zu lesen. Generell gestaltet sich der Titel trotz seiner überschaubaren Länge unglaublich facettenreich.
Wie von dem 1970 durch Seppuku umgekommenen Autor gewohnt, sind (vereinzelte) Passagen über die Ästhetik des Todes installiert; etwa die Vorstellung, zusammen mit dem Goldenen Pavillon im Bombenhagel der Alliierten zu fallen. Damit ordnet sich die Veröffentlichung in eine Reihe mit Sonne und Stahl und Bekenntnisse einer Maske ein. Das komplizierte Verhältnis zu den Eltern sowie der Bezug zur eigenen Sexualität sind ebenfalls wiederkehrende Elemente, die auch hier gewisse autobiografische Züge nahelegen.
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Schon bedingt durch den Schreibstil ist Der Goldene Pavillon keine Trivialliteratur, sondern ein durchaus anspruchsvoller Entwicklungsroman, der seine wohlverdiente Aufmerksamkeit fordert. Im Gegensatz zu Bekenntnisse einer Maske ist hier weniger das Bild nach außen, sondern das nach Innen gerichtete (Eigen-)Verständnis eines japanischen Jugendlichen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs Thema.
Wer Yukio Mishima und sein Gesamtkunstwerk schätzt, ist hier mit Sicherheit gut beraten – nicht zuletzt wegen der durch das Nachwort kontextualisierten Neuübersetzung von Ursula Gräfe. Auch Fans von Geschichten wie Shuzo Oshimis Die Blumen des Bösen – Aku no Hana möchten wir an dieser Stelle eine Empfehlung aussprechen.
Abschließend bedanken wir uns bei Kein & Aber für das Zurverfügungstellen eines Belegexemplars zur Unterstützung unserer Arbeit.