Besprechung zu Iori Fujiwaras „Der Sonnenschirm des Terroristen“
Ende 2023 wurde der cass verlag für südostasiatische Belletristik und Kriminalliteratur geschlossen, bis zum Jahresende können die noch lieferbaren Titel über den regulären Buchhandel bezogen werden. Nachdem wir aus diesem Anlass zuletzt schon Seiko Itos Das Romanverbot ist nur zu begrüßen, Shugoro Yamamotos Die Rache und Chisako Wakatakes Jeder geht für sich allein vorgestellt haben, rücken wir nun Der Sonnenschirm des Terroristen von Iori Fujiwara in den Mittelpunkt.
Das rund 350 Seiten starke Buch ist im September 2017 auf Deutsch erschienen. Zum Neupreis von 19,95 € wird ein Hardcover in den Maßen 19,4 × 12,9 cm mit Lesezeichenband und Hochglanzpapier-Schutzumschlag geboten. Letzterer wird von einem Holzschnitt von Miriam Zweck geziert. Eine E-Book-Fassung ist weder erhältlich noch geplant. Interessierte können die mittlerweile bereits vergriffene Veröffentlichung unter der ISBN 978-3-944751-15-3 finden.
Inhaltsbeschreibung
Als in einem Tokyoter Park eine Bombe gezündet wird, ist zufällig der Barkeeper und Alkoholiker Shimamura in der Nähe. In der ganzen Aufregung hinterlässt er eine Whiskyflasche samt seinen Fingerabdrücken. Genau das droht ihm zum Verhängnis zu werden, denn der abgetakelte Mann ist seit über zwanzig Jahren auf der Flucht. Schon damals wurde er mit einer Explosion in Verbindung gebracht.
Dass die Polizei die aktive Verfolgung wieder aufnimmt, ist nur eine Frage der Zeit. Während Shimamura noch seine nächsten Schritte plant, muss er feststellen, dass mit Yuko auch eine Bekannte von früher unter den Todesopfern ist. Für den Alkoholiker ist das Grund genug, dem Fall auf eigene Faust nachzugehen. Doch je tiefer er gräbt, desto mehr Ungereimtheiten tun sich auf.
Bei seinen Ermittlungen spielen schließlich nicht nur die Studentenrevolten in Japan, sondern auch die Tochter von Yuko sowie die Yakuza eine wichtige Rolle. Shimamura tritt in einen Kampf gegen die Zeit ein, und die Sonderkommission zur Aufklärung des Attentats scheint nicht sein einziger Gegner …
Aufbau & Stil
Der Roman ist in zwanzig Kapitel gegliedert. Dabei handelt es sich jeweils um Sinnabschnitte, die in etwa zwischen 10 und 30 Seiten umfassen. Inhaltlich wird das Geschehen aus der Perspektive von Shimamura selbst erzählt, auf auktoriale Einschübe ist verzichtet. Dadurch gewinnt die Hauptfigur zu Beginn rapide an Sympathie – trotz ihres Daseins als Trinker, das nur allzu gerne hervorgehoben wird.
Für den erwünschten Spannungseffekt sorgen die zahlreichen Hinweise, die von Autor Iori Fujiwara in den Handlungsverlauf eingeflickt wurden. Diese sind leicht zu bemerken, jedoch herausfordernd in der (exakten) Deutung. Entsprechend wird zum Miträtseln aufgefordert. Richtung Ende zieht das Tempo zwar recht plötzlich an, für die Auflösung inklusive Motivbeschreibung bleibt aber ausreichend Raum.
Der Sonnenschirm des Terroristen zeichnet sich durch eine einfache, elliptische Sprache aus. Der Übersetzung aus dem Japanischen von Katja Busson ist gut zu folgen, auch hinsichtlich der redaktionellen Bearbeitung lässt der Release – wie vom cass verlag gewohnt – nicht zu wünschen übrig. Interessierte können sich mithilfe der kostenlosen Download-Leseprobe einen eigenen Eindruck von dem Titel verschaffen.
Fazit
Die Inhaltsangabe versprach einen spannenden Kriminalroman – Autor Iori Fujiwara hat genau das geliefert. Nach kurzer Anlaufzeit lässt sich vollends in das Setting eintauchen. Bedingt durch den simplen Schreibstil ist es problemlos möglich, sofern es die eigene Zeit nun einmal erlaubt, gute 100 Seiten, oder mehr, am Stück zu lesen.
Über einen Großteil der Geschichte hinweg ist der Spannungsbogen gewahrt. Selbstredend ist die Leserschaft eingeladen, gemeinsam mit Protagonist Shimamura zu ermitteln. Genügend Hinweise werden gestreut und letztlich auch verwandelt. Trotzdem könnte das Finale überraschen, nicht zuletzt, weil die Inszenierung auffallend konstruiert und dadurch nicht in Gänze abzusehen ist.
Weniger interessant als die eigentliche Auflösung, die etwas schnell realisiert wird, sind die Hintergründe des Anschlags, vor allem das Motiv. In Verbindung mit den zuvor platzierten Fährten wird ein insgesamt zufriedenstellendes Ende erreicht, wenngleich die Herangehensweise samt der umgesetzten Ideen sicherlich Geschmackssache ist. Ebenso könnten einige einen Epilog vermissen.
Für Krimi-Fans ist Der Sonnenschirm des Terroristen unserer Einschätzung nach empfehlenswert. Dank des strukturierten Aufbaus und den wenigen, aber einprägsamen Figuren gestaltet sich das Lesen als angenehm kurzweilig. Dass bislang keine weiteren Werke von dem 2007 verstorbenen Schreiber im Westen erschienen sind, ist wirklich bedauerlich.
Der cass verlag hat diesen Artikel freundlicherweise mit einem Belegexemplar unterstützt.